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Reisen in Corona-Zeit – Reiseanwalt warnt: "Reiseanbieter spielen auf Zeit"


Reiseanwalt warnt
"Reiseanbieter und Fluglinien spielen auf Zeit"

InterviewVon Sandra Simonsen

Aktualisiert am 18.05.2020Lesedauer: 5 Min.
Interview
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Reisen in Corona-Zeiten: Erste Grenzen werden wieder geöffnet und auch Hotels dürfen in einigen Ländern wieder Gäste empfangen.Vergrößern des Bildes
Reisen in Corona-Zeiten: Erste Grenzen werden wieder geöffnet und auch Hotels dürfen in einigen Ländern wieder Gäste empfangen. (Quelle: Joaquin Corchero/ZUMA Wire/imago-images-bilder)

Auch, wenn das Coronavirus sich weiter ausbreitet, scheint es doch bald wieder möglich zu sein, Urlaub zu buchen. Im Gespräch mit t-online.de erklärt Reiseanwalt Ronald Schmid, welche Rechte Touristen während der Corona-Krise haben.

Erste Grenzen werden wieder geöffnet und auch Hotels dürfen in einigen Ländern wieder Gäste empfangen. Manch einer überlegt nun wahrscheinlich, den Sommerurlaub trotz Corona-Krise doch noch zu planen. Im Gespräch mit t-online.de erklärt Rechtsanwalt Prof. Dr. Ronald Schmid, was dabei zu beachten ist und welche Rechte diejenigen haben, die ihren Urlaub wegen des Coronavirus doch lieber stornieren möchten oder gar müssen.

Schmid ist auf Luftverkehrs-, Reise- und Arbeitsrecht spezialisiert und setzt sich seit 15 Jahren vor allem für die Rechte von Flugpassagieren ein. Als Sprecher von "Fairplane", einem Portal zur Umsetzung von Fluggastrechten, unterstützt er Passagiere beispielsweise bei Flugausfällen oder Verspätungen. Er hat jahrelange Erfahrung im europäischen und internationalen Luftrecht gesammelt. Im Interview mit t-online.de spricht er über den EU-Beschluss zu "Zwangsgutscheinen", über die Öffnung der Grenzen und Stornierungsbedingungen von Pauschalreisen in Zeiten der Corona-Pandemie.

t-online.de: Was bedeutet der Beschluss der EU zu den sogenannten Zwangsgutscheinen für Reisende?

Prof. Dr. Ronald Schmid: Die EU-Kommission hat sogenannte Zwangsgutscheine, auch Covid-19-Gutscheine genannt, klar abgelehnt, denn das widerspricht geltendem europäischen Recht, explizit der EU-Fluggastrechteverordnung. Änderungen dieser Verordnung kann natürlich nur der EU-Gesetzgeber (Rat und Parlament) vornehmen und nicht einzelne Mitgliedsstaaten.

Die EU-Kommission pocht aus gutem Grund auf das Recht der Verbraucher auf Erstattung von Zahlungen für abgesagte Reisen und geht gegen Mitgliedsstaaten vor, die sich darüber hinwegsetzen.
Deutschland wollte Verbraucher ursprünglich ebenfalls verpflichten, Gutscheine statt Rückzahlungen zu akzeptieren. Nach Widerstand aus Brüssel hat die deutsche Regierung jedoch davon Abstand genommen.

Jetzt hat die EU-Kommission aber angeregt, dass doch Gutscheine ausgegeben werden können...

Ja, eine Akzeptanzpflicht gibt es jedoch bisher nicht. Die Gutscheine sollen eine Gültigkeitsdauer von zwölf Monaten haben und auch insolvenzgesichert sein. Wenn der Gutschein innerhalb der Gültigkeitsdauer nicht eingelöst wird, soll innerhalb von 14 Tagen nach Ablauf des Gutscheins eine automatische Rückerstattung an den Passagier erfolgen. Zudem soll der Gutschein genau die gleiche Buchung zum selben Preis ermöglichen. Ich rate allerdings wegen nicht auszuschließender Änderungen im Tourismusmarkt davon ab, Gutscheine anzunehmen. Verbraucher sollten auf einer Rückerstattung des Reisepreises bestehen. Die "normale" gesetzliche Frist dafür beträgt sieben Tage, in der momentanen Situation wird das allerdings viel länger dauern. Ryanair hat bereits bekanntgegeben, dass eine Rückzahlung bis zu sechs Monate in Anspruch nehmen kann. So will man Zeit gewinnen und den Kunden die Gutscheine schmackhafter machen. Das ist klar ungesetzlich!

Was raten Sie betroffenen Touristen?

Das Verhalten von Fluggesellschaften und Reiseanbietern kann eindeutig als "Zeitspiel" bezeichnet werden. Viele Airlines haben die Möglichkeiten, die Rückerstattung zu beantragen, von ihren Websites entfernt. Der Zugang zu Informationen wird aktuell durch unübersichtliche und irreführende Verlinkungen erschwert. In diesem Fall können Sie Ihr Geld beispielsweise online über spezielle Internetseiten zurückfordern oder sich rechtlich beraten lassen.

Welche Regeln gelten momentan für Stornierungen und Erstattungen von Pauschalreisen und Flügen?

Grundsätzlich ist zu beachten, dass sich die Regeln für Pauschalreisen und Flüge unterscheiden. Die Fluglinie selbst storniert den Flug: Dieser Fall ist gesetzlich klar in der europäischen Fluggastrechte-Verordnung geregelt. Wenn das Luftfahrtunternehmen den Flug storniert, kann der Passagier zwischen einer Ersatzbeförderung oder der Rückerstattung der Ticketkosten innerhalb von sieben Tagen wählen. Die EU-Verordnung gilt unmittelbar in der gesamten EU für alle Flüge, die innerhalb der EU starten, egal, um welche Fluglinie es sich handelt.
Greift die EU-Verordnung nicht, dann gilt nationales Vertragsrecht.

Und was gilt für Pauschalreisen?

Für Pauschalreisen gilt die europäische Reiserecht-Richtlinie, die jeder Mitgliedstaat in nationales Recht umgesetzt hat. In Deutschland ist das ins Bundesgesetzbuch eingegliedert worden. Bei einem kostenlosen Rücktritt muss der Reisepreis innerhalb von 14 Tagen zurückgezahlt werden. Die bestehende Reisewarnung bis 14. Juni 2020 berechtigt zu einem kostenlosen Rücktritt vom Pauschalreisevertrag. Obwohl die Formulierung "unvermeidbare außergewöhnliche Umstände" juristisch noch genau auszuloten ist, ist davon auszugehen, dass ein Reisender zu einem kostenlosen Rücktritt berechtigt ist, wenn vor Reiseantritt im Urlaubsland chaotische Verhältnisse herrschen, Gesundheitsgefahren bestehen oder Ausgangssperren verhängt werden. Nach einem Gutachten der Verbraucherzentrale sollen Auslandsreisen bis Ende August 2020 kostenfrei storniert werden können.

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Welches Vorgehen empfehlen Sie, um Reisen zu stornieren?

Diese Aussagen der Verbraucherzentrale halte ich für gefährlich, weil die Entwicklungen bis dahin nicht absehbar sind. Ich empfehle, zuerst den Reiseveranstalter zu fragen, ob die Reise durchgeführt wird. Wird die Reise bestätigt, sollten Reisende den Reisevertrag erst dann kündigen, wenn sie die Lage realistisch einschätzen und davon ausgehen können, dass die Reise nicht ohne erhebliche Beeinträchtigungen durchgeführt werden kann. Reisende können auch selbst kostenlos zurücktreten, wenn im Urlaubsland außergewöhnliche Umstände vorliegen und die Leistungen des Reiseveranstalters am Urlaubsort nicht erbracht werden können.

Die ersten Länder öffnen wieder ihre Grenzen für den Tourismus: Was raten Sie Touristen, die sich unsicher sind, ob Sie jetzt schon Reisen buchen sollen?

Diese Entscheidung muss jeder selbst eigenverantwortlich treffen. Ein Urlaub macht nur dann Sinn, wenn Erholung und Freude am Reisen möglich sind. Eine Reiserücktritts- und Reiseabbruchversicherung kann sinnvoll sein. Doch auch hier muss man sich genau erkundigen, ob bei Vorliegen einer Pandemie im Urlaubsland der Reisende versicherungsrechtlich geschützt ist. Oft sind Naturkatastrophen und auch Pandemien vom Versicherungsvertrag ausgenommen.

Gibt es auch dann noch Stornierungsmöglichkeiten, wenn die Infektionsrate durch die Grenzöffnung für Touristen wieder steigen würde?

Natürlich, dann liegt wieder ein "unvermeidbarer außergewöhnlicher Umstand" vor. Aber Achtung: Wenn Reisende bei ihrer ursprünglichen Pauschalreise, die wegen des Coronavirus nicht stattgefunden hat, einer Umbuchung zugestimmt haben, dann können sie bei erneutem Corona-Ausbruch im Urlaubsort zum späteren Reisezeitpunkt nicht mehr kostenlos zurücktreten. Denn sie waren sich ja bewusst, dass die Pandemie ausgebrochen ist. Bei Zustimmung zu einer Umbuchung sollten Reisende unbedingt ein Recht zur kostenlosen Stornierung bei Rückkehr der Coronavirus-Pandemie vereinbaren und zum Vertragsinhalt machen.

Welche Maßnahmen und Möglichkeiten erwarten Sie von Hotels und Reiseunternehmen, um Touristen jetzt ausreichende Sicherheit zu bieten?

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Das wird sehr stark von der Größe des Hotels und den räumlichen Gegebenheiten abhängen, beziehungsweise von den örtlichen und nationalen Verordnungen. Grundsätzlich sollten alle zumutbaren Hygienemaßnahmen ergriffen werden. Dazu gehören ausreichend Möglichkeiten zum Abstandhalten und zur ständigen Desinfektion von Händen und Gegenständen.

Welche Rechte haben Reisende, wenn Sie im Urlaub an Covid-19 erkranken und die Reise abbrechen wollen?

Der Reiseveranstalter muss die Kosten für bis zu drei Übernachtungen tragen, wenn er die Pauschalreise wegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände beendet und er Reisende nicht nach Hause zurückbefördern kann. Voraussetzung: Die Rückbeförderung ist Teil eines Reisevertrages, wie bei Pauschalreisen.

Sinnvoll kann auch der Abschluss einer Auslandskrankenversicherung sein, die eine Behandlung oder auch den Rücktransport nach Hause abdeckt. Hier sollte der Reisende vor Antritt der Reise wieder prüfen, ob die Versicherungsleistungen auch bei einer Coronavirus-Pandemie erbracht werden.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Schmid!

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