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Brexit – Presse-Schau: "In dieser Geschichte nimmt jeder jeden zur Geisel"


Presse über britisches Brexit-Votum
"In dieser Geschichte nimmt jeder jeden zur Geisel"

Von dpa, afp, ds

Aktualisiert am 21.10.2019Lesedauer: 4 Min.
Der britische Premierminister Boris Johnson in einer Debatte im britischen Unterhaus.Vergrößern des BildesDer britische Premierminister Boris Johnson in einer Debatte im britischen Unterhaus. (Quelle: ap)
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Billigt das britische Parlament Johnsons Austrittsdeal mit der EU? An diesem Montag könnten die Abgeordneten darüber abstimmen – doch zuvor gibt es von der Presse reichlich Kritik.

Und schon wieder geht es bei den Brexit-Verhandlungen um alles: Parlamentssprecher John Bercow entscheidet am Montagnachmittag, ob die britischen Abgeordneten über das Austrittsabkommen von Premierminister Boris Johnson abstimmen dürfen. Zuvor war ein Voting am Wochenende verschoben und Johnson damit gezwungen worden, bei der EU eine erneute Aufschiebung des Brexit-Termins zu beantragen.

"Ein Haus der Narren", titelten daraufhin die britischen Tageszeitungen. Und auch die Internationale Presse schießt sich weiter auf das britische Parlament und Premierminister Boris Johnson ein.

"De Tijd" (Brüssel): "Niemand möchte in dieser politischen Saga den Schwarzen Peter zugespielt bekommen. Wenn Europa eine Verschiebung verweigert, wird es automatisch einen harten Brexit geben, und das will Brüssel ganz sicher nicht. In dieser Geschichte nimmt jeder jeden zur Geisel, was bedeutet, dass das Brexit-Drama noch lange nicht vorbei ist. Selbst wenn man dann Abschied genommen hat, muss das größte Stück Arbeit erst noch geleistet werden. Das sind die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und Europa. Dort sind die Einsätze möglicherweise noch höher und die Positionen könnten noch weiter auseinander liegen."

"La Croix" (Paris): "Es sind weniger seine Talente, die dem britischen Premierminister helfen werden, die Brexit-Sackgasse zu überwinden, als ein neues Wohlwollen der europäischen Staats- und Regierungschefs. Werden sie ihm eine neue Frist einräumen? Boris Johnson behauptet, sie nicht zu brauchen, und die (Austritts-)Vereinbarung innerhalb der Fristen vom Parlament bestätigen zu lassen. Wer sich zu sehr auf Kühnheit verlässt, verlässt sich oft auf Partner, die geduldiger und klüger sind. Boris Johnson kann so seine chaotische Politik wiederholen, weil die Europäer vernünftig bleiben. In diesem Zusammenhang erweisen sie sich als seine besten Verbündeten. Kann das noch lange dauern?"

"Times" (London): "Wenn die Abstimmung am Samstag eine Orientierungshilfe bietet, dann scheint es, dass Boris Johnson die Konservative Partei erfolgreich hinter seinem Deal mit der EU vereint hat. Selbst Abgeordnete, die er aus der Tory-Fraktion ausgeschlossen hatte – einige von ihnen stimmten für Oliver Letwins irrwitzigen Zusatzantrag, der die Saga einmal mehr verlängert hat – scheinen nun für seinen Deal votieren zu wollen. Die Marge zwischen Erfolg und Misserfolg wird voraussichtlich sehr klein sein, und alles könnte davon abhängen, ob eine ausreichende Zahl von Labour-Abgeordneten gegen den Fraktionszwang ihrer Partei verstoßen und den Deal unterstützen. Es würde einiges an Mut von ihnen verlangen. Aber sollten sie es tun, verdienten sie höchstes Lob."

"NZZ" (Zürich): "Was wird er tun, wenn sich eine Verschiebung des Austrittsdatums nicht mehr vermeiden lässt beziehungsweise wenn er durch das Gesetz oder einen Gerichtsentscheid dazu gezwungen wird? Eine Verschiebung würde den Bruch seines zentralen Versprechens bedeuten, das er unermüdlich bekräftigt. Solange die Brexit-Befürworter ihn nicht persönlich dafür haftbar machen, wäre dies für ihn zwar nicht zwangsläufig eine Katastrophe. Es bliebe ihm die Chance, bei der über kurz oder lang fälligen Unterhauswahl doch noch eine Unterhausmehrheit zu erreichen. Aber es wäre ein Hochseilakt mit beträchtlichem Absturzrisiko. Am Ende könnte Johnson nicht als Sieger, sondern als Hasardeur dastehen, der alles verspielt hat."

"Rzeczpospolita" (Warschau): "Für die EU ist klar, dass ein Brexit auf der Basis des mit Johnson ausgehandelten Vertrags momentan die beste Option ist. Großbritannien ist dermaßen gespalten, und die wichtigste oppositionelle Kraft unter Führung von Jeremy Corbyn so schwach und unentschlossen, dass sogar die größten Befürworter eines Verbleibs der Inseln in der EU die Fortsetzung dieses Spektakel nicht wünschen. Sicher, vielleicht würde ein zweites Referendum den Sieg der Befürworter eines Verbleib in der EU bringen. Aber sogar wenn das so wäre, dann wäre der Unterschied bei der Zahl der Stimmen minimal - wie beim ersten Referendum. Und ein Land in der EU zu behalten, dass von so vielen Zweifeln zerrissen ist, würde mehr Schaden bringen als Nutzen."

"t-online.de" (Berlin): "Der Super-Samstag in Großbritannien – er wurde zum Super-Gau-Samstag. Statt das Austrittsabkommen mit der EU für einen geregelten Brexit anzunehmen, stimmte das britische Unterhaus am Wochenende für eine Vertagung der Entscheidung. Die Brexit-Gegner feierten überschwänglich wie nach dem letzten Fußball-Weltmeistertitel 1966 (…) Und das "Haus der Narren“ könnte schon heute doch noch über den Deal von Johnson abstimmen und ihn somit durchwinken. Der britische Außenminister Dominic Raab zumindest geht davon aus, dass nun ausreichend Unterstützung im Unterhaus vorhanden ist, um den Deal durchzubekommen. Kann aber natürlich auch sein, dass es wieder nichts wird."


"de Volkskrant"
(Amsterdam): "Die Brexit-Befürworter schreien nun Zeter und Mordio. Ihrer Ansicht nach hat das Parlament das britische Volk verraten. Doch den Rückschlag (am Samstag) haben Boris Johnson und die Erz-Brexit-Anhänger sich selbst zu verdanken. Johnson hat das Vertrauen in die Regierung untergraben, indem er einerseits erklärte, sich an das Gesetz zu halten, das ihn verpflichtet, bei der EU um einen Aufschub zu bitten, wenn das Austrittsabkommen noch nicht vom Parlament gebilligt wird, und andererseits darauf pochte, dass er einen solchen Aufschub nicht beantragen wird. (...) Man sollte hoffen, dass die EU-Regierungschefs den Briten noch einen Aufschub gewähren. Allerdings nur einen kurzen. Es ist nun an den Briten, deutlich zu machen, was sie wollen: den neuen Deal mit der EU oder einen Austritt aus der EU ohne Deal."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP
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