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"Putins Bluthund": Ramsan Kadyrow steckt hinter Entführungen in Russland


Wegen Schwäche Putins?
Rätselhafte Entführungen in Russland

Von t-online
Aktualisiert am 05.06.2025 - 15:55 UhrLesedauer: 4 Min.
Der russische Präsident Putin (links) und der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow: Der Kaukasus-Herrscher hat russischen Abgeordneten gedroht.Vergrößern des Bildes
Der russische Präsident Putin (l.) und der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow: Der Kaukasus-Herrscher entführt immer wieder Menschen aus Russland. (Quelle: IMAGO/Vyacheslav Prokofyev)
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In Russland kommt es vermehrt zu Entführungen von Kritikern und Homosexuellen nach Tschetschenien. Dahinter steckt "Putins Bluthund" Kadyrow. Ist es Zeichen eines Bruchs?

Vier Personen tragen einen Mann an Händen und Füßen durch einen Bahnhof, während er sich nach Kräften zu wehren versucht. Immer wieder ruft er "Hilfe!", "Tun Sie das nicht!" und "Polizei!" Doch Hilfe kommt nicht. Schließlich zerren sie ihn in den Kofferraum eines schwarzen Mercedes und fahren davon. Später sitzen die vier Männer zwar noch in dem Wagen, der Weggetragene ist aber verschwunden.

Passiert ist die Szene mitten im Zentrum Moskaus. Die Aufnahme, die von den Telegram-Kanälen "Baza" und "Ostorozhno, Novosti" verbreitet wurde, zeigt offensichtlich eine Entführung. Doch aus der autonomen Republik Tschetschenien kommt eine ganz andere Darstellung. Der dortige Minister für nationale Politik, Außenbeziehungen und Information, Achmed Dudajew, betont, es habe sich um eine Festnahme und keine Entführung gehandelt.

Bei dem entführten Mann handelt es sich um Areg Shchepikhin, berichtet das russische Exilmedium "Meduza". Der Geschäftsmann war zuvor mit Beiträgen aufgefallen, in denen er sich gegen Tschetschenien und die dort vorherrschende Religion Islam richtete.

Putin hat Kadyrow das "Volk als Leibeigene übergeben"

Es ist ein Muster, das sich in den vergangenen Monaten bereits mehrfach wiederholt hat. Überall in Russland wurden tschetschenische Regierungskritiker oder Homosexuelle entführt. Später hieß es oftmals, die betroffenen Personen seien lediglich als Zeugen nach Tschetschenien gebracht worden. Der russische Staat unternimmt wenig gegen das rabiate Vorgehen. Das verrät viel über die neue Dynamik zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem tschetschenischen Herrscher Ramsan Kadyrow, der einst als "Putins Bluthund" bezeichnet wurde.

Nachdem Kadyrow und sein Vater in den 1990er-Jahren im ersten Tschetschenienkrieg noch gegen Russland gekämpft hatten, zog Putin ihn später auf seine Seite. Seit 2007 herrscht Kadyrow in der autonomen Region und unterstützt Putin seitdem lautstark. Zudem unterdrückt er separatistische Stimmungen und politischen Dissens vor Ort. Im Gegenzug herrscht er in seiner Heimat mit eiserner Hand – und ohne großen Einfluss aus Moskau. "Putin hat eine Vereinbarung mit Kadyrow geschlossen und ihm das tschetschenische Volk als Leibeigene übergeben", sagt etwa Ilja Jaschin, ein russischer Oppositionspolitiker.

Mehrere Entführungen in ganz Russland nach Tschetschenien

Doch nun wird Kadyrow auch zunehmend außerhalb der eigenen Grenzen aktiv, mit diversen Entführungen in den vergangenen Monaten. Anfang des Jahres zerrten Entführer etwa Zarema Musayeva aus ihrem Wohnhaus in Zentralrussland und brachten sie ins 1.770 Kilometer entfernte Tschetschenien. Offiziell sollte sie Zeugin in einem Betrugsfall sein.

Vielmehr dürfte es sich aber um eine gezielte Aktion gegen ihre beiden Söhne handeln, die prominente Kritiker der tschetschenischen Regierung sind und im Ausland leben. "Das ist eine Geiselnahme mit der Forderung, dass bestimmte Personen – ich und mein Bruder – nach Tschetschenien zurückkehren, um von Kadyrow gelyncht zu werden", sagte ihr Sohn Abubakar Yangulbayev der "New York Times". "Das ist typisches terroristisches Verhalten."

In einem anderen Fall wurden laut dem US-Sender ABC zwei tschetschenische Homosexuelle, die aus Kadyrows Machtbereich nach Nischni Nowgorod geflüchtet waren, aus ihrer Wohnung entführt und waren zunächst unauffindbar. Auch sie seien nach tschetschenischen Angaben lediglich als Zeugen nach Tschetschenien gebracht worden.

In der Vergangenheit ging Tschetschenien brutal gegen Homosexuelle vor. Immer wieder gab es Berichte über Folterungen. Die tschetschenischen Behörden wiesen die Vorwürfe zurück und erklärten den Medien wiederholt, dass es in Tschetschenien keine Homosexualität gebe und Homosexuelle keine Tschetschenen sein könnten.

Der Aufstand gegen Putin wächst

Die russische Regierung sah meist tatenlos zu, wie die tschetschenischen Sicherheitskräfte in ganz Russland Menschen brutal entführten. Putin ist in einer verzwickten Lage. Das Aufbäumen seines einstigen "Bluthundes" stellt ihn vor Probleme im eigenen Land. Gleichzeitig ist er noch auf den Einfluss Kadyrows angewiesen.

Bei einem Treffen der beiden kurz nach der Entführung von Zarema Musayeva erklärte Kremlsprecher Dimitri Peskow, es seien "Themen im Zusammenhang mit der Arbeit der Strafverfolgungsbehörden" angesprochen worden, ohne dass es zu weiteren Ausführungen oder Verurteilungen gekommen sei.

Derweil waren die Aktionen des tschetschenischen Staatschefs ein Top-Thema in Russlands unabhängigen Exilmedien. Eine Petition zur Absetzung Kadyrows als tschetschenischer Staatschef hat 200.000 Unterschriften erhalten. Die Vorfälle zeigten nun, dass "die Geographie dieser Entführungen sich ausweitet", sagte Olga Sadowskaja vom russischen Komitee gegen Folter der "New York Times". Tanya Lokshina von Human Rights Watch betont: "So zeigt Herr Kadyrow dem Kreml, dass er die Kontrolle hat."

Ist Putin verwundbar?

Einige Kritiker interpretieren das Schweigen des Kremls zu diesem Thema als Zeichen der Verwundbarkeit von Putins Regierung. "Dies deutet darauf hin, dass die Regierung im Kampf gegen Kadyrow relativ gesehen schwach ist und dass der Kreml diese Schwäche spürt und versteht", sagte Sadovskaya vom Komitee gegen Folter der "New York Times". So glauben Experten, dass Putin weiterhin nichts gegen die Entführungen unternehme, solange es niemanden aus seinem Umfeld treffe.

Ibragim Yangulbayev, Schwager der entführten Musayeva, der sich für die Unabhängigkeit Tschetscheniens einsetzt, sagte der "New York Times", Kadyrow sei ein "reines Projekt des Kremls". Er glaubt, dass Kadyrows Vorgehen durchaus im Interesse des Kremls sei. "Putin hat Kadyrow an die Macht gebracht, um Tschetschenien mit Gewalt in einem Zustand zu halten, in dem Tschetschenien überhaupt nicht an Unabhängigkeit denkt", sagte er. Deshalb würden seine Schergen "Leute entführen, die sagen, was sie denken."

Verwendete Quellen

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