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Brexit: Warum woll(t)en die Briten überhaupt raus aus der EU?


Kampf um den richtigen Brexit
Warum die Briten aus der EU raus woll(t)en


Aktualisiert am 09.04.2019Lesedauer: 4 Min.
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Brexit-Befürworter bei einer Demonstration in London: Sie fordern einen Ausstieg aus der EU – im Notfall auch ohne Abkommen.Vergrößern des Bildes
Brexit-Befürworter bei einer Demonstration in London: Sie fordern einen Ausstieg aus der EU – im Notfall auch ohne Abkommen. (Quelle: Daniel Leal-Olivas/AFP/Getty Images)

In Großbritannien wird weiter heftig um den Brexit gerungen. Ein Blick zurück auf das, was sich die Brexiteers vom EU-Austritt versprochen haben, zeigt, warum der Kampf so erbittert geführt wird.

Theresa May hat ihren Austritts-Deal einfach nicht durch das Parlament bekommen und musste am Ende zurücktreten. Auch ihr Nachfolger im Amt, Boris Johnson, muss hart um seine Vorstellung des EU-Austritts kämpfen.

Die konservative Partei und das Land an sich ist zerstritten darüber, wie der Austritt aus der EU ablaufen soll. Nicht verwunderlich, wenn man sich anschaut, mit welchen Argumenten für den Brexit gekämpft wurde.

Mit knappen 52 zu 48 Prozent entschieden sich die Briten 2016 in einem Referendum für den EU-Austritt. Vorangegangen war ein emotionalisierter Wahlkampf vor allem der Brexit-Befürworter. Sie versprachen: Mit dem Brexit wird für Großbritannien alles besser – wenn man erst einmal die "Geißel EU" losgeworden ist.

Die Versprechen der Brexit-Befürworter:

Weniger Bürokratie und Regulierung: Die Brexiteers argumentieren, Großbritannien werde von der EU unterdrückt. Es gebe zu viele Regeln und Bürokratie, man müsse zu viel Geld an die EU überweisen für zu wenig Nutzen. In Brüssel herrsche Regulierungswut, heißt es; die Firmen erstickten in Bürokratie, die ihnen weltfremde Kommissions-Beamte aufhalsten. Das sei gegen die Interessen Großbritanniens und behindere die Entwicklung des Landes.

Mehr Souveränität: Großbritannien soll wieder unabhängig werden, finden die Brexiteers. Kein anderes Land soll sich in die Entscheidungen des Vereinigten Königreiches einmischen können. EU-Gegner wollen, dass London wieder alles selbst entscheidet – von Baurichtlinien über den Arbeitsmarkt bis zu Handelsverträgen. Zwar erarbeite die EU Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada – aber eigene Abkommen etwa mit China und Indien seien für das jeweilige EU-Mitglied nicht machbar, kritisieren Brexit-Fürsprecher. Letztendlich erhoffen sie sich außerhalb der strikten Regulierungen der EU mehr weltpolitischen Einfluss für Großbritannien.

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Weniger Immigration: Das Referendum zum Brexit fand unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise von 2015 statt. Weniger Einwanderung war das zentrale Thema der Brexit-Befürworter. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU ist ihnen nach wie vor ein Dorn im Auge. Zwar gehören die Briten nicht zum Schengen-Raum – in dem der Transit in ein anderes Land ohne Grenzkontrollen möglich ist – aber EU-Bürgern dürfen sie die Einreise und das Arbeiten nicht verweigern. Vor allem Einwanderer aus Osteuropa, die laut Brexiteers wegen der Sozialleistungen kommen, sind bei manchen Briten nicht gut angesehen. Die Brexiteers wollen die volle Kontrolle darüber zurück, wer nach Großbritannien einwandert, und haben die Obergrenze auf 100.000 Einwanderer pro Jahr gesetzt.

Wirtschaftlicher Aufschwung: Die Kampagne "Vote Leave" hatte errechnet, dass die EU das Land 350 Millionen Pfund pro Woche koste – mehr als 450 Millionen Euro. Und bis 2020 solle es noch viel teurer werden. Dieses Geld wollen die Brexiteers in Zukunft ausschließlich in Großbritannien investieren. Dadurch und von für das Vereinigte Königreich profitableren Handelsabkommen versprechen sie sich mehr Jobs und einen wirtschaftlichen Aufschwung Großbritanniens. Die Brexit-Vorkämpfer in Großbritannien weisen brüsk zurück, dass ein EU-Austritt den britischen Unternehmen schaden könnte. Sie argumentieren, dass die Mitgliedschaft in der kriselnden Union das Land wirtschaftlich hemme und die EU für die wirtschaftliche Misere Großbritanniens verantwortlich sei.

Haupthindernis Backstop

Viele dieser Forderungen und Vorstellungen hätten mit dem Deal von Theresa May umgesetzt werden können. Wäre da nicht der Backstop gewesen, den Johnson inzwischen wegverhandelt hat. Er sollte garantieren, dass es nach dem Brexit keine Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland gibt. Mit dieser Regelung wäre jedoch das gesamte Königreich zunächst in der Zollunion und Nordirland in Teilen des Binnenmarkts geblieben – bis London und Brüssel eine bessere Lösung gefunden haben. Brexit-Hardliner sehen genau darin eine Falle, die Großbritannien auf unbestimmte Zeit nicht komplett aus der EU entlassen würde und verweigerten dem Backstop hartnäckig ihre Zustimmung.


Verdeutlicht man sich also noch einmal die ursprünglichen Forderungen und Hoffnungen, wird klar, warum Brexit-Hardliner wie Jacob Rees-Mogg oder Boris Johnson so vehement Mays Austrittsvertrag, jede Art von weichem Brexit und vor allem die von Labour geforderte Zollunion mit der EU bekriegten: Mit dem Backstop wäre zumindest Nordirland faktisch in der Zollunion mit der EU geblieben. Bei einem weichem Brexit mit einer Anbindung von Großbritannien an den europäischen Binnenmarkt, müssten die Briten die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU weiter gewährleisten. So könnten sie die Zuwanderung nicht so steuern, wie im Wahlkampf zum Brexit-Referendum versprochen.

Hoffen auf einen Brexit ohne Abkommen

Ein Austritt unter diesen Bedingungen wäre nicht der, für den die Brexiteers jahrelang gekämpft haben. Er würde sogar in zentralen Punkten der ursprünglichen Motivation zum Austritt aus der EU widersprechen.

Deswegen hoffen die Hardliner zumindest insgeheim weiter auf einen Brexit ohne Abkommen – mit allen Freiheiten für Großbritannien, seine zukünftigen Beziehungen mit der EU ohne Beschränkungen auszuhandeln.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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