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Coronavirus: "Wenn sich Klinik-Mitarbeiter infizieren, haben wir ein Problem"


Klinikdirektor zur Corona-Krise
"Wenn sich Mitarbeiter infizieren, haben wir ein riesiges Problem"

  • Melanie Rannow
InterviewVon Melanie Rannow

Aktualisiert am 06.04.2020Lesedauer: 6 Min.
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Pflegepersonal in Schutzkleidung: Auf der Intensivstation des Uniklinikums Essen werden schwer kranke Covid-19-Patienten versorgt.Vergrößern des Bildes
Pflegepersonal in Schutzkleidung: Auf der Intensivstation des Uniklinikums Essen werden schwer kranke Covid-19-Patienten versorgt. (Quelle: Marcel Kusch/dpa-bilder)

Kapazitäten erhöhen und Schutzmaterial beschaffen – die deutschen Krankenhäuser bereiten sich auf die Versorgung vieler Covid-19-Patienten vor. Auch das Uniklinikum Essen hat sich neu aufgestellt.

Das Universitätsklinikum in Essen ist das größte Klinikum im Ruhrgebiet. Zahlreiche Corona-Patienten werden dort stationär und intensivmedizinisch betreut. Der Ärztliche Direktor, Prof. Jochen A. Werner, spricht im Interview mit t-online.de über die Vorbereitungen seiner Klinik auf den Höhepunkt der Covid-19-Pandemie und die Herausforderungen, die er dabei sieht.

t-online.de: Professor Werner, wie hat sich die Situation im Essener Universitätsklinikum seit dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie verändert?

Prof. Jochen A. Werner: Die Situation hat sich natürlich deutlich verändert. Wir haben seit vielen Wochen einen Krisenstab im Einsatz – das heißt hier Krankenhauseinsatzleitung – und dieser bewertet täglich aufs Neue die Situation. Dort nehmen wir auch Anpassungen vor, um möglichst vorausschauend zu handeln. Wir haben hier zum Beispiel ganze Bereiche freigemacht, um Kapazitäten für Covid-19-Patienten zu schaffen. Wir haben dabei unser Klinikum in einen "Covid-Bereich" und in einen "Non-Covid-Bereich" untergliedert. Auch die Notaufnahme wurde deutlich erweitert, mit einem zusätzlichen Eingang für fußläufige Personen.

Konnten Sie auch Ihr Personal aufstocken?

Wir haben ein Register erstellt für zusätzliches, freiwilliges Personal – für Ärzte- und Pflegepersonal. Und es gibt Medizinstudierende, die sich bei uns engagieren. Dieses Personal wurde geschult, damit es entweder im Notaufnahmebereich, im Infektionsbereich oder im Intensivbereich mitarbeiten kann.

Welche Vorkehrungen haben Sie noch getroffen?

Wir haben noch Beatmungsgeräte beschaffen können und haben eine eigene, zusätzliche Beatmungsstation aufgebaut. Diese ist noch verschlossen und wartet auf den Einsatz. Ansonsten haben wir natürlich eine ganz intensive Zusammenarbeit mit der Stadt Essen und mit dem Gesundheitsamt Essen bezüglich der Testverfahren. Unsere Virologie mit Prof. Dr. Ulf Dittmer und unsere Krankenhaushygiene mit Frau PD Dr. Birgit Ross spielen ebenfalls eine zentrale Rolle.

Wie viele Covid-19-Patienten werden im Uniklinikum Essen behandelt?

Das wechselt jeden Tag. Aktuell sind es zwischen 50 und 60 stationäre Fälle.

Vor Kurzem haben Sie Patienten mit schwerem Erkrankungsverlauf aus Frankreich aufgenommen. Wie lief das ab?

Richtig, wir haben bis heute acht Patienten aus Frankreich aufgenommen, die schon schwer krank zu uns kamen. Das hat sehr gut geklappt, auch vom Transport her.

Prof. Dr. Jochen A. Werner ist Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen.
Prof. Dr. Jochen A. Werner ist Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen. (Quelle: Privat/Prof. Werner)

Wie schützen Sie Ihre Ärzte und Ihr Pflegepersonal?

Wir haben seit einer Woche die Vorgabe, dass alle Mitarbeiter, die in einem Bereich arbeiten, in dem Patienten sind, einen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen. Das müssen sie auch tun, wenn sie mit anderen Menschen in eine Kontaktnähe von unter zwei Metern kommen und damit bedeutet das: Mund-Nasen-Schutz überall.

Reicht denn das Schutzmaterial nach bisherigem Stand aus?

Aktuell ist die Situation am Uniklinikum in Essen recht gut. Aber wir werden jeden Tag neu gefordert. Wir bestellen und greifen zu, wenn es etwas gibt. Es gibt natürlich auch viele unseriöse Angebote, wo entweder gar nichts geliefert wird oder wo die Materialien von minderer Qualität sind – da muss man sehr aufpassen. Aber aktuell sind die Schutzmaterialien bei uns in ausreichender Menge vorhanden. Wir haben auch genügend Masken, mit denen die Mitarbeiter vor infizierten Patienten geschützt werden.

Wir sind uns sehr bewusst, dass es immer ein Risiko gibt in Situationen, bei denen sich Mitarbeiter am Patienten infizieren oder auch untereinander. Wenn das passiert, haben wir natürlich ein riesiges Problem. Davon gibt es jetzt schon mehrere Beispiele in Deutschland und natürlich kann das überall geschehen. Wir versuchen wirklich alles zu tun, um das zu vermeiden.

Wenn es zu solch einer Situation kommt und unter dem medizinischen Personal eine SARS-CoV-2-Infektion nachgewiesen wird – wie gehen Sie damit um?

Es ist ganz wichtig, dass wir das sehr genau analysieren. Jeder Verdachtsfall wird unserer Krankenhaushygiene mitgeteilt. Die Krankenhaushygiene teilt dann diese Situation dem Gesundheitsamt mit und dann wird wiederum ganz individuell entschieden: Bestehen Symptome oder nicht? Wenn Symptome bestehen, lautet unser Rat immer, nach Hause zu gehen. Wenn keine Symptome bestehen, wird ganz genau abgewogen, ob mit bestimmten Schutzmaterialien weitergearbeitet werden kann. Das ist auch abhängig davon, in welchem Bereich der Mitarbeiter sich befindet.

Wenn man in solch einem Krankenhausbetrieb überreagiert und plötzlich auf einen Schlag 40 Menschen herausnimmt, dann haben wir eine Situation, in der der Krankenhausbetrieb nicht mehr angemessen fortgesetzt werden kann. Deswegen ist es so wichtig, dass jeder Kontakt geklärt wird – natürlich auch in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt.

Glauben Sie, dass das deutsche Gesundheitssystem in dieser Corona-Krise gut gewappnet ist?

Grundsätzlich ist es sehr gut gewappnet. Da trifft eine Erkrankung auf ein gutes System. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass wir in Deutschland im weltweiten Vergleich die meisten Intensivbetten bezogen auf die Bevölkerung haben. Uns hilft auch, dass wir in den verschiedenen medizinischen Berufen sehr standardisierte Ausbildungsgänge haben. Und auch unsere Altenpflege ist mit Sicherheit nicht schlecht. Diese Strukturen sind besser als in manch anderen Ländern.

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Wie sehen die wirtschaftlichen Folgen für die deutschen Krankenhäuser aus? Sind sie nun von der Insolvenz bedroht?

Das ist eine berechtigte Frage. Wir werden deren Antwort irgendwann – in einem Jahr vielleicht – geben können. Im Moment gibt es Ankündigungen, die Krankenhäuser vor Insolvenzen zu bewahren scheinen. Ich weise aber jetzt schon darauf hin, dass ich noch keine finanzielle Sicherstellung von Universitätskliniken sehe. Denn die Universitätskliniken können auf gar keinen Fall mit anderen Krankenhäusern gleichgesetzt werden.

Wir kommen jetzt in eine Situation, in der offenkundig wird, dass die Universitätskliniken ganz gewichtige Anker auch in dieser Pandemielage sind. Zudem ist die Forschung ein ganz wichtiger Punkt. Wer vor diesem Hintergrund immer noch behauptet, die Universitätskliniken sollen in Anbetracht der Pandemie reine Versorgungskliniken werden, der liegt vollkommen falsch. Schließlich sind wir in einer Situation, in der Forschung zwingend erforderlich ist – auch um aus dieser Pandemie und ihrem Verlauf zu lernen. Die berechtigte Frage ist vielleicht, welche Forschung man betreibt. Das eine oder andere kann jetzt möglicherweise zurückgestellt werden. Aber anderes hat höchste Priorität. So beispielsweise die ganze Reihe von Behandlungsstudien für Covid-19-Patienten, die gerade hier am Universitätsklinikum Essen laufen. Das ist etwas, was in diesem Ausmaß nur an Universitätskliniken abläuft.

Ein anderer wichtiger Punkt ist, dass auch wirtschaftlich attraktive Operationen derzeit nicht stattfinden. Herr Spahn forderte am 13. März, elektive Eingriffe nicht mehr durchzuführen und Betten freizumachen für die Corona-Krise. Dabei hat er auch zum Ausdruck gebracht, dass kein Krankenhaus dadurch in die wirtschaftliche Not kommen wird. Darauf verlassen sich viele.

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Also fühlen Sie sich ausreichend von der Politik unterstützt?

Ich glaube, die Politik hat es gerade jetzt wirklich ganz, ganz schwer. Ein gutes Beispiel aus der Vergangenheit ist das Pflegepersonalstärkungsgesetz, das Herr Spahn auf den Weg gebracht und auch verabschiedet hat. Dieses Gesetz ist inhaltlich richtig, aber die Umsetzung – das heißt die Finanzierung und die Kostenträger – ist bis heute nicht abschließend geklärt. Das eine ist immer eine Ankündigung – und das andere ist dann die Umsetzung. Im Moment befinden wir uns in der Corona-Krise im Stadium der Ankündigung. Ich glaube aber auch, dass die Politik heute gar nicht viel mehr tun kann. Deswegen warten wir ab, wie und von wem genau diese Finanzierung von Krankenhäusern und ganz besonders von Unikliniken genau sichergestellt wird.

Gibt es eine Maßnahme, die Sie sich vom Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wünschen?

Ich muss ehrlich sagen, dass ich schon gut nachvollziehen kann, was Herr Spahn so macht und veranlasst hat. Es gibt nicht wenige Dinge, die für einen Bundesgesundheitsminister sehr schwierig sind. Schließlich muss er sich auf die Experten verlassen. Wenn dann drei Virologen oder fünf Epidemiologen unterschiedliche Ansichten haben, wird sich der Bundesgesundheitsminister letztlich für die getroffene Entscheidung verantworten müssen. So ist das. Ich stelle aber ausdrücklich fest, dass ich die bisherige Performance von Herrn Spahn beeindruckend und gut finde.

Mir ist aber noch mal ganz wichtig darauf hinzuweisen, dass nicht vergessen wird, dass die Kliniken maßgeblich die Belastungen und auch die Folgen dieser Pandemie tragen werden. Von Kliniken wird erwartet, dass sie unser höchstes Gut – die Gesundheit – in teilweise extrem schwierigen Situationen wiederherstellen sollen und dies unter Erhaltung einer zumindest ausgeglichenen Wirtschaftlichkeit. Das ist keine reine Thematik für den Bundesgesundheitsminister. Es ist eher ein gesellschaftlicher Aspekt, der ganz klar gesagt und thematisiert werden muss.

Vielen Dank für das Gespräch, Prof. Werner!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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