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Entwurf zur Digitalstrategie: Es fehlt an Ambitionen, es fehlt am Willen


Scholz' Digitalstrategie
Ein Himmelfahrtskommando

MeinungEin Kommentar von Falk Steiner

Aktualisiert am 07.07.2022Lesedauer: 4 Min.
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Digitalminister Volker Wissing (l.) und Bundeskanzler Olaf Scholz: Das Thema Digitalisierung scheint unter der neuen Regierung nicht besser zu laufen als in den Jahren zuvor. (Quelle: Florian Gaertner/photothek.de via www.imago-images.de)

Digitalen Fortschritt hat die Ampelkoalition versprochen – und scheitert bislang krachend. Das ist auch die Schuld der verfehlten Personalpolitik des Kanzlers.

An Zielen fehlte es nie: Deutschland soll endlich zur digitalen Weltspitze aufschließen. Deutschland soll digitaler werden. Schon Gerhard Schröder wollte 1998 einen Digitalminister – der sagte ab, stattdessen kam ein Energiemanager.

Die Realität sieht seitdem so aus: Funklöcher gibt es noch viel zu viele, turboschnelle Internetzugänge dagegen kaum und der Gang zum Amt kann nur in wenigen Fällen durch das Sitzen vor dem Computer ersetzt werden.

Wo Deutschland digital steht, hat zuletzt die Corona-Pandemie vor Augen geführt. Was digital funktioniert, ist eher trotz der politischen Verantwortlichen da, nicht wegen ihnen. Damit kann niemand zufrieden sein, schon gar nicht eine Bundesregierung, die sich Fortschritt auf die Fahnen geschrieben hat.

Nun solle alles wirklich besser werden, verspricht Digitalminister Volker Wissing (FDP). Er hat die Aufgabe, die Pläne bei allen Ministerien einzusammeln und daraus eine Gesamtstrategie zu formen. Die soll Ende August fertig sein.

30 Seiten mit liegengebliebenen Projekten statt neuer Ansätze

Doch was sich in einer Entwurfsversion wiederfindet, die t-online vorliegt, ist weit davon entfernt, Deutschland mit High Speed in die digitale Realität zu katapultieren. Das ist für alle Beteiligten politisch hochgefährlich.

Auf 30 Seiten sind die liegengebliebenen Projekte der Vorgängerregierungen neu zusammengestellt. Ob bei der Gesundheitspolitik oder in der Verwaltung: Überall soll jetzt kommen, was seit Jahren vorgesehen ist. Die elektronische Patientenakte etwa, oder die Online-Erledigung von Verwaltungsgängen. Beim Wie bleiben die Fragezeichen der Vergangenheit stehen. Hinzu kommen einige Projekte, die bislang eher nebenbei liefen. Neu oder entschlossen ist fast nichts – und vor allem noch meilenweit weit weg von Weltspitzenniveau-Anspruch.

Es mangelt also an Ambition, es mangelt am Willen, jetzt auch wirklich loszulegen. Stattdessen ist nach einem halben Jahr bereits das Lieblingsspiel des Berliner Betriebs im Gange: Ausreden und Sündenböcke finden. Denn niemand möchte für die nächste Runde des digitalen Scheiterns verantwortlich sein.

Das Scheitern ist absehbar – und der Bund hat viele Ausreden

Dankbar für die Bundespolitik: Die Ausreden der vergangenen Jahre könnten auch weiter funktionieren. Denn nicht der Bund, sondern Länder und Kommunen sind für die Digitalisierung der meisten Amtsgänge zuständig. Und auch für die Schulen hat der Bund keine Zuständigkeit. Ohne Länder und Kommunen wird kein einziger Mobilfunkmast gebaut, keine Glasfaser im Boden verlegt. Und der Datenschutz und die Datensicherheit, natürlich, die sind sowieso immer schuld.

Und dass sich deutsche Klein- und Mittelständler zu wenig für die Digitalisierung interessieren –ist daran wirklich die Bundesregierung schuld? Oder daran, wenn Ärzte lieber weiter mit ihren Nadeldruckern Krankschreibungen drucken, statt sie auf elektronischem Wege zu übermitteln?

Die Antwort lautet: ja. So wie die Vorgängerregierungen. Andere Länder zeigen den Weg. Estland, Finnland, Schweden, Dänemark sowieso, aber in einigen Bereichen liegt Deutschland sogar hinter Litauen. Viele dieser Länder sind vorbildliche Demokratien, die anders als das ebenfalls digital fähige China ganz sicher keinen allmächtigen Überwachungsstaat wollen. Sie zeigen, dass es trotzdem und anders geht.

Aber in Deutschland ging bislang nichts. Genau deshalb müsste die Ampelregierung ihr Fortschrittsversprechen jetzt entschieden angehen. Hierzulande fehlt es bisweilen sogar am Willen, eine solche Entschlossenheit wenigstens vorzutäuschen.

Die Digitalstrategie käut Projekte der Vorgängerregierung wieder

Schuld daran trägt auch Olaf Scholz. Der Kanzler aus dem Röhrenfernseher-Zeitalter hat die Digitalisierung nicht zur Chefsache erklärt. Angela Merkel hatte den Versuch unternommen, die Koordinierung der Digitalpolitik ins Kanzleramt zu holen. Scholz hat das rückgängig gemacht – und einen in Digitalfragen unerfahrenen Vertrauten aus dem Finanzministerium zum Leiter der zuständigen Abteilung ernannt. Nun ist Wissing für das Thema zuständig und verantwortlich, ein Himmelfahrtskommando, wenn der Rest der Regierung nicht wirklich will.

Und danach sieht es aus. Die Digitalstrategie konzentriert sich in weiten Teilen auf die Umsetzung alter Vorhaben. Die sollen endlich abgeschlossen werden. Was aber viele davon nötig hätten: Eine vollständige Überprüfung des bisherigen Ansatzes. Und dann harte Entscheidungen, für die Minister sich verantwortlich erklären.

Wenn Schulen im Jahr 2025 Unterricht und soziale Interaktion mit digitaler Unterstützung durchführen können sollen, was bräuchte es dafür? Wenn kein Bürger mehr unnötig zum Amt rennen soll, was wäre dafür nötig? Wenn die Bundeswehr digitale Kommunikationsinfrastrukturen braucht, wie kann man das beschleunigen und zu den Soldaten bringen?

Für echten Fortschritt bräuchte es das ganz große gemeinsame politische Ja des gesamten Kabinetts. Nur wer sich überhaupt einmal für Wege entscheidet, wie das gerade notgedrungen in der Energiepolitik stattfindet, kann vorankommen.

So wie es ist, kann es nicht bleiben

Wenn es für eine erfolgreiche Digitalisierung eine Reform der Zuständigkeiten von Bund und Ländern braucht, dann muss die Antwort lauten: Ja, natürlich, machen wir. Wenn für eine erfolgreiche Digitalisierung alte Abläufe durch komplett neue ersetzt werden müssen, weil die alten nicht digitalisierbar sind, dann braucht es ein: Ja, natürlich, wird erledigt.

Denn so wie es ist, kann es nicht bleiben.

Dieses deutliche Ja fehlt. Die Bereitschaft, Verantwortung zu tragen. Auch dann würden Fehler gemacht, sicherlich. Aber nichts zu machen, das kann nicht die Alternative sein.

Noch wäre etwas Zeit zur Kurskorrektur. Ende August soll sich die Bundesregierung gemeinsam auf den finalen Wortlaut festlegen. Es bleiben also knapp zwei Monate – im politischen Berlin sehr wenig Zeit. Volker Wissing könnte der nächste Prinz werden, der das digitale Dörnröschenschlaf-Deutschland nicht wach küssen kann.

Nur eine Ausrede würde der Ampel dann fehlen: Dass die digital unfähigen, konservativen Hinterwäldler von der CDU und der CSU eine erfolgreiche Digitalpolitik verhindert hätten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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