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Kiews Bürgermeister: Vitali Klitschkos fightet seinen gefährlichsten Kampf


Vitali Klitschko
Vom Box-Thron auf Putins Todesliste

Von Florian Vonholdt

Aktualisiert am 01.03.2022Lesedauer: 3 Min.
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Vitali Klitschko: Der frühere Box-Weltmeister ist bereit, an der Waffe um seine Heimatstadt Kiew zu kämpfen.Vergrößern des Bildes
Vitali Klitschko: Der frühere Box-Weltmeister ist bereit, an der Waffe um seine Heimatstadt Kiew zu kämpfen. (Quelle: Reuters-bilder)

Eine Flucht aus der Ukraine kommt für Vitali Klitschko nicht in Frage. Eher würde der frühere Box-Weltmeister und Bürgermeister von Kiew selbst zur Waffe greifen und sein Land verteidigen.

Als Vitali Klitschko am 16. November 1996 in Hamburg seinen ersten Kampf als Profiboxer bestritt, hätte er sich nicht träumen lassen, dass er sich rund ein Vierteljahrhundert später mitten im Krieg befinden würde. Seinen Traum, Box-Champion zu werden, erfüllte er sich. Er wurde Weltmeister im Schwergewicht in gleich zwei Verbänden – 45 seiner 47 Gegner schlug er K.o. 2013 beendete er seine sportliche Karriere und ging in die Politik. Ein Jahr später wurde er zum Bürgermeister von Kiew gewählt.

Der Kampf, in den er in dieser Position hineingeraten ist, gleicht einem Albtraum. Neben dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi ist er zum wichtigsten Mann des Landes geworden, das vom einstigen "großen Bruder" Russland angegriffen und bombardiert wird.

Apropos großer Bruder: Wie bei ihren Boxkämpfen, als der eine am Ring des anderen stand, steht Wladimir Klitschko auch beim gefährlichsten Kampf ihres Lebens an der Seite seines älteren Bruders Vitali. Er ist bei ihm in Kiew, das von der russischen Armee angegriffen wird.

Nur eine Frage der Zeit, bis Klitschko zur Waffe greift

Eine Flucht kommt trotz der lebensgefährlichen Situation für beide nicht infrage. "Das ist meine Stadt. Keiner kann mir meinen Traum von Kiew wegnehmen. Wenn mein Land mein Leben braucht, muss ich mein Land verteidigen", sagte Vitali der "Bild".

Vielmehr sind sie fest entschlossen, sich bis zum Äußersten zu verteidigen. Es ist für sie keine Frage, dass sie auch zu den Waffen greifen würden. Nicht für Vitali, den Älteren der beiden. Nicht für Wladimir, der erst Anfang Februar in die Reservearmee der Ukraine eintrat.


Schon im Dezember äußerte Vitali in der "Bild": "Als Soldat habe ich einst geschworen, das Land zu verteidigen, und bin auch jetzt bereit, für mein Mutterland zu kämpfen." Das gilt nicht zuletzt in diesen Tagen, die er als die schwersten seines Lebens bezeichnet: "Ich habe keine andere Wahl. Ich muss das tun", sagte er im britischen Fernsehen bei "Good Morning Britain".

"Putin hat nicht alle Tassen im Schrank"

Die Wut auf den Angreifer aus dem Kreml ist groß. Russlands Präsidenten Wladimir Putin, Initiator des Krieges, nennt Klitschko im "Bild"-Interview "geisteskrank". Und weiter: "Er hat nicht alle Tassen im Schrank. Ich weiß nicht, wie er auf die Idee kommen konnte, die Ukraine anzugreifen. Wir waren niemals aggressiv. Wir sind ein friedliches Land. Das ist ein Albtraum für alle."

Wegen dieser Haltung sollen die berühmtesten Brüder des Landes auf einer angeblichen Todesliste von Putin stehen. Das berichtet "The Times". Neben ihnen und Präsident Selenskyi sollen sich darauf noch die Namen 20 weiterer berühmter Persönlichkeiten befinden.

Das dürfte beiden klar sein. Vitali betont: "Wir stehen einer der größten und stärksten Armeen der Welt gegenüber, aber wir müssen unsere Familien verteidigen, unser Land, unsere Städte." Dabei sei "wie im Sport" der "Zusammenhalt der Schlüssel".

Nebeneinander statt miteinander

Diesen hat Klitschko mit Präsident Selenskyi allerdings noch nicht demonstriert. Beide sind Rivalen, haben sich selbst in dieser Extremsituation noch nicht merklich angenähert. Sie kämpfen zwar für das gleiche Ziel, aber eher nebeneinander statt miteinander. In der Vergangenheit wollte Selenskyi Klitschko vom Chefposten der Kiewer Stadtverwaltung, den er als Bürgermeister innehat, absetzen. Für die Präsidentenwahl 2024, bei der der ehemalige Schauspieler Selenskyi zur Wiederwahl antreten will, galt Klitschko bisher als einer seiner möglichen Gegenkandidaten.

Diese Probleme wirken aktuell wie Lappalien einer anderen Zeit. In einem Twitter-Video wandte sich Klitschko am Montag an die deutschsprachige Bevölkerung Europas: "Liebe Freunde in Deutschland, in der Schweiz, in Österreich, Luxemburg, Liechtenstein und allen anderen Länder im freien Europa. (...) Man tötet uns, man beschießt uns mit Raketen und vernichtet uns. Unsere Frauen, Kinder, ältere Menschen gehen durch die Hölle. Wir brauchen jetzt ihre Hilfe, dringend!"

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"Mama, mach dir keine Sorgen"

Klitschko appelliert immer eindringlicher an die Solidarität des Westens. Die Bundesregierung hatte er für deren Zaudern bei den Waffenlieferungen mehrfach scharf kritisiert, sprach von "Verrat an Freunden", nannte das Bereitstellen von 5.000 Helmen einen "Witz". Weil sie die Gefahr nicht erkannte.

Auch Klitschkos eigene Familie bangt. Vitali: "Unsere Mutter hat riesige Sorgen. Aber wir sagen ihr immer: 'Mama, mach dir keine Sorgen. Ich kümmere mich um den Jüngeren und der Jüngere kümmert sich um den Älteren.'" So wie sie es bei ihren Kämpfen im Ring jedes Mal getan haben. Bleibt nur zu hoffen, dass es auch diesmal, bei diesem so hässlichen Kampf, gut ausgeht.

Verwendete Quellen
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