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Bipolare Störung: Symptome, Ursachen, Test & Sexualität


Zwischen Manie und Depression
Normale Stimmungsschwankung oder bipolare Störung?

Von Wiebke Posmyk

Aktualisiert am 01.05.2022Lesedauer: 15 Min.
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Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.

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Ein Würfel mit lachendem und traurigem Smiley: Bei einer bipolaren Störung schwankt die Stimmung zwischen Manie und Depression.Vergrößern des Bildes
Ein Würfel mit lachendem und traurigem Smiley: Bei einer bipolaren Störung schwankt die Stimmung zwischen Manie und Depression. (Quelle: Chaiwiwat Duangjinda/getty-images-bilder)

Menschen mit bipolarer Störung erleben immer wieder Phasen von Hochstimmung – und haben anschließend eine Depression. Welche Ursachen Fachleute vermuten.

Stimmungsschwankungen gehören zum Leben dazu. Freudige Ereignisse sorgen für gute Laune, ein Ärgernis oder eine traurige Nachricht senkt die Stimmung. Und manchmal können wir gar nicht erklären, warum wir uns besonders gut oder schlecht fühlen: Wir fühlen uns gerade einfach wohl – oder sind schlichtweg "mit dem falschen Bein aufgestanden".

Mit solchen natürlichen Stimmungsschwankungen hat eine bipolare Störung (fast) nichts zu tun. Bei dieser Erkrankung schwankt die Stimmung ohne äußeren Anlass zwischen zwei Extremen:

  • einer Hochstimmung (Manie) und
  • einer Depression.

Während einer Manie sind die Erkrankten euphorisch, voller Tatendrang und Energie. Sie trauen sich alles zu und neigen dazu, sich zu überschätzen. In der Depression fühlen sie sich hingegen antriebslos, unzulänglich und niedergeschlagen.

Die bipolare Störung ist keine seltene Erkrankung. Etwa 3 von 100 Personen erkranken im Laufe ihres Lebens daran. Die ersten Symptome zeigen sie meist in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter.

Definition: Was ist eine bipolare Störung?

Die bipolare Störung ist eine psychische Erkrankung, die zu den affektiven Störungen zählt. Daher wird sie auch als bipolare affektive Störung bezeichnet.

Bei einer affektiven Störung ist die Stimmung unangemessen verändert. Ein typisches Beispiel ist die Depression, bei der Erkrankte über längere Zeit niedergeschlagen und bedrückt sind. Das Gegenteil davon ist die Manie.

Die bipolare Störung verläuft in Phasen: Manie und Depression wechseln sich ab. Bei den meisten Erkrankten treten nur wenige solcher Phasen auf, bei einigen hingegen sehr viele. Bipolar (lat. bi = zwei) heißt die Störung, weil sich die Stimmung der Erkrankten von einem Pol zum anderen bewegt – nämlich von der Manie zur Depression und umgekehrt. Fachleute sprachen früher von einer manisch-depressiven Erkrankung.

Ab wann sprechen Fachleute von einer bipolaren Störung?

Wann sind Stimmungsschwankungen noch in einem gesunden Rahmen und ab wann handelt es sich um eine bipolare Störung? Um diese Frage einheitlich beantworten zu können, gibt es Klassifikationssysteme. Eines davon ist die sogenannte ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Gut zu wissen: Was ist ICD?
ICD steht für International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme). Dort ist definiert, welche Kriterien erfüllt sein müssen, um eine bestimmte Erkrankung diagnostizieren zu können. Die 10 hinter der Abkürzung weist darauf hin, dass es sich um die zehnte Version/Ausgabe handelt.

Eine bipolare Störung liegt laut ICD-10 vor, wenn eine Person mindestens zwei Episoden erlebt hat, in denen ihre Stimmung und ihr Aktivitätsniveau deutlich beeinträchtigt waren. Dabei muss die Person

  • mindestens eine Episode erlebt haben, in der sie eine Depression hatte und
  • mindestens eine Episode erlebt haben, die sich durch Symptome einer Manie oder einer Vorstufe davon (Hypomanie) ausgezeichnet hat.

Leidet eine Person ausschließlich an (hypo-)manischen Phasen – hatte also bislang keine Depression –, kann ebenfalls die Diagnose bipolare Störung gestellt werden. Der Grund: Manische Phasen ohne anschließende Depression kommen sehr selten vor. Eine eigene Kategorie gibt es dafür nicht.

Nicht als bipolar gelten hingegen Personen, die ausschließlich depressive Phasen erleben. Bei Depressionen, die ohne manische Phasen auftreten, sprechen Fachleute von unipolaren Depressionen. Diese kommen häufiger vor als die bipolare Störung.

Fachleute unterscheiden zwischen verschiedenen Formen einer bipolaren Störung. Wie sie sich unterscheiden, lesen Sie im Kapitel "Verlaufsformen".

Diese Symptome weisen auf eine bipolare Störung hin

Typisches Anzeichen einer bipolaren Störung ist der Wechsel zwischen Manie und Depression. Je nachdem, in welcher Stimmungslage sich die erkrankte Person gerade befindet, können die Symptome sehr unterschiedlich ausfallen und genau gegensätzlich sein.

Symptome einer Manie: Euphorisch und voller Tatendrang

Eine Manie entwickelt sich meist relativ plötzlich: Innerhalb kurzer Zeit steigt die Stimmung – bis zur regelrechen Euphorie. Während einer manischen Phase strotzen die Erkrankten nur so vor Energie, Ideen und guter Laune. Auffällig ist ihr gesteigertes Selbstbewusstsein: Sie haben das Gefühl, so gut wie alles schaffen zu können, und überschätzen sich dabei oft.

Typisch für eine Manie ist, dass die betroffenen Personen zig Pläne haben, die sie verwirklichen möchten – und das am besten sofort. Angesichts der Fülle an Ideen schaffen sie es jedoch meist nicht, ein Vorhaben tatsächlich in die Tat umzusetzen. Ihre Gedanken sind entsprechend sprunghaft und unsortiert.

Außenstehende bemerken, dass die Erkrankten ungewöhnlich unternehmungslustig, kontaktfreudig und bisweilen (sexuell) freizügig sind. Betroffene sprechen schneller als gewohnt und wirken ungeduldig. Ihr Handeln ist impulsiv und sprunghaft. Während einer manischen Phase gelingt es ihnen nicht, einem geregelten Alltag nachzugehen.

Gut zu wissen
Während einer manischen Phase fühlen sich die Betroffenen meist nicht krank, sondern außergewöhnlich gut. Ärztliche oder psychotherapeutische Hilfe suchen sie eher während einer depressiven Episode.

Menschen mit bipolarer Störung verlieren während einer Manie nicht selten den Bezug zur Realität: Sie entwickeln vorübergehend psychotische Symptome. Häufig zeigt sich das in Form eines Größenwahns. Zum Beispiel glauben die Betroffenen, innerhalb weniger Tage ein Haus bauen zu können oder mit einer ihrer Ideen den Nobelpreis zu gewinnen – obwohl dies aus objektiver Sicht unrealistisch ist. Oder sie verspielen ihr ganzes Geld, weil sie überzeugt sind, auf die richtige Zahl zu setzen. Viele gefährden ihre Beziehung, indem sie sich in sexuelle Abenteuer stürzen. Manche Betroffene leiden während einer manischen Phase unter Halluzinationen. Zum Beispiel hören sie Stimmen. Einige entwickeln einen Verfolgungswahn. Die psychotischen Symptome klingen spätestens ab, wenn die manische Phase vorbei ist.

Während der Manie kommt der Schlaf meist deutlich zu kurz. Viele Erkrankte schlafen fast gar nicht, weil sie sich so energiegeladen fühlen. Schlafen empfinden sie als lästig, weil sie möglichst viele ihrer Pläne realisieren möchten. Müdigkeit oder andere Anzeichen von Schlafmangel nehmen sie nicht wahr.

Gut zu wissen
Menschen in einer manischen Phase sind häufig besonders reizbar, misstrauisch oder aggressiv.

Die abgeschwächte Form der Manie ist die Hypomanie. Dabei zeigen betroffene Personen ähnliche Symptome wie in einer manischen Phase, jedoch in einer milderen Variante. Die Stimmung ist bei einer Hypomanie ebenfalls deutlich gesteigert. Die Erkrankten schlafen weniger, sind geselliger und neigen zu leichtsinnigen Handlungen. Sie sind jedoch – anders als während einer ausgeprägten Manie – weiterhin in der Lage, ihren Alltag zu bewältigen.

Symptome einer Depression: Niedergeschlagen und antriebslos

Das Gegenstück der Manie ist die Depression. Die depressiven Phasen treten bei einer bipolaren Störung meist häufiger auf als die manischen und halten länger an.

Sie sind antriebslos, erschöpft oder empfinden eine innere Leere? Finden Sie mit unserem Selbsttest heraus, ob möglicherweise eine Depression dahintersteckt.

Hauptsymptome einer Depression sind

  • eine grundlos gedrückte Stimmung,
  • Antriebslosigkeit sowie
  • Freudlosigkeit und Interessenverlust.

Neben diesen Hauptsymptomen gibt es viele weitere Beschwerden, die im Rahmen einer Depression auftreten können. Manche Erkrankte empfinden keine Traurigkeit, sondern ein Gefühl der inneren Leere oder Gefühllosigkeit. Einige sind leicht reizbar. Bei anderen stehen unspezifische körperliche Beschwerden im Vordergrund – zum Beispiel Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Magenbeschwerden oder Schwindel. Gefühle von Schuld, Unzulänglichkeit und Minderwertigkeit sind ebenfalls häufige Symptome.

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Die Hoffnungslosigkeit, die mit einer Depression einhergeht, kann mit Gedanken an den eigenen Tod verbunden sein. Das Suizidrisiko ist in einer akuten depressiven Phase deutlich erhöht.

Hinweis: Falls Sie viel über den eigenen Tod nachdenken oder sich um einen Mitmenschen sorgen, finden Sie hier sofort und anonym Hilfe.

Wie bei der Manie können während einer schweren depressiven Episode vorübergehend psychotische Symptome auftreten. Erkrankte glauben zum Beispiel, sich zu verschulden, obwohl es dafür keinen Anlass gibt.

Wichtige Information
Nicht jede Missstimmung ist gleich eine Depression. Um von einer depressiven Episode sprechen zu können, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein: Es müssen mindestens vier von zehn typischen Beschwerden vorhanden sein, darunter mindestens zwei der drei Hauptsymptome. Die Symptome müssen mindestens zwei Wochen lang (nahezu) permanent anhalten.

Verlaufsformen: Bipolar I und Bipolar II

Fachleute unterscheiden bei einer bipolaren Störung insbesondere zwischen zwei Formen:

  • Bipolar-I-Störung: Die Person erlebt ausgeprägte depressive und manische Phasen.
  • Bipolar-II-Störung: Die Person erlebt sowohl depressive Phasen als auch Phasen von Hochstimmung; die Hochstimmung ist bei der bipolaren Störung Typ II jedoch nicht so ausgeprägt wie bei einer Manie, sondern abgeschwächt (Hypomanie).

Meist wechseln sich bei einer bipolaren Störung depressive und (hypo-)manische Phasen ab. Dabei halten die depressiven Episoden in der Regel länger an als die (hypo-)manischen. Eine depressive Phase dauert im Durchschnitt etwa drei bis sechs, eine manische Phase zwischen zwei und vier Monate. Zwischen den einzelnen Phasen liegt oft – aber nicht immer – eine beschwerdefreie Zeit. Fachleute sprechen dann von einer Remission.

(Ultra) Rapid Cycling: Wenn die Stimmung rasch wechselt

Bei den meisten Patientinnen und Patienten dauert es etwa zwei bis drei Jahre, bis ein kompletter Zyklus aus Manie, beschwerdefreier Zeit und Depression abgeschlossen ist.

Bis zu 20 von 100 Erkrankten – darunter vor allem Frauen – erleben jedoch deutlich kürzere Zyklen. Fachleute bezeichnen dies als Rapid Cycling, was aus dem Englischen übersetzt so viel wie "schneller Zyklus" bedeutet.

Ein Rapid Cycling liegt vor, wenn eine Person innerhalb eines Jahres mindestens vier Phasen von Depression und/oder (Hypo-)-Manie erlebt. Manie und Depression können sich auch wöchentlich oder sogar täglich abwechseln. Dann sprechen manche Fachleute von Ultra Rapid Cycling.

Gemischte Episoden

Bei einer bipolaren Störung können Symptome einer Manie und Depression innerhalb einer Krankheitsphase gleichzeitig oder in kurzem Wechsel vorkommen. Dann handelt es sich um eine sogenannte gemischte Episode. Zum Beispiel fühlt sich eine Person depressiv, ist aber gleichzeitig übertrieben aktiv und unruhig. Oder sie ist überglücklich, bricht jedoch kurze Zeit später grundlos in Tränen aus. Erkrankte nehmen diese Mischzustände oft als sehr belastend wahr.

Welche Ursachen hat die bipolare Störung?

Die genauen Ursachen der bipolaren Störung sind ungeklärt. Fachleute gehen davon aus, dass mehrere Faktoren im Zusammenspiel eine manisch-depressive Erkrankung begünstigen. Dazu zählen insbesondere biologische und psychosoziale Einflüsse.

In manchen Familien kommt die bipolare Störung gehäuft vor. Insbesondere Veränderungen an Genen, die sich auf den Stoffwechsel der Botenstoffe im Gehirn auswirken (Neurotransmitter), scheinen hierbei von Bedeutung zu sein. Neurotransmitter sorgen dafür, dass die Zellen miteinander kommunizieren und Informationen austauschen können. Während manischer und depressiver Phasen gerät das Gleichgewicht bestimmter Botenstoffe aus der Balance, sodass die typischen Symptome entstehen.

Diskutiert werden als Ursachen zudem Beeinträchtigungen des Kaliumionenaustausches der Zellen oder ein Ungleichgewicht in hormonproduzierenden Organen und Regionen wie der Schilddrüse, der Nebennierenrinde sowie Hypophyse und Hypothalamus im Hirn.

Sind bipolare Störungen vererbbar?

Hat ein eineiiger Zwilling eine bipolare Störung, liegt das Risiko, dass der andere, genetisch identische Zwilling ebenfalls erkrankt, bei 60 bis 80 Prozent – jedoch nicht bei 100 Prozent. Das bedeutet, dass eine genetische Komponente zwar eine große Rolle spielt. Es müssen jedoch noch weitere Faktoren/Ursachen vorhanden sein, damit eine manisch-depressive Erkrankung entsteht beziehungsweise ausbricht.

Dabei scheinen Umwelteinflüsse – insbesondere Stress – von Bedeutung zu sein, zum Beispiel durch

  • belastende Lebensereignisse in der Kindheit oder im Laufe des Lebens, etwa den Tod einer nahestehenden Person, eine Trennung, ein Umzug, aber auch positiv einschneidende Ereignisse wie eine Hochzeit.
  • lang anhaltenden Stress, etwa im Rahmen einer Prüfungsvorbereitung.

Die möglichen Ursachen einer manisch-depressiven Erkrankung sind also vielfältig und nicht abschließend geklärt. Nicht zuletzt beeinflussen die individuellen Persönlichkeitsmerkmale eines Menschen, wie gut er mit Stress umgehen kann und ob eine bipolare Störung zum Ausbruch kommt.

Bis zur richtigen Diagnose kann viel Zeit vergehen

Erste Anlaufstelle bei starken Stimmungsschwankungen kann die hausärztliche oder psychiatrische Praxis sein. Häufig berichten Patientinnen und Patienten vor allem über depressive und weniger über manische Phasen. Der Grund: Da sie sich während einer Manie besonders energiegeladen fühlen, bemerken sie oft nicht, dass ihre positive Stimmung über ein normales Maß hinaus geht.

Bei Verdacht auf eine bipolare Störung ist in jedem Fall wichtig, körperliche Ursachen auszuschließen. Verschiedene organische Erkrankungen, aber auch Medikamente können die Stimmung beeinflussen. Dazu zählen zum Beispiel Erkrankungen der Schilddrüse, Hirntumoren, Hormonpräparate oder Antidepressiva.

Um die mögliche Diagnose einzugrenzen, ist ein Anamnesegespräch wichtig: Die Ärztin oder der Arzt wird sich zunächst einen ersten Eindruck verschaffen und unter anderem erfragen,

  • welche Symptome auftreten,
  • wie lange sie anhalten und
  • ob ähnliche Symptome in der Familie aufgetreten sind.

Auch die Schilderungen von nahestehenden Personen können der Ärztin oder dem Arzt wertvolle Hinweise für die Diagnose liefern.

Zudem ist immer eine körperliche Untersuchung notwendig. Je nach Verdachtsdiagnose folgen im Anschluss verschiedene Untersuchungen, darunter in der Regel eine Blutuntersuchung. Auch ein EEG und bildgebende Verfahren wie eine Computertomografie oder eine Magnetresonanztomografie können zum Einsatz kommen.

Verschiedene psychische Erkrankungen können in ihren Symptomen ebenfalls einer bipolaren Störung ähneln, etwa eine Suchterkrankung, eine Schizophrenie oder eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ. Bis eine eindeutige Diagnose gestellt werden kann, sind daher in der Regel mehrere therapeutische Sitzungen notwendig.

Viele Menschen mit einer bipolaren Störung leiden zusätzlich unter weiteren psychischen Erkrankungen, so zum Beispiel Angst- und Zwangsstörungen, Suchterkrankungen, Essstörungen, einer Persönlichkeitsstörung oder ADHS.

Tests zur Diagnose einer bipolaren Störung

Verschiedene psychologische Tests können die Diagnose bipolare Störung erleichtern. Dazu zählen zum Beispiel Fragebögen, die die Patientin oder der Patient ausfüllt, etwa die Manie-Selbstbeurteilungsskala (MSS) zu Symptomen einer Manie oder das Beck-Depressions-Inventar (BDI). Es gibt zudem auch Tests zur Fremdbeurteilung: Dabei beantwortet nicht die Patientin oder der Patient die Fragen, sondern eine andere Person.

Auch strukturierte Interviews können aufschlussreich sein. Der Therapeut oder die Therapeutin stellt bestimmte Fragen in einer vorgegebenen Reihenfolge; dabei können bestimmte Antwortmöglichkeiten vorgegeben sein. Häufiger zum Einsatz bei Verdacht auf eine bipolare Störung kommt zum Beispiel das Strukturierte klinische Interview nach DSM (SKID) oder die Internationale Diagnose Checkliste für ICD-10 (IDCL). Ein strukturiertes Interview dauert in der Regel 30 bis 90 Minuten.

Wichtiger Hinweis
Der Verdacht auf eine bipolare Störung sollte immer von einem Facharzt oder einer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie oder für Nervenheilkunde abgeklärt werden. Er oder sie ist auch für die Behandlung einer bipolaren Störung Ansprechpartner beziehungsweise Ansprechpartnerin.

Behandlung einer bipolaren Störung

Eine bipolare Störung sollte behandelt werden. Heilbar ist die Erkrankung nach heutigem Wissensstand vermutlich nicht. Jedoch kann es mit der richtigen Therapie gelingen, die Stimmungsschwankungen zu reduzieren und die beschwerdefreien Phasen zu verlängern. Ohne Behandlung hingegen kann sich die Zeit zwischen den Krankheitsphasen verkürzen und die Beschwerden können an Intensität zunehmen.

Ziel der Behandlung ist es vor allem,

  • die Beschwerden während einer akuten Krankheitsphase zu lindern (sog. Akuttherapie) und
  • das Auftreten weiterer Phasen zu verhindern oder abzuschwächen (sog. Phasenprophylaxe).

Zur Behandlung einer bipolaren Störung sind normalerweise Medikamente nötig. Zusätzlich ist meist eine Psychotherapie sinnvoll. Darüber hinaus stehen weitere nicht-medikamentöse Verfahren zur Verfügung.

Je besser eine Patientin oder ein Patient und die Angehörigen über die bipolare Störung Bescheid wissen, desto besser lässt sich die Erkrankung behandeln. Vor allem zu Beginn der Therapie spielt die sogenannte Psychoedukation daher eine große Rolle. Unter therapeutischer Anleitung lernen Betroffene und Angehörige dabei unter anderem,

  • Je besser eine Patientin oder ein Patient und die Angehörigen über die bipolare Störung Bescheid wissen, desto besser lässt sich die Erkrankung behandeln. Vor allem zu Beginn der Therapie spielt die sogenannte Psychoedukation daher eine große Rolle. Unter therapeutischer Anleitung lernen Betroffene und Angehörige dabei unter anderem,
  • was eine bipolare Störung ist,
  • wie sie entsteht,
  • wie sie behandelt wird und
  • wie einzelne Medikamente wirken.

Medikamente als wichtiger Baustein der Therapie

Welche Medikamente bei einer bipolaren Störung wann und wie zum Einsatz kommen, ist individuell sehr verschieden und unter anderem von den jeweiligen Beschwerden abhängig. Zudem ist wichtig, ob die Patientin oder der Patient gerade eine manische oder eine depressive Phase durchlebt oder ob er oder sie beschwerdefrei ist.

Wichtiger Hinweis
Eine medikamentöse Therapie kommt auch infrage, wenn die Patientin oder der Patient gerade keine Symptome zeigt. Ziel ist es dann, die Stimmung zu stabilisieren und so einer erneuten Phase vorzubeugen.

Grundsätzlich werden vor allem Medikamente aus drei Wirkstoffgruppen verschrieben:

  • Stimmungsstabilisierer,
  • atypische Antipsychotika und
  • Antidepressiva.

Die Medikamente können mit unterschiedlichen Nebenwirkungen verbunden sein. Zum Beispiel führen viele atypische Antipsychotika zu einer Gewichtszunahme. Daher wird die Ärztin oder der Arzt sorgsam abwägen, welche Medikamente in welcher Dosis infrage kommen.

Stimmungsstabilisierer

Stimmungsstabilisierer gleichen starke Stimmungsschwankungen aus und wirken somit sowohl depressiven als auch manischen Zuständen entgegen. Zu den Stimmungsstabilisierern zählen Substanzen aus unterschiedlichen Wirkstoffgruppen. Zur Behandlung einer bipolaren Störung werden häufig Lithiumsalze oder krampflösende Wirkstoffe wie Carbamazepin oder Valproat verschrieben. Carbamazepin ist nicht offiziell zur Behandlung von bipolaren Störungen zugelassen, kann jedoch nach ärztlichem Ermessen dennoch eingesetzt werden (sog. Off-Label-Use). Stimmungsstabilisierer kommen vor allem in manischen Phasen, aber auch in beschwerdefreien Abschnitten zum Einsatz.

Antipsychotika

Antipsychotika (Neuroleptika) sind Medikamente, die vor allem zur Behandlung von psychotischen Symptomen geeignet sind. Bei einer bipolaren Störung verschreiben Ärztinnen und Ärzte sowohl bei depressiven als auch bei manischen Phasen häufig den Wirkstoff Quetiapin. Insbesondere während einer depressiven Episode gilt Quetiapin als Mittel der Wahl. Alternativ kann der Wirkstoff Lurasidon infrage kommen. In manischen Phasen können zudem andere antipsychotische Wirkstoffe wie Aripiprazol, Olanzapin oder Risperidon helfen.

Antidepressiva

Antidepressiva haben eine stimmungsaufhellende Wirkung. Sie haben sich vor allem bei der Behandlung einer unipolaren Depression – also einer Depression ohne manische Phasen – etabliert. Auch im Rahmen einer bipolaren Störung können Antidepressiva gegebenenfalls hilfreich sein. Inwiefern ein Antidepressivum als alleinige medikamentöse Therapie bei bipolaren Störungen geeignet ist, ist derzeit jedoch unklar.

Möglicherweise erhöhen Antidepressiva aus der Gruppe der trizyklischen Antidepressiva das Risiko, dass eine depressive Phase in eine manische oder gemischte Phase umschlägt. Bei Antidepressiva aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) wie Fluoxetin oder Paroxetin konnte kein erhöhtes Risiko festgestellt werden.

Weitere Medikamente

Nach ärztlichem Ermessen können auch Medikamente aus anderen Wirkstoffgruppen zur Behandlung einer bipolaren Störung sinnvoll sein. Während einer akuten manischen Phase können zum Beispiel Beruhigungsmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine helfen. Diese Medikamente sollten jedoch nur über eine kurze Zeit eingenommen werden, da sie abhängig machen können.

Psychotherapie der bipolaren Störung

Eine Psychotherapie kann die medikamentöse Behandlung einer bipolaren Störung nicht ersetzen, aber wirksam ergänzen.

Empfohlen wird meist eine kognitive Verhaltenstherapie. In der Therapie lernt die Patientin oder der Patient, wie sich Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen gegenseitig beeinflussen – und dass sie oder er aktiv darauf Einfluss nehmen kann.

Der Patientin oder der Patient lernt in einer Psychotherapie zum Beispiel,

  • mit manischen und depressiven Phasen besser umzugehen.
  • sich ankündigende depressive oder manische Phasen rechtzeitig zu erkennen und in ihrer Intensität abzuschwächen.
  • welche Faktoren eine manische oder depressive Phase auslösen können.
  • wie er oder sie beschwerdefreie Phasen möglichst lange aufrechterhalten kann.
  • wie er oder sie mit Problemen im Alltag umgehen kann, etwa mit sozialer Ausgrenzung.

Nicht nur in weitgehend beschwerdefreien Zeiten, auch in manischen oder depressiven Phasen kommt eine psychotherapeutische Begleitung infrage. Während einer akuten manischen Phase geht es zum Beispiel darum, zu viele Reize von außen zu meiden, um die Symptome nicht zu verstärken. Befindet sich die erkrankte Person dagegen in einer depressiven Phase, kann die Psychotherapie darauf abzielen, die Person zu aktivieren und ihr wieder Hoffnung zu geben.

Familienfokussierte Therapie

Hilfreich kann zudem eine familienfokussierte Therapie (FFT) sein. Sie fußt auf der Annahme, dass ungünstige Umgangsformen oder Konflikte innerhalb der Familie oder Partnerschaft die Beschwerden auslösen oder verstärken können. Im Rahmen der FFT werden daher Familienmitglieder, Partnerinnen oder Partner und andere nahestehende Personen in die Behandlung einbezogen.

Interpersonelle und soziale Rhythmustherapie

Die interpersonelle und soziale Rhythmustherapie (IPSR) kann zur Behandlung einer bipolaren Störung ebenfalls geeignet sein. Hintergrund ist unter anderem die Annahme, dass manische und depressive Phasen durch eine unregelmäßige Schlaf-Wach-Rhythmus begünstigt werden. Ziel der IPSR ist es daher, eine möglichst regelmäßige Tagesstruktur zu erreichen und sich an feste Schlafenszeiten zu halten. Darüber hinaus wird an der Problemlösefähigkeit der Patientin oder des Patienten gearbeitet: Sie oder er lernt, mit inneren oder äußeren Konflikten besser umzugehen, um so Stimmungsschwankungen zu vermeiden.

Welche Therapieform am besten geeignet ist, hängt letztlich von verschiedenen Faktoren ab. Nicht zuletzt spielen dabei die persönlichen Vorlieben und das Umfeld der betroffenen Person eine Rolle.

Elektrokonvulsionstherapie (EKT) bei bipolaren Störungen

Neben Medikamenten und psychotherapeutischen Angeboten gibt es weitere Möglichkeiten, um eine bipolare Störung zu behandeln.

Eine davon ist die Elektrokonvulsionstherapie (EKT, auch: Elektrokrampftherapie). Sie kommt vor allem bei schweren manischen oder depressiven Phasen zum Einsatz, wenn andere Behandlungen keinen Erfolg gebracht haben. Bei der EKT wird dem Hirn für einige Sekunden ein schwacher Stromstoß verabreicht und somit vorübergehend ein Krampfanfall ausgelöst. Die Behandlung erfolgt unter Vollnarkose. Zusätzlich erhält die Patientin oder der Patient ein muskelentspannendes Mittel. Für eine nachhaltige Wirkung sind etwa sechs bis zwölf Behandlungen in Abständen von je einigen Tagen nötig.

Die EKT gilt als wirksames und sicheres Verfahren. Ihr Wirkmechanismus ist bislang unklar. Die meisten Erkrankten berichten nach der EKT von einer Stabilisierung ihrer Stimmung. Das Risiko, aufgrund einer EKT eine ernste Komplikation zu erleiden, ist gering und entspricht in etwa dem Risiko einer Narkose oder EKT. Zu möglichen Nebenwirkungen zählen vorübergehende kognitive Störungen. Insbesondere das Kurzzeitgedächtnis kann beeinträchtigt sein. Kopfschmerzen, Übelkeit, Muskelkater oder Verletzungen von Zunge oder Lippen können ebenfalls auftreten. Hinweise für bleibende Hirnschäden durch eine EKT gibt es nicht.

Weitere Therapiemöglichkeiten bei einer bipolaren Störung

Zu weiteren möglichen Behandlungsverfahren bei einer bipolaren Störung zählen

  • Wachtherapie: Während einer schweren Depression kann ein längerer Schlafentzug vorübergehend die Beschwerden lindern.
  • Entspannungstechniken, z. B. progressive Muskelentspannung
  • Musik-, Kunst- oder Tanztherapie
  • Körperarbeit, Bewegungstherapie
  • Lichttherapie

Nicht zuletzt kann es nützlich sein, eine Selbsthilfegruppe zu besuchen. Nicht nur Betroffene, auch Angehörige und andere nahestehende Personen können davon profitieren. In einer Selbsthilfegruppe treffen sie auf Gleichgesinnte, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Allein der Austausch in der Gruppe kann oft schon eine Entlastung bringen.

Anlaufstelle: Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e. V.
Eine erste Anlaufstelle für Betroffene und Angehörige kann die Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e. V. (DGBS) sein. Auf den Webseiten finden sie neben Informationen rund um die bipolare Störung Adressen von Selbsthilfegruppen.

Sexualität & Beziehung bei einer bipolaren Störung

Eine bipolare Störung beeinträchtigt nicht nur die erkrankte Person, sondern auch die Menschen in ihrer Umgebung. Innerhalb der Partnerschaft können die starken Stimmungswechsel zur Belastung werden. Nicht selten zerbricht die Beziehung daran.

Wichtige Lebensbereiche wie Sexualität oder gemeinsame Interessen sind durch die Erkrankung erheblichen Schwankungen unterworfen. In einer Depression spielt zum Beispiel die Sexualität kaum noch eine Rolle, während das sexuelle Interesse in manischen Episoden häufig gesteigert ist.

Während einer manischen Phase sind erkrankte Person oftmals sexuell so enthemmt, dass sie eine Liebesbeziehung außerhalb der Beziehung eingehen. Auch wenn dieses Verhalten Teil der Krankheit sein kann, fällt es Partnerinnen und Partnern meist sehr schwer, mit dieser Situation umzugehen.

Ein junges Paar hat Probleme: In einer Beziehung kann eine bipolare Störung zur Herausforderung werden.

Die depressive Phase stellt ebenfalls eine Belastung dar: Symptome wie Antriebslosigkeit, Interessenverlust und Freudlosigkeit wirken sich auch auf das Gegenüber aus. Zu sehen, wie der oder die andere leidet und ihr/ihm nicht helfen zu können, fällt vielen Angehörigen sehr schwer. Hinzu kommt, dass sich manche Menschen mit bipolarer Störung zwischen einzelnen Phasen nicht mehr vollständig erholen.

Mit einer frühzeitigen und professionellen Behandlung lassen sich die Beschwerden jedoch mildern und gegebenenfalls neue Krankheitsphasen abwenden. Förderlich kann es sein, den Partner oder die Partnerin aktiv in die Therapie mit einzubeziehen – und gemeinsam daran zu arbeiten, die Krankheit zu bewältigen. Je mehr Angehörige über das Krankheitsbild wissen, desto besser können sie die Symptome einordnen und der erkrankten Person helfen.

Verlauf einer bipolaren Störung

Eine bipolare Störung kann sehr unterschiedlich verlaufen. Die meisten Patientinnen und Patienten durchleben nur einige wenige depressive und manische Phasen. Bei einem kleineren Teil sind es jedoch mehr als zehn Episoden. Zu Faktoren, die das Risiko für häufig wiederkehrende Episoden erhöhen, zählen unter anderem

  • Erkrankung in jungen Jahren,
  • weibliches Geschlecht,
  • das Auftreten gemischter Episoden,
  • psychotische Beschwerden,
  • Rapid Cycling,
  • traumatische Lebensereignisse,
  • geringes Ansprechen auf die Therapie in beschwerdefreien Phasen.

Während einer depressiven oder manischen Phase ist es den Erkrankten oft nicht möglich, ihrem Alltag nachzugehen.

Viele Erkrankte haben zwischen einzelnen Phasen weiterhin leicht ausgeprägte Beschwerden (sog. Residuum), zum Beispiel eine depressive Verstimmung. Sie sind dann möglicherweise nicht mehr so leistungsfähig wie gewohnt. Unter Umständen können sie nicht mehr so viel oder gar nicht mehr am Berufsleben teilnehmen. Eine bipolare Störung kann die Lebensqualität beträchtlich einschränken.

Im Alter können die beschwerdefreien Zeiten kürzer werden. Bei manchen Erkrankten wechseln sich manische und depressive Phasen häufiger ab. Um einem solchen Verlauf im Alter vorzubeugen, können verschiedene Medikamente zum Einsatz kommen.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Online-Informationen der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V.: www.dgbs.de (Abrufdatum: 28.9.2021)
  • Bipolare Erkrankungen. Online-Informationen der Neurologen und Psychiater im Netz: www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org (Abrufdatum: 28.9.2021)
  • Bipolare affektive Störungen. Online-Informationen von Deximed: https://deximed.de (Stand: 2.3.2020)
  • Bipolare affektive Störung. Online-Informationen von AMBOSS: www.amboss.com (Stand: 1.9.2019)
  • Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen (DGBS): S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 038/019 (Stand: März 2019)
  • Bauer, R., et al.: Manie und Depression – die bipolare Störung. Ratgeber für Betroffene und Angehörige. Online-Publikation der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V.: www.dgbs.de (Stand: 2017)
  • Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V.: Elektrokonvulsionstherapie (EKT) in 24 Fragen. Online-Publikation: www.dgppn.de (Stand: 2017)
  • Payk, T., Brüne, M.: Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2017
  • Bipolare affektive Störung. Online-Informationen des Pschyrembel: www.pschyrembel.de (Stand: April 2016)
  • Möller, H., et al.: Duale Reihe Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2015
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