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New York zwischen Rassismus und Corona: "Nicht mehr dieselbe Stadt"


New York in zwei Krisen
"Das ist nicht mehr dieselbe Stadt"

dpa, Christina Horsten

Aktualisiert am 08.06.2020Lesedauer: 4 Min.
Blick auf die Brooklyn Bridge, die Brooklyn mit Manhattan verbindet: New York wurde von der Corona-Krise besonders hart getroffen.Vergrößern des BildesBlick auf die Brooklyn Bridge, die Brooklyn mit Manhattan verbindet: New York wurde von der Corona-Krise besonders hart getroffen. (Quelle: Jeenah Moon/Reuters-bilder)
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New York City wurde von der Corona-Krise heftig getroffen, dazu kamen die Proteste gegen Rassismus – zum Teil begleitet von Vandalismus. Die lahmgelegte Metropole soll nun zwischen zwei Krisen langsam wieder erwachen.

Viele klatschen, manche jubeln, wieder andere schlagen auf Töpfe, Pfannen oder Tamburins: Der allabendliche Applaus für Krankenhaus-Mitarbeiter und andere systemrelevant Berufstätige ist für die New Yorker in der Corona-Pandemie längst zur geliebten Routine geworden – jetzt aber mischen sich immer häufiger neue Töne darunter. "Black Lives Matter", schallt es aus den Fenstern und die Rufe hallen zusammen mit dem Applaus durch die Hochhausschluchten wieder – "die Leben von Schwarzen sind von Bedeutung".

Seit rund 100 Tagen ist das besonders stark von der Corona-Pandemie betroffene New York fest im Griff der Krise. Gerade gab es aus den Krankenhäusern erste Hoffnungszeichen, da brach mit dem Tod des Afroamerikaners George Floyd nach einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis die zweite Krise über die Millionenmetropole hinein – vor allem mit friedlichen Massenprotesten, aber auch mit Ausschreitungen, Plünderungen und nächtlichen Ausgangssperren. Zu Leid kommt noch mehr Leid hinzu – und Wut. Zu einer Krise des Gesundheitssystems kommt eine gesamtgesellschaftliche Krise hinzu – erstere verlangt von den Menschen, zu Hause zu bleiben und Abstand zu halten, letztere zieht sie in Massen auf die Straßen.

Erste Lockerungen in der Millionenmetropole

Trotz allem soll in der Metropole am Montag (8. Juni) mit ersten Lockerungen der Corona-Beschränkungen begonnen werden. Von einer baldigen Rückkehr zu einer Art von Vor-Krisen-Zustand geht in einem dieser Tage völlig veränderten New York jedoch fast niemand mehr aus.

Fast 400.000 Menschen haben sich im Bundesstaat New York, in dem rund 19 Millionen Menschen leben, mit dem Coronavirus angesteckt, mehr als 30.000 davon sind nach einer Infektion gestorben. Jeweils rund zwei Drittel davon stammen aus der dicht bevölkerten Metropole New York, wo rund die Hälfte der Einwohner des Bundesstaates leben – sie wurde zum Epizentrum der Pandemie in den USA.

Gouverneur Cuomo hofft, dass die Krise das Land voran bringt

"Noch nie habe ich eine so gefährliche Zeit erlebt", sagt Gouverneur Andrew Cuomo. "Ich denke, es kann auch ein positiver Moment für dieses Land sein – aber es muss intelligent gemacht werden." Bei seinen täglichen Pressekonferenzen gibt Cuomo seinen Takt dafür vor und hatte zuletzt viele gute Nachrichten: Immer weniger Neuinfektionen, die Zahl der Toten pro Tag sank von rund 800 noch vor wenigen Wochen auf weniger als 50.


Auch die Metropole New York erfülle nun alle sieben Bedingungen für den Beginn eines Lockerungsprozesses – beispielsweise ausreichend freie Krankenhausbetten und ausreichend Tests – und könne als letzte der zehn Regionen des Bundesstaates loslegen, sagt Cuomo. Vier zweiwöchige Lockerungsphasen stehen nun an. In der ersten dürfen beispielsweise Bauarbeiten wieder starten, in der vierten dürfen dann unter anderem auch Kultureinrichtungen wieder öffnen – auch wenn zahlreiche davon, wie beispielsweise die Metropolitan Oper, schon angekündigt haben, wohl nicht vor 2021 wieder loslegen zu wollen. Hygiene- und Abstandsregeln gelten weiter. Wenn sich die Zahlen verschlechtern, kann der Prozess jederzeit angehalten oder auch zurückgedreht werden.

Geschäftsinhaber haben Angst vor Vandalismus

Der Enthusiasmus in der Stadt hält sich in Grenzen. "Ich habe nicht das Gefühl, dass dieser Öffnungsprozess jetzt erstmal irgendwas für mich verändern wird", sagt der Besitzer eines Cafés auf der Upper West Side in Manhattan, der den Betrieb mit verkürzten Öffnungszeiten und reinem "To Go"-Geschäft mühsam aufrecht erhält. Er habe sowieso gerade ganz andere Sorgen: Links und rechts von einem seiner weiteren Cafés im Stadtteil Soho seien Fensterscheiben eingeschlagen und Graffiti gesprüht worden, sein Laden habe mit Glück bislang nichts abbekommen.

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Viertel wie Soho oder Midtown, wo es viele edle Boutiquen gibt, sind dieser Tage kaum wiederzuerkennen. Normalerweise drängen sich dort Menschen auf dem Weg zur Arbeit, Touristen gehen shoppen, der Verkehr staut sich hupend auf den Straßen. Jetzt ist es meist ruhig, wenige Menschen und Autos sind unterwegs, in vielen Eingangsbereichen geschlossener Läden lagern Obdachlose. Auf einer Bank sitzt eine Frau und weint.

Luxuskaufhäuser setzen auf Stacheldraht

Viele Läden haben nach den ersten Plünderungen ihre Fensterfronten mit Sperrholz verbarrikadiert. Einige noble Kaufhäuser an der Fifth Avenue haben auch noch Stacheldraht darüber gespannt und ganze Bewacher-Teams mit Hunden angeheuert. An anderen Läden sind die "vorübergehend geschlossen"-Schilder durch solche mit der Aufschrift "zu Vermieten" ersetzt worden. "Ich kann nicht glauben, wie sehr sich New York verändert hat", sagt eine Frau laut zu sich selbst, während sie die Fifth Avenue entlangläuft. "Das ist nicht mehr dieselbe Stadt."

Die Stille durchbrechen hauptsächlich die Proteste, bei denen jeden Tag aufs Neue Tausende Menschen weitestgehend friedlich durch die Avenues ziehen, lautstark Gerechtigkeit und ein Ende von Polizeibrutalität und Rassismus fordern und singen.

Manchmal vermischen sich diese Geräusche dann mit dem allabendlichen Applaus. Auf der Treppe vor einem Haus auf der Upper West Side klatschen zwei Kindergartenkinder mit, eins Schwarz, eins Weiß, die sich zuvor – aus anderthalb Meter Abstand – gegenseitig vor Lachen prustend Witze erzählt haben. "Warum kann es nicht einfach immer so sein?", seufzt die Mutter des schwarzen Kindes – und klatscht noch lauter. "Aber vielleicht entsteht ja aus alldem, was wir gerade erleben, doch noch etwas Gutes."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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