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Nawalny ist tot: Was bleibt von der russischen Opposition übrig?


Opposition zersplittert
Nawalnys Erbe: Wen kann Putin noch fürchten?

Von t-online, wan

Aktualisiert am 02.03.2024Lesedauer: 4 Min.
imago images 117009424Vergrößern des BildesJulja Nawalnaja (Archivbild) will das Vermächtnis ihres Mannes bewahren und weiter gegen Putin kämpfen. Sie ist nicht alleine. (Quelle: Mikhail Pochuyev via www.imago-images.de/imago-images-bilder)
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Zur der Beerdigung von Alexej Nawalny kamen viele Menschen. Wer kann sein Erbe als Oppositionsführer antreten?

Nach dem Tod von Alexej Nawalny steht die russische Opposition zunächst ohne eine herausragende Führungsperson dar. Seine Frau Julja Nawalnaja hat angekündigt, seine Arbeit weiterführen zu wollen – sie kann dies aber nur aus dem Ausland tun. In Russland würde sie höchstwahrscheinlich sofort verhaftet werden. Dennoch kämpfen sie und ihr Team weiter – sie sind derzeit die wohl lautesten Stimmen der russischen Opposition – wie auch die vielen Teilnehmer an der Beerdigung zeigten.

Aber die Witwe des unter ungeklärten Umständen verstorbenen Kremlkritikers ist nicht die einzige, die Putin die Stirn bietet. Neben kritischen Medien wie die "Moscow Times" oder das unabhängige Nachrichtenportal "Meduza" gibt es noch einige wenige Russen, die den Diktator Putin offen kritisieren.

Die Exilanten

Irina Scherbakowa ist eine von ihnen. Sie hat die Menschenrechtsorganisation Memorial mitbegründet, die 2022 den Friedensnobelpreis erhielt. Kurz nach der Ankündigung der Preisvergabe wurden die Büros der Organisation beschlagnahmt. Scherbakowa war außer Landes, jetzt lebt die 75-Jährige in Berlin. Von dort aus kämpft sie weiter. Nach dem Tod Nawalnys hofft sie auf weitere Oppositionelle. "Aber ich hoffe, dass sich der Widerstand nicht nur auf diese eine Figur konzentriert. Die russische Opposition hat mehrere Gesichter", sagte sie dem Münchner Merkur.

Eine weitere bekannte Figur im Kreis der Putin-Gegner ist der ehemalige Oligarch Michail Chodorkowski. Er hatte sogar versucht, eine Art Oppositionskongress zu organisieren – allerdings erfolglos. Der 60-Jährige benutzt das Geld, dass er als einer der ehemals reichsten Männer Russlands scheffeln konnte, um die Oppositionsgruppe "Offenes Russland" zu unterstützen. Chodorkowski lebt in London, gibt immer wieder Interviews – eine Führungsperson wie Nawalny ist er aber nicht.

Zu seinem engen Kreis wird auch der ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow gezählt. Er war in Russland prominent, gilt heute als scharfer Putin-Kritiker, ist mit mehreren Preisen für seine Oppositionsarbeit ausgezeichnet worden. Er ist aber eher Einzelkämpfer als Galionsfigur einer größeren Bewegung.

Gleiches gilt für Maxim Katz. Er versucht wie auch Chodorkowski, die Gegner Putins zusammenzubringen, ohne dabei aber großen Erfolg zu haben. Das Nawalny-Team hatte solchen Bestrebungen immer wieder entgegengestanden – wohl auch, weil es einen Verlust an Einfluss befürchtete. Katz betreibt einen YouTube-Kanal mit fast zwei Millionen Abonnenten. Er lebt derzeit in Israel.

Die Opposition in Russland

Nur wenige hatten sich getraut, bei der Präsidentschaftswahl in diesem Monat gegen Wladimir Putin antreten zu wollen. Boris Nadeschdin hatte sich beworben, er hat in Russland einige Unterstützung. Die geforderten 105.000 Unterschriften, die er für die Wahlbewerbung brauchte, kamen schnell zusammen. Der Politiker, der 1999 in der Duma saß und seit 2019 Stadtrat von Dolgoprudny bei Moskau ist, erlangte Bekanntheit durch Auftritte im Fernsehen, bei denen er die Kremlpolitik kritisierte. So fordert der 60-Jährige den sofortigen Stopp des Kriegs gegen die Ukraine. Putin ließ ihn gewähren, wohl auch um zumindest den Anschein von demokratischen Wahlen zu wahren. Auf die Liste der Präsidentschaftschaftskandidaten hat er es dennoch bislang nicht geschafft: Zwei seiner Unterstützerunterschriften seien fehlerhaft gewesen, monierten die Behörden. Er legte Berufung ein, bislang erfolglos.

Ein ähnliches Schicksal ereilte Jekaterina Dunzowa. Die russische Journalistin und Politikerin wurde ebenfalls von der Wahl ausgeschlossen, weil es Fehler in ihren Wahlunterlagen gegeben haben soll.

Unter Beobachtung

Julia Galjamina gehört der Jabloko-Partei an, war stellvertretende Vorsitzende des Stadt-Parlaments in Moskau und ist mehrfach in Russland verhaftet worden. Bei einem Polizeieinsatz gegen sie brachen ihr Beamte nach Angaben der "Moscow Times" den Kiefer. Sie wurde 2020 zunächst wegen Verstößen gegen Versammlungsgesetze verurteilt, der Aufenthalt in einer Strafkolonie wurde ihr aber erlassen. Im März 2022 wurde sie erneut verhaftet, wieder wegen Verstößen bei Versammlungen. Im September 2022 wurde sie als "ausländische Agentin" eingestuft und verlor später ihren Job bei der Russischen Akademie für Nationale Wirtschaft und Verwaltung.

Jewgeni Roizman war einst Bürgermeister von Jekatarinburg und gilt als prominenter Putin-Gegner. Wegen eines YouTube-Videos wurde er im Mai vergangenen Jahres mit einer Geldstrafe belegt – er hatte den Krieg gegen die Ukraine kritisiert. Als er 2018 seinen Bürgermeisterposten aufgab, sagte er laut "Moscow Times": Es ist einfacher, Menschen zu kontrollieren, die arm und geschlagen sind als solche, denen es gut geht und die frei sind.

Beide Politiker haben eine gewisse Gefolgschaft, aber nicht annähernd die Popularität Nawalnys und seiner Organisation. Roizmann hält sich seit seiner recht geringen Geldstrafe ohnehin eher zurück. Galjamina organisiert Streiks und Petitionen, eine gegen die Mobilisierung erreichte sogar 500.000 Unterschriften.

Für den Politologen Andreas Umland sind eigentlich nur Nawalnys Witwe Julja Nawalnaja und der Putin-Herausforderer Boris Nadeschdin in der Lage, eine Oppositionsbewegung zu führen. Vor allem bei Letzterem sieht Umland im Gespräch mit t-online Chancen. Er habe "ein gewisses gesellschaftliches und politisches Gewicht. Er eignet sich am ehesten als neuer Oppositionsführer, aber wahrscheinlich nur, falls das Regime stärker in die Kritik gerät", sagte Umland. Nadeschdins Herausforderung dürfte sein, von der Nawalny-Bewegung anerkannt zu werden. Eine der Grundkrankheiten der russischen Opposition sei nämlich, dass diese immer wieder zerstritten ist.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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