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UN-Klimakonferenz: Warum Bürger und Gemeinden mehr für den Klimaschutz tun


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Klimagipfel
Es ist eine Farce

MeinungEine Kolumne von Sara Schurmann

Aktualisiert am 15.11.2024Lesedauer: 6 Min.
Weltklimakonferenz COP29 in BakuVergrößern des Bildes
Staats- und Regierungschefs treffen sich auf dem Klimagipfel: Aktuell tun Bürger und Gemeinden mehr für den Klimaschutz, meint unsere Kolumnistin. (Quelle: Peter Dejong/AP/dpa/dpa-bilder)

Die internationalen Klimakonferenzen sind zu Wirksamkeitssimulationen verkommen. Von Bürgern und Gemeinden geht aktuell mehr Potenzial für Veränderung aus, meint unsere Kolumnistin. Sie könnten den Klimaschutz entscheidend vorantreiben.

Ich bin zwar Klimajournalistin, aber ich muss zugeben: Selbst mein Interesse am diesjährigen Weltklimagipfel hält sich in Grenzen. Das liegt nicht etwa an einer Verdrossenheit gegenüber der Klimakrise, wie ich sie in vielen Bereichen der Politik und Gesellschaft wahrnehme. Es liegt daran, dass ich das, was vor Ort in den Kommunen geschieht, aktuell für wichtiger halte.

Dafür gibt es viele Gründe, ich weiß kaum, wo ich anfangen soll:

Bundeskanzler Olaf Scholz fährt nach dem Ende der Ampel-Regierung nicht zum Weltklimagipfel. US-Präsident Joe Biden hat kurzfristig abgesagt, ebenso die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der französische Präsident Emmanuel Macron, der niederländische Regierungschef und der brasilianische Präsident. Der Außenminister von Papua-Neuguinea nannte das Treffen in Baku "eine komplette Zeitverschwendung", das Land boykottiert den Klimagipfel und entsendet keine Vertreter – aus Frust über und Protest gegen "leere Versprechen und Untätigkeit", weil der Inselstaat mit den Folgen der Erderhitzung allein gelassen wird.

Die Konferenz findet zudem dieses Jahr in Aserbaidschan statt und damit zum dritten Mal in Folge in einem Ölstaat. Die Exporteinnahmen des Landes speisen sich fast komplett aus dem Verkauf von Öl und Gas, die Förderung von Erdgas will das Land in Zukunft noch deutlich ausbauen. In den vergangenen Jahren wurden die Treffen auch dazu genutzt, um neue Öl- und Gas-Deals anzubahnen. In einer Rede beim Weltklimagipfel sagte Staatschef Ilham Alijew, die Öl- und Gasvorkommen in Aserbaidschan seien ein "Geschenk Gottes". Das Land zu kritisieren, weil es Öl hat, sei so, "als wenn man uns anklagt, dass Baku mehr als 250 Sonnentage im Jahr hat". Der Autokrat ließ vor der Klimakonferenz der Vereinten Nationen Journalisten, Aktivisten und Wissenschaftler inhaftieren, damit zumindest im Land auch ja kein kritisches Wort zu hören ist.

Sara Schurmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Lage ist extrem ernst, aber nicht hoffnungslos. Nach diesem Motto erklärt die freie Journalistin Sara Schurmann die großen Zusammenhänge und kleinen Details der Klimakrise, sodass jede und jeder sie verstehen kann.
Etwa in ihrem Buch "Klartext Klima!" – und jetzt in ihrer Kolumne bei t-online. Für ihre Arbeit wurde sie 2022 vom Medium Magazin zur Wissenschaftsjournalistin des Jahres gewählt.

Aber auch international sind die Aussichten nicht gut: Die Forschungsinitiative Global Carbon Project erwartet, dass die weltweiten CO2-Emissionen in diesem Jahr auf ein neues Rekordhoch steigen. Anstatt weniger fossile Energiequellen zu verbrennen, wird noch immer mehr verheizt als zuvor. Und es gebe aktuell kein klares Anzeichen dafür, dass die Welt den Höhepunkt der fossilen Emissionen bereits erreicht habe. Auf der letzten Klimakonferenz in Dubai hatte sich die Weltgemeinschaft zwar auf eine Abkehr von Öl, Gas und Kohle geeinigt, dennoch investieren Firmen weiterhin Milliarden in die Suche nach neuen Öl- und Gasfeldern.

Trump droht mit Austritt aus wichtigem Abkommen

In der nächsten Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident werden die USA voraussichtlich wieder aus dem Pariser Klimaschutzabkommen austreten und damit bei künftigen Gipfeln fehlen. Der Vorstandsvorsitzende des Ölkonzerns Exxon Mobil warnte Trump in einer Rede auf der Klimakonferenz davor, aus dem Abkommen auszusteigen – damit würde er die Chance vergeben, sich in den Klimaverhandlungen für eine Politik mit "gesundem Menschenverstand" einzusetzen.

Vieles davon ist so absurd, dass es fast lustig wäre, wäre da nicht, nun ja, die Realität.

2024 ist voraussichtlich das wärmste Jahr seit Beginn der Messungen. Der EU-Klimawandeldienst Copernicus meldete vergangene Woche, dass 2024 sehr sicher das erste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn sein wird, in dem die Erde durchschnittlich 1,5 Grad wärmer ist als vor der Industrialisierung. Die 1,5-Grad-Marke gilt erst als gerissen, wenn das im mehrjährigen Mittel der Fall ist. Aber das globale CO2-Budget für 1,5 Grad ist in weniger als 5 Jahren aufgebraucht, wenn weiterhin so viele Treibhausgase in die Luft geblasen werden wie bisher.

Viele haben es seit Jahren aufgegeben, das Limit einzuhalten, ernsthaft versucht wurde es nie. Der Titel des diesjährigen Emissions-Gap-Reports der UN, der aufzeigt, wie groß die Lücke zwischen den Zielen, den Versprechen und dem Handeln ist, könnte es nicht deutlicher benennen: "Bitte keine heiße Luft mehr!", ist der Bericht überschrieben und kritisiert die "große Kluft zwischen Rhetorik und Realität". Mit den bisherigen Maßnahmen würden wir demzufolge bis 2100 bei einer Erderhitzung von 2,6 bis zu 3,1 Grad landen. Mit verheerenden Folgen für uns Menschen, unsere Wirtschafts- und Versorgungssysteme und unsere Zivilisation.

Zugegeben: Als die Staatengemeinschaft vor 30 Jahren anfing, auf den Klimakonferenzen über den Erhalt unserer Lebensgrundlagen zu verhandeln, sahen die Prognosen noch düsterer aus. Damals waren keinerlei ernstzunehmende Klimaschutzbemühungen zu erkennen. Der globale Ausbau erneuerbarer Energien war kaum mehr als eine vage Idee. Die ersten Windparks- und Solaranlagen waren nur wenige Jahre zuvor ans Netz gegangen. Forschende gingen angesichts dessen von einer Erderhitzung von 5 bis 6 Grad bis Ende des Jahrhunderts aus. (Zur Erinnerung: Kinder, die heute geboren werden, werden dann nicht mal 80 Jahre alt sein.) Ich habe großen Respekt vor der historischen Errungenschaft, die das Pariser Klimaabkommen bis heute darstellt. 195 Staaten haben sich darin geeinigt, die Erderhitzung auf möglichst 1,5 Grad, mindestens aber deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Das steckt den Rahmen ab, an den wir uns als Menschheit idealerweise noch relativ gut anpassen können.

 
 
 
 
 
 
 

Nur bringen Zusagen auf dem Papier und globale Gesprächsrunden nichts, wenn kaum ein Staat ernsthaft versucht, die Ziele einzuhalten. Auch Deutschland nicht. Angesichts der schon heute verheerenden Folgen bei knapp unter 1,5 Grad wird es für die Kinder meiner Freundinnen und Freunde kaum einen Unterschied machen, ob wir Ende des Jahrhunderts bei 3 oder 5 Grad Erderhitzung landen. Entscheidend ist es, unter zwei Grad zu bleiben.

Da die Staatengemeinschaft als Treiber für ernsthafte Klimaschutzbemühungen ausfällt, hoffen nun einige auf gezielte Zusammenschlüsse von Staaten. Etwa die High Ambition Coalition, eine Gemeinschaft ambitionierter Staaten, die den Abschluss in Paris 2015 ermöglicht hat, seitdem aber kaum noch in Erscheinung getreten ist. Oder einen sogenannten Klimaclub, wie Olaf Scholz ihn seit Jahren zu gründen versucht. Andere setzen auf China. Dass deren Vertretung auf der diesjährigen Konferenz signalisiert hat, international Verantwortung übernehmen und Geld einbringen zu wollen, ist ein bedeutender Schritt. Er bietet Anlass zur Hoffnung, dass das Land künftig eine Führungsrolle im Hinblick auf den Klimaschutz übernehmen könnte. China hat in den vergangenen Jahren mehr Anlagen für Wind- und Solarenergie gebaut als der Rest der Welt zusammen und die Produktion von Elektroautos massiv hochgefahren.

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Da erneuerbare Energien mittlerweile weit günstiger sind als fossile und die aktuellen Extremwetter bereits spürbar Infrastruktur und Lieferketten stören und etwa Lebensmittelpreise in die Höhe treiben, hoffen viele Expertinnen und Experten auch auf die Kraft der Märkte und die Macht der Unternehmen. In Deutschland haben sich viele Vorstandsvorsitzende, Geschäftsführer und Familienunternehmen in der Stiftung 2 Grad zusammengeschlossen, um sich für den Klimaschutz starkzumachen. 2 Grad wären ohne Frage besser als die derzeitigen Aussichten, auch sie liegen allerdings außerhalb des Pariser Klimaabkommens. Und jedes Zehntelgrad in diesem Bereich wird einen massiven Unterschied machen für unser Leben.

Das heißt nicht, dass ich aufgebe, im Gegenteil. Ich halte es nur nicht für vielversprechend, auf politische Entscheidungen zu hoffen und zu warten, die seit Jahrzehnten dringend notwendig sind. Natürlich wäre ein großer Wurf wichtig. Es wäre wünschenswert, wenn das politische und wirtschaftliche Führungspersonal voranginge. Nur das passiert nicht, zumindest nicht in ausreichendem Maße. Dass sich die Staatschefs ritualisiert jedes Jahr bei den Klimakonferenzen treffen, ist nach dem Pariser Klimaabkommen, spätestens aber seit dem Treffen in Glasgow 2021 zur Wirksamkeitssimulation verkommen. Nicht wenige Beobachtende würden es schon als Erfolg werten, wenn es in Baku zumindest keine Rückschritte im Klimaschutz gäbe.

Eine beispielhafte Gemeinde aus Bayern

Also kommt es auf das an, was Menschen bei sich vor Ort konkret verändern, in ihren Firmen, ihren Kommunen. Natürlich ist der Effekt winzig im Vergleich zu dem Hebel, den Länder wie die USA oder globale Öl-Konzerne hätten. Aber alles, was Menschen heute verändern, trägt nicht nur dazu bei, Emissionen jetzt zu senken, sondern entscheidet auch darüber, wie gut Familien, Unternehmen und Gemeinden mit den Krisen und Katastrophen umgehen können, die auf uns zukommen.

In Fuchstal zum Beispiel: Die Gemeinde in Bayern betreibt sieben Windräder und produziert dreimal so viel Strom, wie sie verbraucht. Bis 2030 will sie energieautark sein, allein mit erneuerbarer Energie aus Wind, Sonne und Biogas. Und eventuell noch etwas Wasserstoff. Gemeinden wie Fuchstal tragen nicht nur zur Energiewende bei, sie sichern sich so auch Einnahmen. Investoren will der Bürgermeister in seiner Gemeinde keine. Das Geld soll im Dorf bleiben, die Bürgerinnen und Bürger, die sich privat an den Windrädern beteiligen, bekommen eine Dividende ausgeschüttet. Und sie machen sich so im Krisenfall unabhängiger von zentralen Energienetzen.

Solidarische Landwirtschaften schonen mit ihren Bewirtschaftungsmethoden und kurzen Transportwegen nicht nur das Klima und Ressourcen. Die Wertschöpfungskreisläufe vor Ort stärken auch regionale Strukturen und leisten einen Anteil, um bei Krisen weniger abhängig von internationalen Märkten zu sein. Lokale Anpassungs- und Katastrophenschutzmaßnahmen bereiten Gemeinden und Haushalte darauf vor, mit stärkeren und häufiger auftretenden Überflutungen, Hitze oder Dürre künftig besser umgehen zu können. Nachbarschaftsinitiativen und lokale Gemeinschaften stärken den Zusammenhalt, den es braucht, um gemeinsam und solidarisch durch kommende Krisen zu gehen.

Meinetwegen sollen sich die Staatschefs weiter treffen, ich freue mich auch, wenn beim Klimagipfel in Brasilien 2025 irgendetwas Sinnvolles herauskommt. Nur würde ich mich nicht darauf verlassen, dass das dann auch umgesetzt wird. Wer Veränderung will, der muss sie selbst anpacken. Es bleibt keine Zeit, auf die Politik zu warten.

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