Unicef: Ukraine-Krieg verschÀrft MangelernÀhrung von Kindern
Köln (dpa) - Der Ukraine-Krieg verschÀrft nach Unicef-Angaben das Problem schwerer MangelernÀhrung bei Kindern in der ganzen Welt.
Schon jetzt kĂ€men dadurch jedes Jahr mehr als eine Million Kinder um, heiĂt es in dem am Dienstag veröffentlichten Unicef-Bericht "Schwere akute MangelernĂ€hrung: Eine tödliche Gefahr fĂŒr Kinder". Doch jetzt könnten noch deutlich mehr Kinder sterben.
"Der Krieg in der Ukraine hat auch gravierende Folgen fĂŒr Kinder, die weit weg vom Kriegsgebiet, zum Beispiel in Somalia oder Jemen oder Afghanistan leben", sagte Rudi Tarneden, Sprecher von Unicef Deutschland, der Deutschen Presse-Agentur in Köln. "Ihre Familien können die steigenden Kosten fĂŒr Nahrungsmittel nicht mehr aufbringen, die Kinder bekommen weniger und schlechtere Nahrung zu essen. Durch den Krieg ist die globale Versorgungskette teilweise unterbrochen, Hilfslieferungen kommen nicht nach."
Ăgypten, Tunesien, Marokko oder auch Bangladesch importieren groĂe Teile ihres Weizens aus Russland und der Ukraine - insgesamt sind nach Angaben der WelternĂ€hrungsorganisation FAO rund 50 LĂ€nder auf Einfuhren von dort angewiesen. Somalia bezieht nach Unicef-Angaben 90 Prozent des Weizens aus der Ukraine und Russland, Jemen 40 Prozent. Doch mit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat sich neben zahlreichen anderen Rohstoffe auch Weizen auf dem Weltmarkt stark verteuert.
Nach Unicef-SchĂ€tzungen sind weltweit derzeit etwa 45 Millionen Kinder unter fĂŒnf Jahren akut mangelernĂ€hrt. 13,6 Millionen seien so schwer betroffen, dass ihr Leben am seidenen Faden hĂ€nge. Ursache ist ein Mangel an nĂ€hrstoffreichen Nahrungsmitteln und Vitaminen, EiweiĂ und lebenswichtigen Spurenelementen.
Die meisten dieser Kinder leben dem Unicef-Bericht zufolge in Indien, Indonesien, Pakistan und Nigeria. Man könnte ihnen mit einer einfachen Zusatznahrung helfen, nĂ€mlich mit einer Paste aus ErdnĂŒssen, Ăl, Zucker und Milchpulver, die auch ungekĂŒhlt lange haltbar ist. Unicef, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, ist nach eigenen Angaben weltweit der Hauptlieferant solcher Erdnusspaste.
Weitere 600.000 Kinder könnten betroffen sein
Die Kosten fĂŒr diese Zusatznahrung werden nach Unicef-SchĂ€tzungen jedoch in den nĂ€chsten sechs Monaten um bis zu 16 Prozent steigen, da die Preise wichtiger Zutaten in die Höhe schieĂen. Hierdurch könnte weiteren 600.000 Kindern pro Jahr der Zugang zu der lebensrettenden Behandlung verwehrt bleiben. Schon jetzt erhalten demnach mindestens zehn Millionen Kinder weltweit nicht die Zusatznahrung, die sie zum Ăberleben dringend benötigen.
"Eine 16-prozentige Preiserhöhung mag im Kontext der globalen LebensmittelmĂ€rkte ĂŒberschaubar klingen", sagte die Unicef-Exekutivdirektorin Catherine Russell. "Doch am Ende der Lieferkette steht die Verzweiflung eines mangelernĂ€hrten Kindes." Schwere, akute MangelernĂ€hrung verwandele gewöhnliche Kinderkrankheiten in eine tödliche Gefahr. Die ausgezehrten Körper der Kinder seien so geschwĂ€cht, dass sie Viren, Bakterien oder Pilzen nichts entgegensetzen könnten. Ihr Tod vollziehe sich meist unbemerkt, weil er eben nicht Teil einer groĂen Hungersnot oder eines Aufsehen erregenden Konflikts sei, sondern in vielen LĂ€ndern zur traurigen NormalitĂ€t gehöre. "Eine stille Tragödie", schreibt Unicef.
In dieser Situation gefĂ€hrdeten auch noch MittelkĂŒrzungen von Regierungen die lebenswichtige Hilfe. "Die internationale Gemeinschaft muss jetzt alles tun, damit kein Teufelskreis in Gang kommt", fordert Unicef-Sprecher Tarneden. "Dazu mĂŒssen die Regierungen zusammenarbeiten, um den Zugang zu Nahrungsmitteln und medizinischer Hilfe fĂŒr die Ărmsten weiter sicherzustellen. Spezialnahrung wie Erdnusspaste zur Behandlung schwer mangelernĂ€hrter Kinder muss rechtzeitig zur VerfĂŒgung stehen."