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Coronavirus-Pandemie: Großbritannien droht das unterschätzte Desaster


Unvorbereitet und unterschätzt
Großbritannien droht das Corona-Desaster

dpa, Von Silvia Kusidlo

Aktualisiert am 19.03.2020Lesedauer: 3 Min.
Premierminister Boris Johnson spricht mit einem Patienten im West Cornwall Community Hospital: Nach offiziellen Schätzungen sind in Großbritannien bereits Zehntausende mit dem Coronavirus infiziert.Vergrößern des BildesPremierminister Boris Johnson spricht mit einem Patienten im West Cornwall Community Hospital: Nach offiziellen Schätzungen sind in Großbritannien bereits Zehntausende mit dem Coronavirus infiziert. (Quelle: dpa-bilder)
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In Großbritannien wächst die Angst vor dem Coronavirus. Das zögerliche Handeln von Premierminister Boris Johnson könnte wertvolle Zeit gekostet haben.

Der britische Premierminister Boris Johnson vergleicht die große Corona-Bedrohung mit einem Feind auf dem Schlachtfeld. "Wir sind in einen Krieg gegen diese Krankheit verwickelt, den wir gewinnen müssen", schmetterte Johnson im Kabinett los. Allerdings: Er kämpft mit ziemlich stumpfen Waffen. In seiner Strategie, das Coronavirus abzuwehren, machte er der Meinung vieler Experten nach gleich am Anfang einen großen Fehler. Außerdem ist der staatliche Gesundheitsdienst NHS seit Jahren völlig überlastet und marode. Ist auf diese Weise ein Krieg gegen einen unsichtbaren Feind zu gewinnen?

In Großbritannien mangelt es an Akutbetten und vor allem an Beatmungsgeräten, die vielen Covid-19-Lungenkranken das Leben retten könnten. In seiner Not – erst vor wenigen Tagen – fragte Johnson sogar bei Autobauern nach, ob sie nicht auch solche Apparaturen bauen könnten. Derzeit hat der NHS nur 4.000 Geräte für Erwachsene und 900 für Kinder. Nach einem Bericht der BBC braucht der NHS beim schlimmsten Szenario noch einmal 20.000 solcher Beatmungsgeräte.

Großbritanniens Gesundheitssystem ist marode

Auch Ärzte und Pflegepersonal fehlen; die Unsicherheiten in Brexit-Zeiten haben viele von ihnen aus dem Land getrieben. Der vor allem mit Steuermitteln finanzierte NHS wurde kaputtgespart. Einen Termin bei einem Hausarzt zu bekommen, erfordert viel Geduld. Operationen müssen wegen Personalnot immer wieder verschoben werden. Und im Winter, wenn die Grippefälle hinzukommen, steht der NHS regelmäßig kurz vor dem Kollaps. Sogar Polizeifahrzeuge mussten schon Patienten in Kliniken bringen, weil es auch an Rettungswagen fehlte. Die Gesundheitsversorgung war daher ein zentrales Thema beim Brexit und bei den Wahlen im vergangenen Dezember.

"Ich traue dem NHS überhaupt nicht, die sind seit mehr als zehn Jahren total unterfinanziert", sagte Felix Simon, der angesichts der Corona-Krise seine Sachen gepackt hat und jetzt in der Umgebung von Frankfurt vorsichtshalber zwei Wochen lang in Selbstisolation lebt. Anschließend möchte er zu seinen Eltern und Großeltern in der Nähe. Sein Onkel ist Mediziner in München und hat bereits Patienten mit dem neuartigen Coronavirus behandelt. "Er hat mir dringend geraten, Großbritannien zu verlassen", berichtete Simon, der seit 2016 in England lebte und Doktorand an der renommierten Universität Oxford ist. Fast alle seine Freunde hätten Großbritannien verlassen.

Bereits Zehntausende Infizierte nach offiziellen Schätzungen

Kritiker warfen Johnson nach seinen ersten Äußerungen vor, mit viel zu laschen Maßnahmen auf die Pandemie zu reagieren und nicht den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation zu folgen. Verschiedene Prognosen gingen von etwa 200.000 bis 500.000 Toten im Land aus. Die Regierung wollte mit kleinen Schritten verhindern, dass der Ausbruch zu stark unterdrückt wird und im Herbst mit voller Wucht zurückkommt.

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Schließlich machte Johnsons Team eine Kehrtwende und erhöhte die Schutzmaßnahmen – inzwischen wird praktisch von allen sozialen Kontakten abgeraten und Homeoffice empfohlen. Kein Bier mehr im Pub trinken und die Familie soll samt Oma und Opa auf den Sonntagsbraten im Restaurant verzichten. Kultureinrichtungen wurden geschlossen. Wer wegen seines hohen Alters oder Vorerkrankungen einer Risikogruppe angehört, muss sich in eine dreimonatige Selbstisolation begeben. Am Freitag schließen alle Schulen im Land. In der Millionenmetropole London wird mit einer baldigen Ausgangssperre gerechnet.

Ziel sei es nun, "die Zahl der Toten unter 20.000 zu halten", sagte der Mediziner Patrick Vallance, der die Regierung berät. "Das wäre ein gutes Ergebnis." Dennoch sei das natürlich immer noch schrecklich. Kritiker fürchten jedoch, dass Johnsons Schlingerkurs wertvolle Zeit im Kampf gegen das Virus gekostet haben könnte.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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