Maas in Rechtfertigungsnot: "SchÀmen Sie sich?"
Die Bundesregierung hat die Lage in Afghanistan falsch eingeschĂ€tzt. Das geben die zustĂ€ndigen Minister einhellig zu. Doch in einem ZDF-Interview kommt AuĂenminister Heiko Maas mit dieser Rechtfertigung nicht davon.
Die bissigen Fragen von Marietta Slomka sind berĂŒchtigt. Wer ihre Auftritte im "heute journal" des ZDF kennt, weiĂ: Sie kann ihren GesprĂ€chspartnern sprichwörtlich die Hölle heiĂ machen. Diese im positiven Sinne scharfe InterviewfĂŒhrung haben schon einige ehemalige oder aktuelle PolitikgröĂen Deutschlands zu spĂŒren bekommen: Ob Sigmar Gabriel, Christian Lindner oder Jens Spahn â alle hatten ihre Probleme mit der 52-jĂ€hrigen Fernsehjournalistin.
Dem Gerede vom angeblichen "Staatsfunk", den Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks so gerne in die Welt posaunen, begegnete Slomka am Dienstagabend erneut mit ihrer gewohnten Art. Interviewgast diesmal: AuĂenminister Heiko Maas. Angesichts des katastrophalen Krisenmanagements in Afghanistan nahm Slomka den SPD-Politiker in die Mangel â und lieĂ ihn auch mit Entschuldigungen nicht davonkommen.
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Direkt zu Beginn konfrontiert sie Maas mit der Aussage des BundesprĂ€sidenten Frank-Walter Steinmeier, die "Bilder der Verzweiflung" aus Afghanistan seien "beschĂ€mend fĂŒr den politischen Westen". Daraus leitet sie die provokante Frage in Richtung des Ministers ab: "SchĂ€men Sie sich?" Maas antwortet ausweichend: "Wenn man die Bilder in Afghanistan sieht, sind die GefĂŒhle, die in einem ausgelöst werden, alles andere als schön", und erklĂ€rt dann, dass eine weitere Maschine bereitstehe, um den Menschen vor Ort zu helfen. "Deren Schicksal berĂŒhrt uns alle", betont der Minister. Eine Aussage, die Marietta Slomka so nicht stehen lassen wollte.
Sie erinnert an die VersĂ€umnisse der letzten Monate, in denen den Menschen nicht geholfen wurde. OrtskrĂ€fte seien nicht rausgeholt, VisaantrĂ€ge verzögert worden. Slomka berichtet von einem Dolmetscher, mit dem sie Kontakt hatte. Dieser habe es zwar aus eigenen StĂŒcken nach Kabul geschafft, laufe dort jetzt aber "in Panik" mit seiner Frau und zwei Kindern durch die Parks der afghanischen Hauptstadt.
"Wird so getan, als wenn jemand zu Schaden gekommen ist"
Maas versucht, sich zu rechtfertigen und wendet ein, dass 2.500 OrtskrĂ€fte aus Afghanistan herausgeholt werden sollen. Dass die Taliban Kabul erst in einigen Wochen einnehmen wĂŒrden, sei "offensichtlich eine FehleinschĂ€tzung gewesen", so der AuĂenminister, der auch von den EinschĂ€tzungen des Bundesnachrichtendiensts und der Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium unter FĂŒhrung von CDU-Politikerin Annegret Kramp-Karrenbauer abhĂ€ngig sei. Jetzt habe man den Kreis derjenigen erweitert, die man ohne Visa und ohne SicherheitsprĂŒfung nach Deutschland holen wolle.
FĂŒr Marietta Slomka gehen diese Rechtfertigungen nicht weit genug, immer wieder grĂ€tscht sie zwischen die AusfĂŒhrungen von Maas. Der deutsche Botschafter in Afghanistan habe rechtzeitig Warnungen verschickt, sagt die ZDF-Moderatorin. Die EvakuierungsmaĂnahmen der Bundesregierung kĂ€men nun reichlich spĂ€t. Maas erklĂ€rt: "Es ist nichts geschehen, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der deutschen Botschaft sind in Sicherheit, sind in Deutschland. Ein Kernteam ist in Kabul am Flughafen und hilft, OrtskrĂ€fte auszufliegen. (...) Es wird hier so getan, als wenn irgendjemand zu Schaden gekommen ist. Das ist nicht der Fall."
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Slomka fragt, warum weder der BND noch das Verteidigungsministerium wusste, dass es spĂ€testens nach dem Fall des Kundus eng werden wĂŒrde. Maas lenkt ein, die Kritik zu verstehen: "Ich kann mich ja nicht mehr als wiederholen, die FehleinschĂ€tzung, die es in dem Zusammenhang gegeben hat, die haben alle getroffen", so der 54-JĂ€hrige. Am Ende ein Satz, den er in dem ZDF-GesprĂ€ch tatsĂ€chlich nicht nur einmal wiederholen musste.