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Presseschau zur Italien-Wahl: "'Leck mich' ist noch kein Regierungsprogramm"


"'Leck mich' ist noch kein Regierungsprogramm"

Von afp, dpa
06.03.2018Lesedauer: 3 Min.
Matteo Salvini, Parteivorstand der Lega Nord: Kommt es in Italien zu einem Bündnis von Rechtspopulisten und Fünf-Sterne-Bewegung?Vergrößern des BildesMatteo Salvini, Parteivorstand der Lega Nord: Kommt es in Italien zu einem Bündnis von Rechtspopulisten und Fünf-Sterne-Bewegung? (Quelle: Antonio Calanni/dpa-bilder)
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Populisten und Rechtsextreme sind die Gewinner der Parlamentswahl in Italien, eine Regierungsbildung wird kompliziert. Die europäische Presse blickt mit Sorge nach Rom.

Die französische Zeitung "Le Monde" aus Paris kommentiert das Wahlergebnis in Italien so: "Deutlich mehr als die Hälfte der italienischen Wähler hat für Anti-System-Formationen gestimmt. Die Sozialdemokraten des früheren Ministerpräsidenten Matteo Renzi bestätigen dagegen die europaweite Tendenz des Zusammenbruchs der Mitte-links-Parteien. Es ist ein auf traurige Weise vertrautes Bild: Frankreich ist 2017 nur dank seines Systems mit zwei Wahlrunden einer ähnlichen Katastrophe entgangen. Die Vereinigten Staaten haben 2016 Donald Trump gewählt, fünf Monate nach dem Votum der britischen Wähler für den Brexit. Italien will zwar nicht aus der Europäischen Union austreten. Aber es wird alles tun, um sie am Fortkommen zu hindern."

Die in London erscheinende "Financial Times" sieht es so: "Jeglicher Fortschritt Italiens wird aufs Spiel gesetzt, wenn Populisten bei der Regierungsbildung die Führung übernehmen, was durchaus möglich erscheint. Sollten sie sich an ihre Wahlversprechen halten, könnten sich Renten- und Arbeitsmarktreformen sowie finanzielle Kontrolle in nichts auflösen. Das würde Italien auf Konfrontationskurs zur Europäischen Zentralbank bringen. Im schlimmsten Fall könnte die vom früheren Komiker Beppe Grillo gegründete Establishment-feindliche Fünf-Sterne-Bewegung mit der ausländerfeindlichen Lega von Matteo Salvini zusammengehen, auch wenn ideologische Differenzen eigentlich dagegen sprechen. Italien braucht eine stabile Regierung, um Reformen fortsetzten zu können, die das Land bereits auf eine solidere Grundlage gestellt haben. Aber es wird sie nicht bekommen. Man kann nur hoffen, dass die Populisten, wenn sie einmal im Amt sind, darauf bedacht sein werden, die Wirtschaft nicht entgleisen zu lassen und ihre Politik entsprechend mäßigen."

Die "Neue Zürcher Zeitung" meint: "Die Polemik um die Immigranten drängte jede Diskussion um die beiden wichtigsten strukturellen Probleme Italiens in den Hintergrund: die Überschuldung des Staats und die Verlotterung der Justiz. Beide Probleme wurden von der Politik geschaffen, sie müssen auch von der Politik gelöst werden. Die Überschuldung Italiens – zu Recht ist von einer "Zeitbombe" die Rede – stellt eine akute Gefahr nicht nur für das Land selbst, sondern für ganz Europa dar. Sie liegt bei über 130 Prozent des Bruttoinlandprodukts, bei einem Ansteigen der Zinsen droht schnell der Staatsbankrott. Ein solcher wurde an der turbulenten Jahreswende 2011/12 mit knapper Not abgewendet, und seither erhielt Italien Hilfe von der Europäischen Zentralbank. Die finanzpolitische Frivolität führender Politiker wurde dadurch wohl eher gefördert als gebremst."

"Stinkefinger gegen die verhasste 'Parteienkaste'"

"Die Presse" aus Wien schreibt: "Dieses Wahlergebnis ist aber vor allem eine spezifisch italienische Revolution. Und sie fand verstärkt im verarmten Süden statt. Hier siegte die Fünf-Sterne-Bewegung haushoch – und nicht nur mit Antimigrationsparolen. Hauptmotivation für das Votum ist das lautstarke 'Leck mich' ('Vaffanculo'), der 'Kampfschrei', der vor zehn Jahren die 'Grillini' (benannt nach Parteigründer Beppe Grillo) groß gemacht hat. Hauptbotschaft ist ein riesiger, symbolischer Stinkefinger gegen die verhasste 'Parteienkaste'. Doch 'Leck mich' ist noch kein Regierungsprogramm. Und somit steht Luigi Di Maio der wahre Härtetest noch bevor: die Begegnung mit der Realität.

Will der Saubermacher wirklich regieren, muss er sich jetzt die Hände schmutzig machen. Der 31-Jährige wird gezwungen sein, mit der verhassten Kaste zu feilschen, paktieren, Kompromisse zu schließen und Zugeständnisse zu machen. Er wird eingestehen müssen, dass viele seiner schönen Zukunftspläne einfach nur Seifenblasenträume sind. An der Macht kann es daher nur einen 'entzauberten Grillino' geben. Fraglich ist, ob die Basis da mitmacht – und ob sich die Bewegung diesen Realitätscheck wirklich antun wird."

"Welle der Unzufriedenheit"

In der spanischen Zeitung "El País" aus Madrid ist zu lesen: "Die Welle der Unzufriedenheit mit der politischen Klasse, die durch die Demokratien schwappt, hat Italien mit ungewöhnlicher Kraft erreicht und einige der durch ihren Umgang mit der Wirtschaftskrise bereits geschwächte Parteien hinweggefegt. Italien hat intern abgestimmt, aber das Ergebnis der Wahl verleiht den fremdenfeindlichen und antieuropäischen Bewegungen des Kontinents Flügel. Jetzt muss dringend auf europäischer Ebene darüber nachgedacht werden, wie man den Bürgern das Vertrauen und den demokratischen Systemen und Parteien die Regierbarkeit zurückgeben kann."

Die dänische Tageszeitung "Politiken" aus Kopenhagen schreibt: "Selten hatte eine Parlamentswahl ein so undurchsichtiges Ergebnis – ohne offensichtlichen Weg zu einem nationalen Kompromiss. Italien und die EU müssen darüber nachdenken, dass jeder Dritte Italiener eine Protestpartei gewählt hat, die nicht notwendigerweise bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Andere haben den rechten Flügel – mit der unsolidarischen Lega, Steuerbetrüger Berlusconi, der nicht regieren darf, und einer kleinen Faschistenpartei, die nicht regieren sollte – mit einem Drittel der Stimmen zu einem genauso wichtigen Block gemacht. Das Ergebnis ist ein Problem für die EU-Partner, aber zu allererst für Italien selbst."

Verwendete Quellen
  • dpa, AFP
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