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Israel greift Hisbollah an: Wie geht es den Menschen im Libanon? Deutsche berichten


Wie geht es den Menschen im Libanon?
"Wir wissen nicht, was wir machen sollen"


Aktualisiert am 02.10.2024Lesedauer: 5 Min.
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Ein zerstörtes Haus in einem Beiruter Vorort: Die Lage wird unsicherer. (Quelle: IMAGO/Bilal Jawich/imago)

Die Meldungen über getötete Hisbollah-Kommandeure häufen sich, zahlreiche Menschen sind gestorben. Doch wie erleben die Bürger im Libanon die Situation?

Täglich schlagen israelische Bomben im Libanon ein. Allein in der Nacht auf Dienstag gab es sechs Angriffe auf den nördlichen Nachbarn, am Dienstagmorgen ging es direkt weiter. Das Militär und die Regierung sehen diese Aktionen als Erfolg. In kurzer Zeit schaltete Israel große Teile der Führungsriege der Terrororganisation Hisbollah aus, inklusive des Anführers Hassan Nasrallah.

Was bei solchen Verkündungen schnell untergeht, ist die Situation der Menschen vor Ort. Allein am Montag starben innerhalb von 24 Stunden 95 Menschen, 172 weitere wurden verletzt. Viele davon hatten keinen Bezug zur Hisbollah. Zehntausende weitere flohen nach dem Start der israelischen Bodenoffensive aus dem Süden nach Beirut.

Doch auch dort leben die Menschen aufgrund der Angriffe in Angst. Niemand weiß, wie es weitergeht, die Lage ist unberechenbar. Dennoch müssen sie ihr Leben gestalten. Wie erleben die Leute die Situation? t-online hat mit Menschen gesprochen, die aktuell im Libanon leben.

"Wir wissen nicht, was wir machen sollen"

Auf die Frage, wie es ihr geht, antwortet Nicole Hamouche mit "fifty, fifty". Sie versuche, positiv zu bleiben, doch das gelinge in diesen Tagen immer seltener. Die französisch-libanesische Journalistin lebt in Beirut und erlebt die Angriffe täglich. "Wir fühlen uns nicht sicher. Wir wissen nicht, was wir machen sollen." Ihre Stimme klingt verzweifelt, es sei eine "tragische Situation".

In der vergangenen Nacht seien israelische Drohnen über ihr Haus geflogen. Hamouche macht dies Angst. Sie lebt in einem christlichen Viertel. "Das ist reines Wohngebiet, hier gibt es keine Hisbollah und auch keine Palästinenser. Was machen die hier?"

Solche Erlebnisse schüren die Unsicherheit. Das Gefühl: Es gibt keine Hoffnung auf Besserung, die libanesische Bevölkerung wird vergessen. "Wir werden unserem Schicksal überlassen." Enttäuscht zeigt sie sich auch von ihrer zweiten Heimat. Sie hat 14 Jahre in Frankreich gelebt und eine westliche Ausbildung erfahren. Dort sei es stets um die Wichtigkeit der Demokratie gegangen. "Ich bin jetzt schockiert von den Doppelstandards. Anderswo kümmern sie sich nicht um Demokratie."

Es gibt auch Hoffnung: die libanesische Solidarität

Erst kürzlich habe die französische Botschaft informiert, dass ein Schiff aus Frankreich Richtung Libanon unterwegs sei und für eine mögliche Evakuierung bereitstehe. Für Hamouche ist das kaum ein Trost. "Ich will kein Schiff, ich will Lösungen." Zwar signalisiere die Regierung ihre Verbundenheit mit dem Libanon, tue aber wenig zur Stabilisierung der Lage."Meine Mutter lebt hier. Sie ist 90 Jahre alt und will nicht weg. Was soll ich mit ihr machen?"

Eine Million Menschen sind laut der libanesischen Regierung im Land auf der Flucht, viele kamen aus dem Süden nach Beirut, insbesondere nach dem Beginn der Bodenoffensive. Lesen Sie hier mehr zu den Zielen der Vertriebenen.

Doch es gebe in dieser düsteren Zeit auch Hoffnung, findet Hamouche: "Die libanesische Solidarität ist großartig. Die Vertriebenen sind überall willkommen, jeder hilft."

2.000 Mahlzeiten für die Bedürftigen

Das nimmt auch Katrin Prütz wahr. Die 54-Jährige stammt ursprünglich aus Greifswald, lebt nun aber bereits seit fast 20 Jahren im Libanon. Auch sie beschreibt die Solidarität als "unwahrscheinlich groß". Man sei unter Gleichgesinnten. So würden auch Christen und Muslime in diesen Tagen zusammenhalten. Einen neuen Bürgerkrieg wolle niemand. Sie sei tief beeindruckt, wie Menschen trotz persönlicher Schicksale immer wieder hilfsbereit seien.

Auch Prütz' Sohn Henry engagiert sich für die Geflüchteten aus dem Süden. Eigentlich betreibt er das deutsche Restaurant "Zur Krone" nördlich von Beirut, nun kocht er für diejenigen, die teils nur auf Matratzen auf den Straßen schlafen, nachdem sie vor der israelischen Armee geflüchtet sind. 2.000 Mahlzeiten am Tag bereitet er mit anderen Helfern zu, zudem stellt er Equipment seines Restaurants zur Verfügung. Nebenbei organisiert er Spenden, um Lebensmittel kaufen zu können.

Auch er habe beim Kochen permanent die israelischen Drohnen über den Köpfen wahrgenommen. Das sei "schon unangenehm", berichtet seine Mutter. Eigentlich will Henry Prütz selbst etwas über die Situation im Libanon erzählen. Doch dazu kommt er an diesem Tag doch nicht mehr, zu viel gibt es zu tun. Er kann nur kurz bei WhatsApp antworten, auch Pausen hat er erst einmal nicht.

Flug gecancelt: Zu unsicher

Seine Mutter würde auch gerne helfen, doch die Betreiberin eines Schönheitssalons befindet sich aus beruflichen Gründen seit Donnerstag in Kuwait. Am Dienstag wollte sie zurückfliegen, doch das ging nicht. Der Weg vom Flughafen führt durch schwer bombardiertes Gebiet. Es war nicht klar, ob eine Durchfahrt möglich ist.

Und so kann sie aktuell nur aus der Ferne zuschauen, wie sich die Lage seit ihrer Abreise deutlich verschlimmert hat. Am Freitag tötete die israelische Luftwaffe den Hisbollah-Chef Nasrallah, seitdem werden die Angriffe mehr, nun die Bodenoffensive. Die Sorge sei groß, weil viel Unsicherheit besteht. Die Eltern einiger Freunde von Prütz leben im Süden, erzählt sie. Niemand wisse, ob sie die Nacht überstanden haben.

Der Tod von Nasrallah habe im Land viel Erschütterung hervorgerufen, berichtet sie. Selbst Hisbollah-Gegner machen sich Sorgen: "Nasrallah hat uns immer das Gefühl gegeben, die Aktionen der Hisbollah sind unter Kontrolle. Jetzt besteht das Sicherheitsrisiko, dass es unter einer neuen Führung anders werden könnte." Nämlich schlimmer.

Nach dem Psychoterror folgten die Bomben

Bereits seit einem Jahr lebe man mit einem Angstgefühl. Nach dem erneuten Ausbruch des Konflikts zwischen Israel und der Hamas sei klar gewesen: "Wir sind die Nächsten. Es war nur eine Frage der Zeit." Zunächst habe man nur "Psychoterror" erlebt, etwa durch Flugzeuge, die die Schallmauer durchbrechen. Dann kamen die Bomben.

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Zwar fallen diese primär auf den Süden, dennoch sei es ein beängstigendes Gefühl, die Flugzeuge über dem eigenen Haus zu hören – mit dem Wissen, sie könnten eine Bombe transportieren. "Aber man gewöhnt sich auch irgendwann daran, so schrecklich das klingt", erklärt Prütz.

So habe man bis zum vergangenen Freitag noch versucht, das Leben auszukosten, so gut es eben geht. Das Restaurant ihres Sohnes sei bis zum letzten Tag ausgebucht gewesen, sie selbst war in der vergangenen Woche noch auf einer Party in einem Club und am Strand. "Man genießt das Leben so, wie es kommt."

Das Land verlassen? Nur im Notfall

Selbst nach den schweren Angriffen geht das Leben weiter. Leute hätten bereits Termine in ihrem Kosmetikstudio ausgemacht, berichtet Prütz. Man könne sich frei bewegen, die Bevölkerung geht normal zur Arbeit, schließlich muss die Infrastruktur aufrechterhalten werden. "Und nebenbei versuchen noch alle, so gut es geht zu helfen."

Das Land verlassen wolle sie nicht. "Trotz der Angst und ständigen Bedrohung muss ich sagen: Das Leben im Libanon ist so schön und lebenswert." Dennoch habe sie mit ihrem Sohn für den Notfall bereits über Alternativen gesprochen und sich einen Plan B überlegt. "Wir wissen von anderen, dass man ganz gut über Syrien nach Jordanien kommt, über die Türkei muss man es erst gar nicht versuchen." Doch dieser Plan soll möglichst nie umgesetzt werden.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Nicole Hamouche
  • Gespräch mit Katrin Prütz
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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