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Vorhofflimmern: Die Herzrhythmusstörung ist weit verbreitet. Meist bleibt sie zunächst unerkannt.


Herzspezialistin im Gespräch
Vorhofflimmern: Darum wird die Rhythmusstörung häufig nicht erkannt


Aktualisiert am 27.03.2024Lesedauer: 6 Min.
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Mann mit animiertem HerzanfallVergrößern des Bildes
Vorhofflimmern: Ein Teil der Betroffenen merkt, wie das Herz stolpert, die Mehrheit aber hat keine Symptome. (Quelle: Staras/getty-images-bilder)

Vorhofflimmern verursacht in Deutschland jährlich über 35.000 Schlaganfälle. Bei dieser Herzrhythmusstörung gerät das Herz aus dem Takt.

Typische Symptome sind manchmal Herzrasen, Druckgefühl im Brustkorb und Luftnot sein. Das Tückische: Die meisten Betroffenen haben überhaupt keine Beschwerden.

Die Kardiologin Dr. Ellen Hoffmann ist Chefärztin der Klinik für Kardiologie am Herzzentrum München-Bogenhausen und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung. Im Gespräch mit t-online.de erklärt sie, wie Vorhofflimmern entsteht, warum es so gefährlich ist und wie es behandelt wird.

t-online: Frau Dr. Hoffmann, was ist Vorhofflimmern?

Dr. Ellen Hoffmann: Das ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung in Deutschland. Vorhofflimmern ist eine völlig ungeordnete und schnelle elektrische Erregung innerhalb der Herzvorhöfe. Diese ungeordnete Erregung hat zur Folge, dass sich der Vorhof nicht mehr richtig zusammenzieht. Dennoch findet eine unregelmäßige elektrische Überleitung des Herzschlags auf die Herzkammern statt. Der Pulsschlag, und damit der Auswurf des Bluts aus dem Herz in den Kreislauf, ist absolut unregelmäßig. Deshalb nennt man das Krankheitsbild auch absolute Arrhythmie.

Ist das lebensbedrohlich?

Würde diese chaotische und schnelle Erregung nicht im Vorhof, sondern in der Herzkammer stattfinden, dann läge Kammerflimmern vor. Das Herz pumpt in diesem Fall kein Blut mehr in den Körper und infolgedessen überlebt der Patient das selten – man spricht hier vom plötzlichen Herztod. Beim Vorhofflimmern hingegen schlägt das Herz lediglich unregelmäßig. Dadurch verspüren etwa 20 bis 30 Prozent der Patienten Herzstolpern, Herzrasen oder Leistungsminderung.

Kann man mit Vorhofflimmern leben?

Ja. Damit das Blut durch den Körper gepumpt wird, braucht der Mensch die Kontraktion vom Vorhof nicht unbedingt. Es gibt Weltklasse-Marathonläufer, die trotz Vorhofflimmern immer noch laufen.

Warum kann Vorhofflimmern gefährlich werden?

Es ist keine lebensbedrohliche Rhythmusstörung. Sie ist nur gefährlich, wenn sie nicht erkannt und behandelt wird. Vor allem das Risiko für Schlaganfälle steigt. Nur rund ein Viertel der Patienten merken aber, dass sie Vorhofflimmern haben. Die anderen 75 Prozent, die das haben, gehen zum Hausarzt, Internisten oder Kardiologen und dann sagt der: „Sie haben ja Vorhofflimmern“. Die Patienten sind häufig völlig überrascht.

Warum merken die Betroffenen häufig nicht, dass sie eine Herzrhythmusstörung haben?

Vorhofflimmern wird nur dann bemerkt, wenn es zu schnell vom Vorhof in die Hauptkammer übergeleitet wird. Durch den zu schnellen Herzschlag kann sich das Herz nicht ausreichend füllen und somit auch nicht mehr genug Blut pumpen. Wenn die Herzfrequenz normal ist, merken die Betroffenen es oft nicht, ob der Vorhof an sich flimmert oder nicht. Und das heimtückische dabei ist, dass die Patienten eigentlich eine Behandlung bräuchten.

Wie kommt es zum Vorhofflimmern?

Von den großen Venen, die aus der Lunge ins Herz einmünden und zwar in den linken Vorhof, geht eine Aktivität aus, ähnlich wie von Zündkerzen. Von dort entspringen elektrische Impulse, die sogenannten Extrasystolen. Jede Episode von Vorhofflimmern wird durch eine Extrasystole, meistens aus diesen Lungenvenen heraus, ausgelöst. Das ist der Trigger für Vorhofflimmern.

Welche Risikofaktoren können Vorhofflimmern darüber hinaus auslösen oder begünstigen?

An erster Stelle ist das der Bluthochdruck. An zweiter Stelle kommt die koronare Herzerkrankung, das heißt, die Verengung der Herzkranzgefäße durch Arteriosklerose. An dritter Stelle stehen Erkrankungen der Herzklappen, insbesondere der Mitralklappe, die zwischen Vorhof und Hauptkammer liegt. Diese kann undicht sein, weil sie nicht richtig schließt. Ein weiterer möglicher Auslöser von Vorhofflimmern ist eine Herzschwäche. Aber auch eine Schilddrüsenüberfunktion kann Vorhofflimmern verursachen.

Warum bekommt der eine im Zuge dieser Grunderkrankungen Vorhofflimmern und der andere nicht?

Fast jeder Mensch hat zwar ab und zu Extrasystolen, aber nicht jeder bekommt dadurch Vorhofflimmern. Einmal muss der Trigger aus der Lungenvene vorliegen. Das sind Zellen, die in der Entwicklungsgeschichte des Herzens aus dem Vorhof mit in die Venen gezogen sind. Bei vielen Menschen feuern diese Herzzellen, bei anderen nicht. Hinzukommt, dass das Vorhofmuskelgewebe anfällig sein muss, eine anhaltende Rhythmusstörung aufrechtzuerhalten. Vergrößerte Vorhöfe neigen besonders zu Vorhofflimmern. Eine Vergrößerung entsteht zum Beispiel aufgrund von Bluthochdruck.

Welche Symptome haben Betroffene, die das Vorhofflimmern merken?

Das Hauptsymptom beim Vorhofflimmern ist das Gefühl des unregelmäßigen Herzschlages, sogenannte Palpitationen. Der Patient hat entweder das Gefühl, sein Herz stolpert, oder dass das Herz dauernd zu schnell und unregelmäßig schlägt. Patienten, die an einer Herzschwäche erkrankt sind, haben bei Vorhofflimmern außerdem Atemnot während körperlicher Belastung oder sogar in Ruhe.

In welchem Fall ist das Herzstolpern nicht mehr harmlos?

Es gibt zwei Dinge, die uns zum Handeln veranlassen: Entweder jemand hat Beschwerden, die ihn beeinträchtigen, oder wir stellen eine Erkrankung fest, die mit einer früheren Sterblichkeit einhergeht. In beiden Fällen sollte eine Therapie veranlasst werden.

Welche Therapie bekommen Patienten mit Vorhofflimmern?

Zunächst müssen Grunderkrankungen wie Bluthochdruck, Herzschwäche, Koronare Herzerkrankung oder eine Schilddrüsenüberfunktion behandelt werden. Nötig ist bei den meisten Patienten eine Blutverdünnung. Denn sonst ist das Risiko, einen Schlaganfall zu bekommen, deutlich erhöht. Wenn das Vorhofflimmern länger unbemerkt zu schnell läuft, kann sich außerdem eine Herzschwäche entwickeln, weil das Herz dauernd viel zu schnell pumpen muss. Dann muss man möglichst frühzeitig den normalen Rhythmus wiederherstellen, um eine dauerhafte Herzschwäche zu verhindern.

Ist damit das Vorhofflimmern schon gebannt?

Nicht immer. Manche Patienten haben so starke Symptome, dass das Vorhofflimmern ihre Lebensqualität dramatisch einschränkt. Die machen beispielsweise keine Reise oder keinen Sport mehr, dann leidet die ganze Familie mit. Wenn der Patient einschränkende Symptome durch Vorhofflimmern hat, kann man einen kathetergeführten Eingriff am Herzen durchführen. Insbesondere bei der Art Vorhofflimmern, welches kommt und geht, kann eine sogenannte Ablation durchgeführt werden. Das ist ein gängiges Verfahren, das an spezialisierten Zentren für Herzrhythmusstörungen durchgeführt wird.

Was passiert bei einer Ablation?

Dabei werden die Herzzellen, die in den Lungenvenen für eine Reizweiterleitung sorgen, lahmgelegt. Dann hört das Vorhofflimmern in der Regel auf. Die Erfolgsrate liegt bei rund 80 Prozent. Das heißt, die Patienten sind nach einer Ablation meist beschwerdefrei. Es gibt zwei führende Verfahren: Die Kryoballon-Ablation, bei der mit Vereisung gearbeitet wird und die Radiofrequenz-Ablation, bei der die aktiven Zellen mit Hitze Punkt-Für-Punkt verödet werden. Dann sind die Trigger, die am häufigsten Vorhofflimmern „zünden", ausgeschaltet.

Ein Schlaganfall, der durch Vorhofflimmern ausgelöst wird, fällt häufig besonders stark aus, heißt es. Warum?

Der Schlaganfall entsteht in der Regel ja dadurch, dass sich ein Thrombus, also ein Blutgerinnsel, im Vorhof bildet. Wenn sie sich ablösen, wandern sie meist Richtung Gehirn. Der Thrombus löst sich aus dem sogenannten Vorhofohr, geht über die Mitralklappe in die linke Herzkammer und von da in den Körperkreislauf. Und das erste, was an großen abgehenden Gefäßen an der Aorta dran ist, sind die Halsgefäße – und die führen zum Gehirn. Meist gehen die Thromben dann auch dort hin. Da diese häufig recht groß sind, können sie auch ein größeres Gefäß im Gehirn verschließen und einen entsprechend schwerwiegenden Schlaganfall hervorrufen.

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Was ist ein normaler Herzschlag – gibt es den?

Beim Herzgesunden sind Extrasystolen nicht belastend. Man hat dadurch keine verringerte Lebenserwartung. Ob das dann in 24 Stunden hundert Extrasystolen sind oder eintausend, hat keinen Einfluss auf die Prognose. Ein gesundes Herz darf auch gelegentlich mal stolpern. Aber man muss das Herz untersucht haben, um sicher zu gehen, dass es gesund ist und lediglich ein paar Extrasystolen vorliegen. Wenn sich bei der Untersuchung herausstellt, dass das Herz gesund ist, reicht es meist schon, wenn wir den Patienten darüber informieren, dass ein bisschen Herzstolpern völlig harmlos ist. Und in vielen Fällen genügt bereits der Ausgleich der Elektrolyte, wie Kalium und Natrium, damit der Herzschlag sich stabilisiert.

Ist es abhängig von Lebensstil, ob jemand Vorhofflimmern bekommt?

Die üblichen Risikofaktoren für alle Herzkrankheiten sind: Alkoholmissbrauch, Rauchen, Übergewicht, unausgewogene Ernährung und Bewegungsmangel. Und was natürlich das Herz verändert, ist das Älterwerden an sich. Bei jedem Menschen verändert sich das Herzmuskelgewebe des Vorhofes – es wird unregelmäßiger, dadurch die Reizweiterleitung unkoordinierter. Grunderkrankungen, allen voran Bluthochdruck, tragen dazu bei, diesen Prozess zu beschleunigen.
Menschen, die unter dem Schlafapnoe-Syndrom leiden und deshalb nachts Atemaussetzer haben, tragen ebenfalls ein erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern. Diese schlafbezogene Atemstörung haben recht viele Leute, eher Männer mit Übergewicht.


Wer muss besonders aufpassen?

Es gibt eine Gruppe von Menschen, die auf Alkoholkonsum mit Vorhofflimmern reagiert. Die sind eigentlich herzgesund. Nicht selten berichten Patienten, dass die Symptome in den Morgenstunden auftreten, nachdem sie am Abend Alkohol getrunken haben. Diese Personen reagieren mit einer Unverträglichkeit auf Stoffe in alkoholischen Getränken wie Rotwein oder auf die Abbauprodukte des Alkohols. Fünf bis sechs Stunden danach bekommen sie dann Vorhofflimmern. Häufig kommen auch üppige Mahlzeiten dazu – die verstärken die Problematik noch. Bei dieser Reaktion nach Alkohol, spricht man vom „Holiday-Heart“-Syndrom. Alkohol erhöht aber nicht nur bei diesen Personen das Risiko für Vorhofflimmern. Der Konsum von alkoholischen Getränken, schon in moderaten Mengen, erhöht grundsätzlich bei allen die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Vorhofflimmern kommt. Das haben Studien gezeigt.

Vielen Dank für das Gespräch.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Interview
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