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Debatte um Artikel 13: Für die CDU ist der Spuk noch lange nicht vorbei


EU-Urheberrechtsreform kommt
Für die CDU ist der Spuk noch lange nicht vorbei

Eine Analyse von Laura Stresing

Aktualisiert am 26.03.2019Lesedauer: 4 Min.
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Der Europaabgeordnete Axel Voss: Am Dienstag hat das EU-Parlament nach zwei Jahren der Verhandlung der Urheberrechtsreform zugestimmt.Vergrößern des Bildes
Der Europaabgeordnete Axel Voss: Am Dienstag hat das EU-Parlament nach zwei Jahren der Verhandlung der Urheberrechtsreform zugestimmt. (Quelle: Jean-Francois Badias/ap-bilder)

In einer dramatischen Entscheidung hat das EU-Parlament der umstrittenen Urheberrechtsreform über die Ziellinie verholfen. Doch nach wie vor besteht großer Redebedarf – auch in der Bundesregierung.

Bis zuletzt dauerte die Lobbyschlacht an. Bis zuletzt wurde gestritten. Seit Dienstagmittag ist klar: Die EU-Urheberrechtsreform kommt. Der Streit um Uploadfilter, Leistungsschutzrecht und die Rolle von Internetkonzernen und Verlagen geht trotzdem weiter. Vor allem die CDU kommt in Bedrängnis.

Was ist heute passiert?

Das EU-Parlament hat die EU-Urheberrechtsreform am Dienstag mit 348 zu 274 Stimmen verabschiedet. Damit ist der Weg frei für ein europaweites Leistungsschutzrecht und strengere Haftungsauflagen für Nutzerplattformen wie YouTube. Kurzfristige Änderungsanträge, die zur Streichung der umstrittenen Paragraphen geführt hätten, wurden nicht zugelassen.

Die Mitgliedstaaten müssen das Ergebnis noch formal bestätigen. Voraussichtlich wird das Vorhaben noch vor der Europawahl endgültig beschlossen. Anschließend haben die Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit die Richtlinie in die nationale Gesetzgebung einfließen zu lassen.

Was bedeutet das?

Ziel der Richtlinie ist es, das Urheberrecht zu modernisieren und europaweit zu vereinheitlichen. Es soll an die neuen Bedingungen im Internet angepasst werden, wo Inhalte leicht erstellt und geteilt werden können. Kritiker warnen jedoch, dass die vorgesehenen Maßnahmen und Pflichten kleinere Plattformen, sowie freischaffende Künstler und Privatnutzer benachteiligen.

"Immer mehr Menschen verstehen, dass sie selbst Urheber geworden sind", sagt der Netzaktivist Markus Beckedahl. Die Reform bilde das aber nicht ab. Der Durchschnittsnutzer stehe "weiterhin wegen Alltagshandlungen mit einem Klick in einer Urheberrechtsverletzung".

Der Vorstandsvorsitzende des Verbands der Internetwirtschaft eco Oliver Süme warnt vor den Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. "Uploadfilter und das Leistungsschutzrecht werden nicht nur die Beiträge auf Facebook, YouTube und Twitter einschränken, sondern vielmehr auch jedes Start-Up im Internet vor beträchtliche Hürden stellen", sagt Süme. "Kleine Unternehmen werden ihre Dienste einschränken oder künftig Technologien einkaufen müssen, die sich nur die Großen in der Entwicklung leisten können."

Wie reagieren die Befürworter der Reform?

Neben den Verbänden der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger und der Musikverwertungsgesellschaft Gema begrüßten auch die deutschen Journalistenverbände die Entscheidung des Europaparlaments.

Die neue Richtlinie stärkt die Rechte von Verlagen und Verwertungsgesellschaften, die künftig stärker an den Gewinnen großer Internetkonzerne beteiligt werden sollen. Diese sammeln das Geld stellvertretend für die Urheber ein und leiten es an die Künstler, Autoren und Journalisten weiter. Alternative Geschäftsmodelle mit kreativen Inhalten im Internet werden von der Reform nicht bedacht.

Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes Frank Überall erwartet, dass Urheber dank der Reform "an der digitalen Nutzung ihrer Werke angemessen partizipieren" werden. Für die Zukunft wünsche er sich eine "Versachlichung" der Debatte. "Es nützt wirklich niemandem, wenn die Gegner der Reform Bedrohungsszenarien unter Internetnutzern streuen, die den Untergang des Internet und allgegenwärtige Zensur suggerieren."

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Was bedeutet die Entscheidung für die Bundespolitik?

Viele EU-Abgeordnete dürften nach der heutigen Abstimmung erleichtert aufatmen. Nach den heftigen Protesten der vergangenen Tage schien das Vorhaben zeitweise sogar auf der Kippe, und das nur aufgrund einiger weniger Streitpunkte.

Jede kurzfristige Änderung hätte jedoch bedeutet, dass neu verhandelt werden muss – und zwar erst nach der Europawahl. Die öffentliche Debatte um Artikel 13 hätte den Wahlkampf ganz bestimmt beeinflusst und womöglich sogar manchen Abgeordneten die Wiederwahl gekostet. Nicht umsonst drängten die Befürworter der Reform auf eine frühe Abstimmung.

Jetzt sind die Mitgliedsländer am Zug. Sie sollen den Beschluss ein letztes Mal absegnen. Das heißt: Auch die Bundesregierung steht erneut vor der Wahl, ob sie ihre früheres "Ja" zum Kompromiss bekräftigt. Die Entscheidung fällt voraussichtlich am 9. April.

Was ist von der Großen Koalition zu erwarten?

Dass die Bundesregierung die Reform gänzlich ablehnt, gilt als unwahrscheinlich. Mehrere Spitzenpolitiker von CDU/CSU und SPD haben aber bereits signalisiert, dass sie eine Urheberrechtsreform ohne Uploadfilter-Zwang bevorzugen würden. Die SPD forderte zuletzt die Streichung des Artikel 13 (der in der aktuellen Richtlinienfassung Artikel 17 heißt). Die CDU schlägt eine nachträgliche Sonderlösung auf nationaler Ebene vor. Sie glaubt, durch die Einführung von Pauschallizenzen auf Uploadfilter verzichten zu können.

Der FDP-Politiker Jimmy Schulz hält den Vorstoß für unglaubwürdig. "Die Bundesregierung wird erst noch zeigen müssen, wie ernst es ihr damit ist, die EU-Regeln ohne Uploadfilter umzusetzen", sagt der Digitalpolitiker t-online.de.

Er persönlich habe Zweifel, dass dies gelingt. Die Große Koalition habe bereits die Möglichkeit gehabt, Uploadfilter auf EU-Ebene zu verhindern, habe sich jedoch dagegen entschieden. Im Nachhinein lasse sich die Entscheidung nur schwer korrigieren. "Nationale Gesetze sind im Internet nicht wirksam", sagt Schulz.

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Wären die Gegner mit einem Verzicht auf Uploadfilter zufrieden?

Gegner der Reform sehen auch jenseits der Uploadfilter weitreichende Probleme auf Internetnutzer, Urheber und Unternehmen zukommen. "Das Leistungsschutzrecht etwa kann man auf deutscher Ebene als gescheitert betrachten", sagt Schulz. Trotzdem soll es nun EU-weit eingeführt werden. Auch bei den Vergütungsregeln für Autoren und Journalisten sieht Schulz Nachteile für die Betroffenen. Der entsprechende Artikel 12 sei in der öffentlichen Debatte leider "oft untergegangen".

Unter Netzaktivisten überwiegt ebenfalls die Skepsis gegenüber den CDU-Plänen. Ihrer Ansicht nach hat die Union schon jetzt ein Gesetz zu verantworten, das von der mangelnden Digitalkompetenz führender Politiker zeugt. "Ich erwarte mehrere Jahre Rechtsunsicherheit wegen eines schlampig formulierten Gesetzestextes, der viele Interpretationen zulässt", sagt der Netzaktivist Beckedahl.

Der professionelle YouTuber Thomas Hackner alias "Herr Newstime" wirft der CDU vor, von ihrer politischen Verantwortung ablenken zu wollen. Sie gebe zwar vor, Uploadfilter verhindern zu wollen. Aber: "Das ist eine Nebelkerze vom Allerfeinsten." Ein nennenswerter Sinneswandel sei unter den Politikern nicht festzustellen. "Sonst hätten die Abgeordneten die Änderungsanträge heute im Parlament ja zugelassen."

Der YouTuber hat die Abstimmung in einem Live-Stream auf seinem Kanal begleitet. Dabei sei schnell klar geworden, dass das Vertrauen in die CDU unter seinen Zuschauern nachträglich erschüttert sei. Viele Jungwähler wollten der Partei nun einen Denkzettel verpassen. "Die CDU wird bei der nächsten Wahl definitiv darunter leiden", sagt Hackner. Auch auf Twitter beherrschten am Dienstagabend Schlagworte wie #NieMehrCDU und #GehtWählen die Deutschlandtrends. In mehreren Städten rief das Bündnis "SaveyourInternet" erneut zu Spontandemos auf. Der Spuk ist noch lange nicht vorbei.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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