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Roman Abramowitsch soll mit chemischem Kampfstoff vergiftet worden sein


Neue Details bekannt
Bericht: Abramowitsch soll mit Kampfstoff vergiftet worden sein

Von t-online, mk

30.03.2022Lesedauer: 3 Min.
Roman Abramowitsch: "Alle Experten sind sich einig, dass die Symptome kein Zufall waren".Vergrößern des Bildes
Roman Abramowitsch: "Alle Experten sind sich einig, dass die Symptome kein Zufall waren". (Quelle: Sergei Karpukhin/imago-images-bilder)

Nach Friedensgesprächen in Kiew klagte Roman Abramowitsch über Vergiftungserscheinungen. Experten haben zwei Kampfstoffe im Verdacht – auch das berüchtigte Nowitschok.

Bei dem mutmaßlichen Giftanschlag auf den russischen Oligarchen Roman Abramowitsch Anfang März in Kiew sind möglicherweise ein chemischer Kampfstoff aus dem Ersten Weltkrieg oder das berüchtigte Nowitschok zum Einsatz gekommen. Das berichtet der Investigativjournalist Christo Grozev, dessen Recherche-Netzwerk "Bellingcat" gemeinsam mit dem "Wall Street Journal" zuerst über den Fall berichtet hatte.

Demnach klagten Abramowitsch und zwei Vertreter der ukrainischen Delegation nach den Gesprächen am 3. März über gerötete Augen, schmerzhaften Tränenfluss und sich ablösende Haut an Gesicht und Händen. Die Symptome hätten sich dann wieder gelegt. Der Kreml bestätigte die Rolle Abramowitschs in den Gesprächen, dementierte aber eine Vergiftung. Mutmaßungen zufolge könnten Hardliner in Moskau hinter dem Vorfall stehen, um die Gespräche über ein Ende des Ukraine-Kriegs zu sabotieren.

"Chlorpikrin oder ein anderer chemischer Kampfstoff"

"Mehrere Fachleute haben mit den Betroffenen gesprochen, haben sie untersucht und sich Fotos angeschaut", berichtet Grozev in einem Interview auf Youtube. "Und alle Experten sind sich einig, dass die Symptome kein Zufall waren, dass es sich nicht um eine Lebensmittelvergiftung handelte und auch nicht um eine Allergie. Die Experten gehen davon aus, dass die Ursache Chlorpikrin oder ein anderer chemischer Kampfstoff ist." Chlorpikrin sei der einzige Stoff, der alle Symptome erklären könne, so Grozev unter Verweis auf die Fachleute.

Chlorpikrin wurde 1848 entdeckt und während des Ersten Weltkriegs als Lungenkampfstoff eingesetzt. Bei Kontakt kann es zum Tod durch Ersticken führen, in niedrigen Dosen ruft es Augenreizungen und Hautblasen hervor. Chlorpikrin dient bis heute unter anderem als Insektenvernichter. Gegen dessen Einsatz im Fall Abramowitsch spricht, dass der Stoff einen starken Geruch verströmt und kaum unbemerkt verabreicht werden kann. "Einer der Experten sagte aber, dass Chlorpikrin inzwischen auch als geruchlose Variante existiert", so Christo Grozev.

Wurde Abramowitsch mit Nowitschok vergiftet?

Möglich sei aber auch, dass Abramowitsch und die zwei anderen Betroffenen einer kleinen Dosis des Kampfstoffs Nowitschok ausgesetzt waren: "Nach Ansicht eines der Experten könnte auch das die Vergiftungssymptome erklären", so Grozev. Nowitschok (zu deutsch: Neuling) wurde in den 1970er-Jahren in der Sowjetunion entwickelt, um Nachweisverfahren der Chemiewaffenkonvention zu umgehen. Nowitschok wurde nachweislich 2018 gegen den russischen Ex-Agenten Sergej Skripal sowie 2020 gegen den Oppositionellen Alexej Nawalny eingesetzt. Westliche Ermittler machen dafür den russischen Militärgeheimdienst GRU verantwortlich.

Zweifelsfrei aufklären lassen wird sich der Vorfall wohl nicht, das räumt auch Grozev ein. Dazu hätten kurz nach dem Vorfall Blutproben untersucht werden müssen. "Die Symptome wurden ja in den folgenden Wochen weniger und die Gruppe war unterwegs auf einer Verhandlungsmission", sagt Grozev. "Sie sind jeden Tag von einem Ort zum nächsten geflogen und es war wohl nicht möglich, zwischendurch ein Labor aufzusuchen, das dazu in der Lage gewesen wäre." Inzwischen seien mögliche Rückstände im Blut der Betroffenen nicht mehr nachweisbar. "Traurigerweise wird das Ganze ein Mysterium bleiben", so Grozev.

US-Regierung weist Berichte über Vergiftung zurück

Abramowitsch selbst hatte sich nicht zu dem Vorfall geäußert. Eine Quelle aus seinem Umfeld bestätigte die Berichte aber dem "Guardian". Demnach habe Abramowitsch für einige Stunden nicht mehr sehen können und sei daraufhin in einer türkischen Klinik behandelt worden. Der ukrainische Unterhändler Mychajlo Podoljak wies die Berichte von "Bellingcat" und "Wall Street Journal" zurück, ebenso der Abgeordnete Rustem Umjerow, bei dem es sich um die dritte Person mit Vergiftungserscheinungen handeln soll.

Auf Facebook schrieb Umjerow: "Im Informationsbereich gibt es gerade viele Spekulationen, unterschiedliche Verschwörungsversionen und Elemente des einen oder anderen Informationsspiels." Von der US-Regierung hieß es, Geheimdienstinformationen deuteten mit großer Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass es sich um Umwelteinflüsse gehandelt hat – und nicht um eine Vergiftung.

Verwendete Quellen
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