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Sechs Warnzeichen: Millionen Deutsche leiden unbemerkt unter der "stillen Sucht"


Sechs Warnzeichen
Millionen Deutsche leiden unbemerkt unter der "stillen Sucht"

Von t-online, akl

Aktualisiert am 16.11.2023Lesedauer: 4 Min.
Tabletteneinnahme: Medikamente wie Schlafmittel und Beruhigungsmittel können abhängig machen.Vergrößern des BildesTabletteneinnahme: Medikamente wie Schlafmittel und Beruhigungsmittel können abhängig machen. (Quelle: luza studios/getty-images-bilder)
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Medikamente haben das Ziel, krankheitsbedingte Beschwerden zu lindern. Doch viele Präparate bergen ein großes Risiko: Sie können abhängig machen. Woran Sie erkennen, ob Sie betroffen sind.

Ob Schmerztabletten, Schlafmittel oder Nasentropfen: Nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) sind 1,5 bis 1,9 Millionen Menschen in Deutschland medikamentenabhängig – meist ohne es zu wissen. Denn oft wird das Suchtpotenzial von Schmerz- und Beruhigungstabletten unterschätzt.

Zwei Drittel der Betroffenen sind Frauen. Unabhängig vom Geschlecht sind ältere Menschen häufiger medikamentenabhängig als jüngere. Wie sich eine Medikamentensucht äußert und wie Sie diese überwinden können, erklären Suchtexperten.

Medikamentensucht erkennen: sechs Kriterien

Eine Medikamentenabhängigkeit wird gemäß der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10) durch folgende sechs Kriterien definiert:

  1. Es besteht der starke Wunsch beziehungsweise Zwang, das Medikament einzunehmen.
  2. Es besteht eine verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Menge, und/oder der Beendigung der Einnahme.
  3. Beim Absetzen des Medikaments treten Entzugssymptome wie Zittern, Schwindel, Schlafstörungen oder Unruhe auf.
  4. Es kommt zu einer Toleranzentwicklung. Die Dosis muss gesteigert werden, da das Medikament nicht mehr die gewünschte Wirkung zeigt.
  5. Die Betroffenen investieren viel Zeit in die Beschaffung der Medikamente oder brauchen lange, um sich von den Folgen des Konsums zu erholen. Kontakte, Verpflichtungen und Interessen werden zunehmend vernachlässigt.
  6. Der Konsum wird fortgeführt, obwohl es zu gesundheitlichen Schäden durch den Substanzgebrauch kommt.

Mindestens drei dieser sechs Abhängigkeitskriterien müssen für die Diagnose Medikamentensucht innerhalb des zurückliegenden Jahres erfüllt gewesen sein.

Bei welchen Medikamenten droht Abhängigkeit?

Beruhigungs- und Schlafmittel, auch bekannt unter dem Begriff Benzodiazepine, besitzen ein beträchtliches körperliches wie auch psychisches Abhängigkeitspotenzial. Das liegt nicht nur daran, dass sie eine körperliche Gewöhnung verursachen können. Sie beeinflussen auch das emotionale Erleben. Es besteht die Gefahr, dass Patienten sie in schwierigen Lebenssituationen als "Fluchthilfe" heranziehen.

Laut der DHS besteht die Gefahr einer Abhängigkeitsentwicklung vor allem dann, wenn die Einnahme nicht im Rahmen therapeutischer Absprachen erfolgt. Doch auch bei ordnungsgemäßem Gebrauch ist das Risiko erhöht, vor allem wenn Medikamente über einen längeren Zeitraum hinweg eingenommen werden. Den Suchtexperten zufolge sind die am häufigsten missbrauchten Benzodiazepine:

  • Lorazepam
  • Bromazepam
  • Oxazepam
  • Flunitrazepam
  • Diazepam

Sie werden unter Handelsnamen wie Tavor, Lexotanil, Adumbran, Bromazanil und Diazepam-Ratiopharm verordnet.

Wichtig: Diese Präparate sollten nur unter Begleitung eines Arztes eingenommen werden.

Warum machen Schmerzmittel süchtig?

Bestimmte Schmerzmittel bergen ebenfalls die Gefahr einer Medikamentensucht, besonders die sehr stark wirkenden Schmerz- und Betäubungsmittel aus der Gruppe der Opiate und Opioide. Opiate sind Mittel, die Opium oder Opiumalkaloide enthalten, insbesondere Morphin. Opioide hingegen umfassen alle morphinähnlich wirkenden synthetischen oder teilsynthetischen Substanzen.

Opiate und Opioide wirken unmittelbar auf das zentrale Nervensystem. Dort aktivieren sie die Freisetzung von Endorphinen, die neben einer schmerzstillenden auch eine euphorisierende und bewusstseinsverändernde Wirkung haben. Dieser Mechanismus erklärt das erhöhte Suchtrisiko, das von diesen Substanzen ausgeht. Nach Angaben der DHS liegt bei Opiaten und Opioiden das suchterzeugende Potenzial noch vor Alkohol.

Schmerzmittel streng nach Angaben des Arztes einnehmen

Wichtig ist, dass die Behandlung mit Schmerzmitteln immer unter Begleitung eines Arztes erfolgt. Laut den Schmerzexperten der DHS führt "die akute wie auch chronische Schmerzbehandlung mit Opiaten oder Opioiden unter kontrollierten therapeutischen Bedingungen in der Regel nicht zu einer Suchtentwicklung. Das Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial der Opioide sollte deshalb unter keinen Umständen dazu führen, dass Schmerzpatienten die notwendige Schmerztherapie vorenthalten wird."

Wie Menschen mit Medikamentensucht geholfen werden kann

Der erste Ansprechpartner bei Verdacht auf eine Medikamentensucht ist normalerweise der Hausarzt. Doch auch Ärzten fällt die Medikamentensucht meist spät auf. Fest steht aber: Je früher eine Medikamentenabhängigkeit erkannt wird, desto leichter ist es, das Mittel abzusetzen.

In der Regel erfolgt dies nicht von heute auf morgen. Stattdessen wird die Dosis unter ärztlicher Anleitung schrittweise reduziert. Psychische und auch körperliche Entzugserscheinungen können dabei auftreten.

Begleitend zum Entzug kann eine psychotherapeutische Behandlung helfen, da bei einer Medikamentensucht häufig psychische Probleme wie Angststörungen oder Depressionen vorliegen. Nach dem Entzug kann der Patient lernen, bei Stress und Problemen keinen Rückfall zu erleiden und wieder auf Medikamente zurückzugreifen.

Nasenspray-Sucht droht schon nach einer Woche

Eine Medikamentensucht kann sich nicht nur dann entwickeln, wenn wie bei Schlaf-, Beruhigungs- und Schmerzmitteln das zentrale Nervensystem in den Wirkmechanismus eingebunden ist. Ein Beispiel für eine physische Abhängigkeit sind Nasentropfen.

Wirkstoffe wie Xylometazolin, Oxymetazolin oder Phenylephrin verengen die Blutgefäße der Nasenschleimhaut und sie schwillt ab. Auch die Sekretbildung verringert sich. Dieser künstliche Eingriff in die Nasenfunktion kann jedoch Folgen haben.

Warum wird man abhängig von Nasenspray?

Laut dem Deutschen Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte lässt sich bei täglicher Anwendung bereits nach einer Woche ein Gewöhnungseffekt beobachten. Die sogenannten Alpha-Rezeptoren in der Nasenschleimhaut werden unempfindlicher gegenüber den Wirkstoffen. Ohne die weitere Anwendung der abschwellenden Substanzen schwillt die Schleimhaut nur noch schwer ab – die Nasenatmung ist behindert. Viele greifen immer wieder zu den Tropfen und Sprays. Den Experten zufolge sind rund 100.000 Deutsche von abschwellenden Nasensprays und -tropfen abhängig.

Bleiben die Blutgefäße in der Schleimhaut dauerhaft enggestellt, beginnt die Schleimhaut zu schrumpfen und sondert kaum noch Sekret ab. Sie trocknet aus. HNO-Ärzte nennen dieses Krankheitsbild "Rhinitis medicamentosa" oder "Privinismus".

In Folge wird die Nase anfällig für Viren und Bakterien und kann sich entzünden. In einem fortgeschrittenen Stadium kann es zu einer sogenannten Stinknase (Ozäna) kommen. Bei dieser seltenen Erkrankung der Nasenschleimhaut sondert die Nase einen üblen Geruch ab.

Nasenspray-Sucht behandeln: Das können Sie tun

In leichten Fällen der Nasenspray-Sucht lässt sich die Entwöhnung mit der "Ein-Loch-Methode" schaffen. Hierbei sprühen Sie nur in ein Nasenloch die abschwellenden Wirkstoffe. Hat sich das unbehandelte Nasenloch regeneriert, werden die Tropfen auch beim anderen weggelassen. So ist immer nur ein Nasenloch verstopft.

Nasentropfen mit Meerwasser und Dexpanthenol unterstützen die Schleimhaut bei der Regeneration und wirken befeuchtend. Der Entzug kann mehrere Wochen dauern.

Wer es alleine nicht schafft, sollte seinen Arzt um Hilfe bitten. Dieser wird es vermutlich mit einer langsamen Reduzierung der Dosis versuchen. In der Akutphase können in ausgeprägteren Fällen kortisonhaltige Medikamente helfen.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Bundesärztekammer: Medikamente – schädlicher Gebrauch und Abhängigkeit
  • Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information
  • Ratgeber "Medikamentenabhängigkeit. Suchtmedizinische Reihe" der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V.
  • Pharmazeutische Zeitung
  • Eigene Recherche
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