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Griechisch-türkischer Konflikt: Sie gehen zu weit, Herr Erdogan


Griechisch-türkischer Konflikt
Sie gehen zu weit, Herr Erdogan

MeinungEine satirische Kolumne von Martin Sonneborn

Aktualisiert am 01.09.2020Lesedauer: 4 Min.
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Im Konflikt mit Griechenland droht Präsident Erdogan fortwährend mit Krieg: Kolumnist Martin Sonneborn kritisiert das Schweigen der EU-Kommission.Vergrößern des Bildes
Im Konflikt mit Griechenland droht Präsident Erdogan fortwährend mit Krieg: Kolumnist Martin Sonneborn kritisiert das Schweigen der EU-Kommission. (Quelle: imago-images-bilder)

Die EU-Kommission schweigt zu den Kriegsdrohungen des türkischen Präsidenten. Sie hat andere Sorgen, denn gerade hat ein Kommissar seinen Job gegen einen Grill getauscht. Eine satirische Kolumne von Martin Sonneborn.

Der Sommer ist vorbei. Für die Politik vollkommen überraschend kehren viele deutsche Urlauber aus dem Urlaub auch wieder zurück; und da es sonst niemand tut, erkläre ich hiermit die zweite Welle offiziell für eröffnet.

Die Führung der EU-Kommission allerdings ist vermutlich noch am Strand von Antalya, anders kann man sich ihr Schweigen zu den fortwährenden Aggressionen des Irren vom Bosporus kaum erklären. Oder sie ist, verbarrikadiert in von der Leyens eigens eingebautem Privatappartement im Berlaymont-Gebäude, damit beschäftigt, hektisch Fähnchen in einer Europakarte umzustecken, die die roten, orangefarbenen & grünen Zonen und uni-, bi- oder multilateralen Reisewarnungen in der EU dokumentieren. Ein Fulltime-Job, die letzten Tage im Führerbunker dürften geordneter, heiterer und überraschungsfreier verlaufen sein. Warum gibt es eigentlich keine untereinander vergleichbaren europaweiten Daten, kein einheitliches europaweites Konzept?

EU-Kommissar tauscht Job gegen Grill

Leider kann Phil Hogan keine Fähnchen mehr anreichen, der EU-Kommissar für Handelspolitik ist gerade zurückgetreten. Hogan ist ein konservativer Ire mit Harry-Potter-Brille, den ein Großteil der 450 Millionen Menschen, die seine von seltsamen Interessen getriebene Handelspolitik hätten ausbaden müssen, natürlich nicht kennt.

Und auch nie kennengelernt hätte, wenn er nicht an einem irischen Golfclub-Dinner mit 82 geladenen Gästen teilgenommen und dort in der Tombola einen George-Foreman-Kontaktgrill gewonnen hätte, obwohl seine Regierung Tage zuvor die zulässige Zahl von Golfclub-Dinner-Teilnehmern auf sechs reduziert hatte. Momente höchsten Glücks (Kontaktgrillgewinn; Gerät ab 31 Euro im qualifizierten Fachhandel) und größter Verzweiflung (Rücktritt, nachdem er von seinem Premierminister und der kompletten irischen Presse gegrillt worden war) können so nah beieinanderliegen. Smiley!


Martin Sonneborn (55) ist Satiriker, Journalist und Politiker. Er ist Bundesvorsitzender der Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die Partei) und seit 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments.

Jedenfalls konnte oder wollte von der Leyen ihren erfahrenen Kommissar nicht schützen und Hogan ist zurückgetreten. Mit sichtlichem Bedauern über den Arbeitsplatzverlust infolge der großkotzig "Golfgate" genannten "Affäre". Schöner wäre es allerdings gewesen, wenn er bedauert hätte, was er in der letzten Legislaturperiode als Agrarkommissar und Garant der Interessen der landwirtschaftlichen und agrochemischen Großindustrie oder mit der Forcierung des Mercosur-Abkommens in Europa und der Welt angerichtet hat.

Einem Deutschen wäre das nicht passiert

Hoffentlich finden die Iren schnell irgendeinen vorbestraften Kerl als Ersatz, der gut zu den vielen anderen fragwürdigen Kommissaren und Kommissarinnen passt.

Lustig übrigens, dass überhaupt jemand wegen eines Fehlers zurücktritt. Typisch Ausländer. Einem Deutschen wäre das nicht passiert. Mein alter Kumpel, Digital-Kommissar Oettinger, sprach so "frei von der Leber, as we say in German" despektierlich über Frauenquote und "Pflicht-Homoehe",dass ich nach seiner berühmten Hamburger Rede Juncker vorschlug, ihn zum Kommissar für Schlitzaugenbeleidigung zu befördern. Natürlich vergeblich. Selbst das Bekanntwerden von Freiflügen im Privatjet eines Lobbyisten konnte Oetti nicht dazu bewegen, sich intensiv mit dem Gedanken an eine berufliche Veränderung zu befassen.

Auch Frau von der Leyen hat sich trotz ihrer dubiosen ministeriellen Geschäfte mit überbezahlten Unternehmensberatungsgesellschaften und der versehentlichen Löschung aller davon auf ihrem Ministerhandy verbliebenen Spuren nicht selbst entlassen. Sie blieb genauso im Amt wie Verkehrtminister (Spaß) Andy B. Scheuert, der neben seinen Handydaten auch noch mehr als 600 Millionen Steuergelder in den Sand setzte (Ernst).

Ein gut gemeinter Rat an Erdogan

Und nun zu etwas ganz anderem. Ein gut gemeinter Rat noch an den Kollegen Erdogan: Verehrter Staatspräsident von der Türkei, dass Sie Angriffskriege führen in Syrien und im Irak – geschenkt, immerhin finanzieren wir Ihnen das mit Hunderten Millionen Euro EU-Vorbeitrittshilfen jährlich und Sie führen sie mit guten deutschen Waffen. Dass Sie herumzündeln in Libyen, im Libanon, in Bergkarabach und Armenien – Schwamm drüber. Aber dass Sie unsere EU-Grenzen bedrohen und Mitte August zwei Mal innerhalb von 24 Stunden mit einer Invasion griechischer Inseln gedroht haben, das geht zu weit. (Obwohl das ein interessanter Praxistest für die auf beiden Seiten zum Einsatz kommende deutsche Wertarbeit wäre: Howaldtswerke-Deutsche Werft GmbH vs. Rheinmetall AG.) Einen Vier- bis Sechsfrontenkrieg sollte sich selbst ein Tüp wie Sie zweimal überlegen; ich als Deutscher kann da nur abraten...

Schade, dass die "geopolitische Kommission" von der Leyens mit ihrem Außenbeauftragten Sepp "Wir müssen häufiger die Sprache der Macht sprechen!" Borell (vorbestraft, nicht zurückgetreten) trotz eines Eskalationsgrades im östlichen Mittelmeer, der nahe an der Kuba-Krise liegt, noch nicht einmal eine gemeinsame Sanktionsandrohung gegen die Türkei zustande gebracht hat, um zwei ihrer Mitglieder, Zypern und Griechenland, vor den Aggressionen eines Nichtmitglieds in Schutz zu nehmen.

Und was fehlt noch? Als Ratspräsident bestimmen wir Deutschen die Tagesordnung bei Ratstreffen. Wir könnten endlich, nach zwei Jahren Blockade durch die vier vorherigen Vorsitze, die sehr, sehr wichtige ePrivacy-Verordnung zur Abstimmung bringen. Und einfach das sogenannte "Country-by-Country-Reporting" nicht länger sabotieren, ein Gesetz, das den Steuervermeidungstricks großer Konzerne in der EU Grenzen setzen würde. Kenner der europapolitischen Szene gehen von einer Mehrheit im Rat für das Gesetz aus, es müsste nur jemand auf die Tagesordnung setzen. Vielleicht jemand, der Steuergerechtigkeit zu einem Schwerpunktthema seiner laufenden Ratspräsidentschaft erklärt hat. ZwinkerSmiley!

Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft reflektiert Martin Sonneborn für t-online.de auf satirische Art und Weise die Geschehnisse in der belgischen Hauptstadt. In seiner Kolumne blickt der 55-Jährige dabei auf das große Ganze – auf seine eigene Art.

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