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Neue EU-Strategie: Diese Lehren können wir aus dem Ukraine-Krieg ziehen


Neue EU-Strategie
Ein entscheidender Moment der Wahrheit

MeinungEin Gastbeitrag von Ursula von der Leyen (EU-Kommission) und Kaja Kallas (Estland)

Aktualisiert am 08.10.2022Lesedauer: 4 Min.
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Rohre für Nordstream 2Vergrößern des Bildes
Ein Mitarbeiter prüft tonnenschwere Rohre für Nord Stream 2: Trotz des Widerstands anderer EU-Staaten hielt Deutschland lange an der Ostsee-Pipeline fest – bis zum Krieg. (Quelle: Jens Büttner/dpa-bilder)

Der Ukraine-Krieg lehrt: Die EU muss sich vor denen schützen, die ihr Vertrauen als Waffe missbrauchen. Ursula von der Leyen und Kaja Kallas über eine neue Strategie, die dabei helfen soll.

Wie fragil die Weltwirtschaft ist, das haben uns der Krieg Russlands gegen die Ukraine, die Corona-Pandemie und physische wie auch virtuelle Angriffe auf kritische Infrastrukturen mehr als deutlich gemacht. Wir müssen für die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Bürgerinnen und Bürger ungesunde Abhängigkeiten durch ausgewogene Partnerschaften ersetzen. Wir müssen mit Partnern zusammenarbeiten, denen wir vertrauen können – und nicht mit jenen, die unser Vertrauen als Waffe gegen uns einsetzen. Und wir Demokratien müssen uns gemeinsam gegen Autokratien wehren, müssen unsere Werte verteidigen und die Zukunft der Weltwirtschaft gestalten.

Von der Leyen im EU-Parlament: "Unser Vorschlag wird mehr als 140 Milliarden Euro für die Mitgliedstaaten bringen."
Ursula von der Leyen (Quelle: Jean-Francois Badias/dpa)

Die Kommissionspräsidentin

Ursula von der Leyen (63), war von 2005 bis 2009 Bundesfamilienministerin, von 2009 bis 2013 Bundesarbeitsministerin und von 2013 bis 2019 Bundesverteidigungsministerin. Seit dem 1. Dezember 2019 ist sie Präsidentin der Europäischen Kommission.

Kaja Kallas: Die Ministerpräsidentin Estlands hat formal ihren Rücktritt eingereicht.
Kaja Kallas (Quelle: Nicolas Landemard/imago-images-bilder)

Die Premierministerin

Kaja Kallas (45) gehört der liberalen Estnischen Reformpartei Eesti Reformierakond an. Sie war von 2014 bis 2018 Mitglied des Europäischen Parlaments. Seit dem 26. Januar 2021 ist sie Ministerpräsidentin von Estland.

All das soll die Strategie Global Gateway herbeiführen. Das Investitionspaket der Europäischen Union, ausgestattet mit 300 Milliarden Euro, soll die auf Regeln basierende internationale und wirtschaftliche Weltordnung festigen helfen. Die Strategie wurde vor fast einem Jahr ausgerufen und ist ein Ansatz, den Estland bereits länger als viele andere erfolgreich verfolgt: vertrauenswürdige Konnektivität. Ein Ansatz, der angesichts der ungerechtfertigten Aggression und der groben Völkerrechtsverletzungen durch Russland noch dringlicher geworden ist.

Ökologische Lieferketten statt russischer Fossilenergie

Wir ersetzen russische fossile Brennstoffe durch robuste Lieferketten, die den ökologischen Wandel unterstützen und neue Abhängigkeiten vermeiden. Wir fördern eine offene, sichere und auf den Menschen ausgerichtete digitale Gesellschaft, die unseren demokratischen Werten und Standards entspricht. Und wir setzen weiter auf Partner, die sich wie wir für den Aufbau einer nachhaltigen Zukunft in Freiheit und Wohlstand engagieren. Auf diesem Weg stehen wir vor einer Entscheidung: Sind wir bereit, eine Vertrauensprämie zu zahlen oder nicht? Europa hat eine klare Botschaft: Vertrauen mag seinen Preis haben, doch es ist es wert, diesen Preis zu zahlen. Freiheit ist unbezahlbar.

Die drei baltischen Staaten und andere Länder in Mittel- und Osteuropa haben Putins wahre Absichten lange durchschaut und andere gewarnt, dass Russland kein verlässlicher Energiepartner ist. Estland hat gemeinsam mit Lettland, Litauen und Polen lange vor der großangelegten Invasion der Ukraine durch den Kreml begonnen, sich von russischer Energie loszusagen. Diese Länder haben in erneuerbare Energien, Flüssiggas-Terminals und Verbindungsleitungen investiert. Mit dem RePowerEU-Plan folgt nun ganz Europa ihrem Beispiel, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland endgültig zu beenden.

Die aktuelle Krise verdeutlicht die innere Stärke der Europäischen Union. Wir haben geeint, schnell und entschlossen gehandelt. Unsere Sanktionen gegen Russland lähmen dessen Kriegswirtschaft, und die Ukraine macht auf dem Schlachtfeld Gewinne. Die Nato und das transatlantische Sicherheitsbündnis sind heute stärker denn je. Doch der Krieg ist noch lange nicht vorbei. Damit die Ukraine den Aggressor tatsächlich besiegen kann, müssen die EU und ihre Verbündeten die nötige Schlagkraft aufbringen, um die geopolitische und wirtschaftliche Ordnung in Richtung Offenheit, Zusammenarbeit, Freiheit und Einhaltung von Regeln im Sinne dieser Werte zu lenken. Global Gateway als Sinnbild vertrauenswürdiger Konnektivität ist dafür das richtige Instrument.

Das Versprechen Europas an seine Nachbarn

Global Gateway ist Europas Versprechen an unsere Nachbarländer und globalen Partner, ihnen ein positives, wertebasiertes Kooperationsangebot zu machen. Während Autokratien darauf hinarbeiten, Einflusssphären zu schaffen und ungesunde Abhängigkeiten zu vertiefen, anstatt sie abzubauen, wollen wir Partnerschaften auf der Grundlage gemeinsamer Werte und Visionen für die Zukunft aufbauen. Wir wollen die digitale und grüne Infrastruktur der Wirtschaft von morgen gestalten, um einerseits unsere Partner mit Europa, einschließlich unserer östlichen Nachbarschaft, und andererseits Europa mit dem vielfältigen und dynamischen Globalen Süden zu verbinden.

Global Gateway trägt bereits Früchte. So finanziert die EU etwa neue Wirtschaftskorridore und Energie-Infrastrukturen, um den Westbalkan enger an unsere Union anzubinden und den europäischen Traum der Region zu unterstützen. Mit Investitionen in erneuerbare Energien, grünen Wasserstoff und Rohstoff-Wertschöpfungsketten bauen wir Beziehungen zu Ländern wie Namibia und Chile auf, die für beide Seiten von Vorteil sind – für sie nachhaltiges Wachstum, für uns Energieversorgungssicherheit.

Mit dem Bau digitaler Infrastruktur, zum Beispiel eines neuen Glasfaser-Tiefseekabels im Schwarzen Meer, diversifizieren wir den Internet-Zugang im Kaukasus und in Zentralasien. Aus Global Gateway wird auch der Bau von mRNA-Impfstoff-Fabriken in Ruanda und Senegal sowie bald in Lateinamerika unterstützt, um die Weltgesundheit durch den Transfer fortschrittlicher Technologien und regionale Resilienz zu fördern.

Es ist wichtig, dass wir eine geeinte Front gegen die wachsende Durchsetzungskraft und Aggression autokratischer Regime bilden. Aus diesem Grund bringt Global Gateway die engsten Partner Europas und andere vertrauenswürdige Konnektivitätsinitiativen zusammen. Mit der G7-Partnerschaft für globale Infrastruktur und Investitionen etwa mobilisieren wir nicht nur unsere Investitionen, sondern auch unser Know-how und unsere Fähigkeit, Standards zu setzen. Gemeinsam können wir eine neue Ära der Globalisierung gestalten. Eine Ära, in der neben der Effizienz auch die Widerstandskraft der Wirtschaft geschätzt wird, und in der neben dem Wohlstand auch unsere Werte geschätzt werden.

Digitalgipfel in Tallinn

Wir erleben gerade einen entscheidenden Moment der Wahrheit. Wir müssen uns weiter der Herausforderung stellen und eine starke Koalition für den Fortschritt und gegen historischen Revisionismus bilden. Um unsere Zusammenarbeit zu erleichtern, hat Estland das Team-Europa-Partnerschaftsportal für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten entwickelt, in dem die Partner im Rahmen von Global Gateway eingebunden werden.

Der diesjährige Digitalgipfel in Tallinn ist ein Aufruf an Demokratien, gemeinsam für vertrauenswürdige Konnektivität zu sorgen, Freiheit und Demokratie zu wahren und zu zeigen, dass wir uns langfristig einsetzen – für die Ukraine, für den Frieden und für die Zukunft unserer offenen und fairen internationalen Ordnung.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autorinnen und Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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