Nicht abgestimmte Aktion Nach Scholz-Kritik – FDP-Politiker kündigt Rücktritt an
Erstmals sollte der Kanzler im Verteidigungsausschuss Fragen zu Waffenlieferungen an die Ukraine beantworten. FDP-Politiker verließen den Raum – doch für einen von ihnen gab es offenbar heftige Kritik.
Abgeordnete der FDP haben aus Protest die Sondersitzung des Verteidigungsausschusses mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verlassen. Scholz habe nicht auf Fragen zur Ukraine geantwortet, sondern zur Rolle Chinas und zum globalen Süden gesprochen, zitiert eine "Bild"-Reporterin FDP-Politiker ohne Nennung von Namen.
Der Kanzler habe Zeit gewinnen wollen, heißt es dort weiter. Man komme sich "verarscht" vor. Wenige Stunden später kündigte allerdings der verteidigungspolitische Sprecher Marcus Faber an, er wolle von seinem Posten zurücktreten.
"War von uns nicht als Protestnote gemeint"
Eine Gruppe um Faber habe die einstündige Sitzung am Freitag vorzeitig verlassen, hieß es zuvor aus Teilnehmerkreisen. Faber schrieb danach auf Twitter, Scholz habe eine Chance gehabt, sich im Ausschuss zur Ukraine zu erklären. "Leider wurden viele Antworten nicht gegeben. Ich hoffe, dass wir dies nachholen können", so Faber.
"Einen solchen Vorgang habe ich unter der Kanzlerschaft Merkel in 16 Jahren nicht einmal erlebt", sagte Florian Hahn (CSU) zu t-online. Er sitzt als Berichterstatter der Union im Verteidigungsausschuss. "Offensichtlich gibt es eine große Unzufriedenheit mit dem eigenen Bundeskanzler in der Ampel."
Fabers Aktion war nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP nicht in der FDP-Fraktion abgestimmt. Von anderer Stelle in der Fraktion hieß es gegenüber AFP, der Auftritt des Kanzlers sei "okay für die erste Runde" gewesen. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, die FDP-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann, schloss sich dem Auszug Fabers nicht an, sie blieb in der Sitzung.
"Nicht als Protestnote gemeint"
Faber war danach bemüht, die Wogen zu glätten: "Wir sind nach Ende der offiziellen Sitzungszeit gegangen." Kanzler Scholz sei da zwar noch im Raum gewesen, "aber das war von uns nicht als Protestnote gemeint".
Daraufhin veröffentlichte er noch am Freitagmittag eine Pressemitteilung, in der er Kanzler Scholz für den "konstruktiven Ausschuss" dankte. "Wegen Anschlussterminen mussten die Mitglieder meiner Fraktion nach und nach die Ausschusssitzung verlassen", so Faber weiter. "Es tut mir sehr leid, dass ein anderer Eindruck entstanden ist, den ich hiermit entschieden zurückweise."
Faber kündigt Rücktritt an
In der FDP war der Unmut offenbar aber weiter hoch: Ein Reporter des Nachrichtenportals "The Pioneer" berichtete, dass es einen "Riesenwirbel" in der FDP gebe. Kurzfristig sei der Fraktionsvorstand einberufen worden, intern seien alle Termine abgesagt worden.
Wenige Stunden später räumte Faber auf Twitter ein, die Kommentierung von Scholz' Verhalten "war unangemessen" gewesen sei und dem "Ernst der Lage nicht gerecht" wurde. Er werde daraufhin in der kommenden Fraktionssitzung anbieten, von seinem Amt als verteidigungspolitischer Sprecher zurückzutreten.
Sitzung auf "geheim" stellen? Scholz lehnt ab
Nach Informationen von t-online hatte der Sprecher der FDP zuvor im Verteidigungsausschuss angeboten, die Sitzung als "geheim" einzustufen, damit auch tatsächlich auf Fragen geantwortet werde. Auf dieses Angebot sei Scholz nicht eingegangen. Der Verteidigungsausschuss tagt stets unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wird die Sitzung als "geheim" eingestuft, darf auch das dort Gesagte nicht nach außen dringen.
Der Kanzler sollte am Freitag im Ausschuss über Waffenlieferungen an die Ukraine und den politischen Kurs der Bundesregierung berichten. FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hatte ihn dorthin eingeladen – auf dem Höhepunkt des Streits über die Lieferung auch schwerer Waffen an die Ukraine.
Strack-Zimmermann kritisiert "Missverständnisse" in Bundesregierung
Kurz vor dem Auftritt von Scholz im Ausschuss hatte die FDP die Benennung eines Koordinators für Waffenlieferungen in die Ukraine gefordert. "Es muss eine Person geben, die das macht", sagte Strack-Zimmermann vor der Sitzung. Es gebe derzeit "eine Menge Missverständnisse" innerhalb der Bundesregierung bei dem Thema. "Da, glaube ich, kann man noch das eine oder andere etwas geschmeidiger machen, damit die Waffen auch sehr schnell geliefert werden können."
Die Bundesregierung hatte sich zwei Tage nach Kriegsbeginn entschieden, Waffen an die Ukraine für den Kampf gegen die russischen Angreifer zu liefern. Inzwischen genehmigt sie zudem die Bereitstellung schwerer Waffen. Bisher gab sie grünes Licht für 50 ausgemusterte Gepard-Flugabwehrpanzer und sieben Panzerhaubitzen 2000 – schwere Artilleriegeschütze aus den Beständen der Bundeswehr.
Der Bundesregierung liegen aber weitere Anträge der Industrie vor, über die seit Wochen nicht entschieden wird. So hat Rheinmetall angeboten, 88 gebrauchte, aber generalüberholte Kampfpanzer vom Typ Leopard 1 und 100 Marder-Schützenpanzer zu liefern.
- Eigene Recherchen
- Twitterprofil von Reporterin Katharina Mössbauer