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Umsturz in Bolivien: Präsident Evo Morales tritt zurück – und spricht von "Putsch"


Umsturz in Bolivien
Präsident Morales tritt zurück – und spricht von "Putsch"

Von afp, dpa, dru, aj

Aktualisiert am 11.11.2019Lesedauer: 4 Min.
Boliviens Staatschef Morales tritt zurück: Seit der mutmaßlich manipulierten Präsidentschaftswahl am 20. Oktober kam das Land nicht zur Ruhe.Vergrößern des BildesBoliviens Staatschef Morales tritt zurück: Seit der mutmaßlich manipulierten Präsidentschaftswahl am 20. Oktober kam das Land nicht zur Ruhe. (Quelle: Juan Karita/ap)
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Nach wochenlangen Protesten in Bolivien haben sich am Sonntag die Ereignisse überschlagen. Armee und Polizei rückten von Präsident Morales ab. Dieser kündigte im Fernsehen seinen Rücktritt an.

Der Machtkampf in Bolivien hat am Sonntag eine dramatische Entwicklung genommen. Nachdem sich die Kommandeure von Armee und Polizei gegen Präsident Evo Morales gestellt hatten, kündigte dieser im Fernsehen seinen Rücktritt an. Er habe dem Parlament ein Rücktrittsschreiben geschickt, sagte der linke Staatschef. Morales regierte Bolivien 13 Jahre lang.

Armeechef Williams Kaliman hatte den Staatschef zuvor in einer Ansprache aufgefordert, sein Amt zu räumen. Dies solle eine "Befriedung" des Landes und den "Erhalt der Stabilität" ermöglichen, sagte er vor Journalisten. Unabhängig von Kaliman rief auch der Chef der Nationalen Polizei Morales zum Rücktritt auf. Der Präsident solle sich der Bitte des bolivianischen Volkes anschließen und zurücktreten, erklärte er. Morales und seine Verbündeten in der Region sprachen von einem Putsch. Wer nun Bolivien regiert, war zunächst unklar.

Versprechen von Neuwahlen kam zu spät

Nur Stunden zuvor hatte der Staatschef als Reaktion auf die heftigen Proteste im Land Neuwahlen angekündigt. "Ich habe beschlossen, neue nationale Wahlen auszurufen, damit das bolivianische Volk seine neue Regierung auf demokratischen Weise wählen kann, unter Einbeziehung neuer politischer Akteure", sagte er nach Angaben der bolivianischen Nachrichtenagentur ABI am Sonntag.

Dem war die Veröffentlichung eines vorläufigen Berichts der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) vorausgegangen, die Manipulationen bei der Präsidentenwahl vor drei Wochen festgestellt hatte. Mehrere Kabinettsminister sowie der Präsident der Abgeordnetenkammer, Víctor Borda, und die Chefin des Wahltribunals, María Choque Quispe, erklärten ihre Rücktritte.

Die Generalstaatsanwaltschaft kündigte Ermittlungen gegen Mitglieder des Wahltribunals wegen der Unregelmäßigkeiten bei der Wahl an. Der Oppositionsführer Luis Fernando Camacho brachte inmitten einer riesigen Menschenmenge ein Rücktrittsschreiben für Morales zum Präsidentenpalast in La Paz, wie die Zeitung "El Deber" berichtete. Es gab auch Berichte von neuer Gewalt – unter anderem soll das Haus der Schwester von Morales angezündet worden sein.

Wer soll nun regieren?

Zahlreiche Vertreter von Morales' Lager legten am Sonntag ihre Ämter nieder, darunter auch der Vizepräsident Álvaro García Linera und die Senatspräsidentin Adriana Salvatierra, die laut Verfassung als seine Nachfolger infrage gekommen wären. Medien spekulierten, dass die Vizepräsidentin des Senats, die Oppositionspolitikerin Jeanine Añez, vorübergehend die Macht übernehmen werde. Dem Nachrichtenportal Infobae sagte sie, das Parlament müsse sie zur Interimspräsidentin ernennen, nachdem es den Rücktritt von Morales bestätigt habe.

Berichten zufolge hielt sich Morales im zentralbolivianischen Cochabamba auf, wo er seinen Zweitwohnsitz hat. Oppositionsführer Camacho twitterte, es gebe einen Haftbefehl gegen Morales. Mexikos Außenminister Marcelo Ebrard schrieb auf Twitter, sein Land wolle Morales Asyl gewähren, sollte dieser sich dafür entscheiden. Morales schrieb: "Ich will, dass das bolivianische Volk weiß, dass ich keinen Grund habe, zu fliehen." Er habe schließlich nichts gestohlen.

Ebrard sprach von einem Putsch gegen Morales - ebenso wie die Präsidenten der sozialistisch regierten Länder Venezuela und Kuba, Nicolás Maduro und Miguel Díaz-Canel. Auch der gemäßigt linke Alberto Fernández, der gerade gewählte nächste Präsident Argentiniens, schrieb, sein Land müsse jede Art von Putsch kategorisch ablehnen. Der Außenminister der rechten Regierung Brasiliens, Ernesto Araújo, twitterte hingegen: "In Bolivien gibt es keinen Putsch. Der Versuch eines massiven Wahlbetrugs hat Evo Morales die Legitimität entzogen."

Internationale Kritik an der Wahl

Nach der ersten Runde der Präsidentenwahl am 20. Oktober hatte sich Morales direkt zum Sieger erklärt, obwohl die Opposition, aber auch die OAS und die EU erhebliche Zweifel anmeldeten. Seitdem liefern sich seine Anhänger und Gegner fast täglich heftige Auseinandersetzungen. Mindestens drei Menschen kamen ums Leben.

Morales ist der dienstälteste Präsident des Kontinents. Bereits seit 2006 leitet der frühere Koka-Bauer die Geschicke Boliviens. Er sprach zuletzt von einem Putschversuch gewalttätiger Gruppen. Berichten zufolge rebellierten in mehreren Regionen des Landes auch Polizisten gegen ihn. Oppositionsführer Camacho dankte der Polizei auf Twitter dafür, dass sie auf der Seite des Volkes stehe.

Zwar floriert Bolivien unter dem linken Präsidenten, die Förderung von Gas und Lithium bescherte dem Armenhaus Südamerikas zeitweise Wachstumsraten von mehr als sechs Prozent. Doch das zunehmend selbstherrliche und autoritäre Gehabe des indigenen Staatschefs stößt immer mehr Bolivianern bitter auf. Vor allem die Menschen im wirtschaftlich starken Osten des Landes fühlen sich von Morales über den Tisch gezogen.


Papst Franziskus mahnte angesichts des Konflikts zur Besonnenheit. Franziskus stammt aus Argentinien, dem südlichen Nachbarland Boliviens. Das Oberhaupt der katholischen Kirche sprach am Sonntag nach dem traditionellen Angelus-Gebet vor Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, rief alle Beteiligten dazu auf, eine friedliche Lösung zu suchen. Er sei zutiefst besorgt über die Situation in Bolivien, hieß es in einer Mitteilung seines Sprechers, Stéphane Dujarric.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen AFP, dpa
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