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Radikaler Umbruch in Argentinien: Javier Milei wird Präsident


Sozialausgaben "mit der Kettensäge" kürzen
"Anarchokapitalist" wird Präsident – radikaler Umbruch in Argentinien

Von dpa, reuters, aj

Aktualisiert am 20.11.2023Lesedauer: 3 Min.
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Argentinien: So hart greift der neue Präsident seine politischen Gegner an. (Quelle: t-online)
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Inmitten einer schweren Wirtschaftskrise haben die Argentinier einen neuen Präsidenten gewählt. Javier Milei bezeichnet sich selbst als "Anarchokapitalist".

Der ultraliberale Javier Milei wird nächster Präsident Argentiniens. Laut der am Sonntagabend (Ortszeit) nach Auszählung von mehr als 86 Prozent der Stimmen veröffentlichten offiziellen Teilergebnisse gewann der Kandidat der Partei La Libertad Avanza (Die Freiheit schreitet voran) die Stichwahl um die Präsidentschaft in dem südamerikanischen Staat mit 55,95 Prozent.

Wirtschaftsminister Sergio Massa von der linken Unión por la Patria (Union für das Vaterland) lag bei 44,23 Prozent. Noch bevor das Endergebnis feststand, räumte Massa seine Niederlage ein.

Milei sei "der Präsident, den die Mehrheit der Argentinier für die nächsten vier Jahre gewählt hat", sagte Massa am Sonntagabend (Ortszeit) in einer Rede vor seinen Unterstützern in Buenos Aires. Er habe Milei bereits gratuliert und ihm Glück gewünscht. In Mileis Wahlkampfzentrale brach nach Veröffentlichung der Ergebnisse Jubel aus. Bei der Stichwahl waren rund 36 Millionen Argentinier aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.

Milei sorgt mit populistischen Parolen für Aufmerksamkeit

Der selbst ernannte "Anarchokapitalist" Milei verspricht eine radikale Kehrtwende im Land und hatte schon im Wahlkampf mit populistischen Parolen für Furore gesorgt: Der 53-jährige Politikneuling will den US-Dollar anstatt des argentinischen Peso als gesetzliches Zahlungsmittel einführen, die Zentralbank sowie viele Ministerien abschaffen und die Sozialausgaben "mit der Kettensäge" kürzen.

Milei profitierte vor allem von der Wut vieler Argentinier auf die Dauerkrise und das politische Establishment. Mit zerzaustem Haar und laufender Kettensäge wetterte er bei Wahlkampfveranstaltungen gegen die von ihm verhasste politische "Kaste". Der Exzentriker lebt mit fünf geklonten riesigen Mastiffs (britische Hunderasse) zusammen, die er nach liberalen Ökonomen wie Milton Friedman und Robert Lucas benannt hat.

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Reaktion auf Dauerkrise im Land

Das Enfant terrible der argentinischen Politik will außerdem den Waffenbesitz liberalisieren, ist gegen das Recht auf Abtreibung, glaubt nicht an den menschengemachten Klimawandel und schimpft den argentinischen Papst Franziskus einen Kommunisten. Zwar bedient er sich wie der ehemalige US-Präsident Donald Trump und der frühere brasilianische Staatschef Jair Bolsonaro einer Anti-System-Rhetorik, allerdings verzichtet er im Gegensatz zu seinen Vorbildern auf rechtsradikale Ausfälle und befürwortet etwa die gleichgeschlechtliche Ehe.

Seine künftige Vizepräsidentin Victoria Villarruel hingegen bedient die konservative Klientel, pflegt Kontakte zu rechten Gruppierungen auf der ganzen Welt und provoziert immer wieder mit Äußerungen über die Militärjunta (1976-1983). Die Tochter eines Offiziers zieht die von Menschenrechtsorganisationen auf 30.000 geschätzte Zahl der Todesopfer bei Regierungsgegnern, linken Aktivisten, Gewerkschaftern und Studenten während der Diktatur in Zweifel und pocht ihrerseits auf mehr Anerkennung für die Opfer linker Guerillagruppen.

Donald Trump gratulierte Milei auf seiner Plattform Truth Social "Herzlichen Glückwunsch an Javier Milei zu einem großartigen Rennen um das Amt des argentinischen Präsidenten", schrieb er. "Ich bin sehr stolz auf Sie. Sie werden Ihr Land umkrempeln und Argentinien wirklich wieder großartig machen."

Auch der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva meldete sich zu Wort. Auf der Nachrichtenplattform X, vormals Twitter, schrieb er: "Ich wünsche der neuen Regierung viel Glück und Erfolg. Argentinien ist ein großes Land und verdient unseren ganzen Respekt. Brasilien wird immer bereit sein, mit unseren argentinischen Brüdern und Schwestern zusammenzuarbeiten."

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Milei erwarten große Herausforderungen

Milei erwarten als Staatschef riesige Herausforderungen. Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Inflationsrate liegt bei über 140 Prozent, rund 40 Prozent der Menschen in dem einst reichen Land leben unterhalb der Armutsgrenze. Argentinien leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht. Die Landeswährung Peso verliert gegenüber dem US-Dollar immer weiter an Wert, der Schuldenberg wächst ständig.

Der Sieg des marktliberalen Milei bedeutet eine echte Kehrtwende für Argentinien, wo die linken Peronisten seit über 20 Jahren maßgeblich den Ton angeben, der Staat massiv in die Wirtschaft eingreift, öffentliche Dienstleistungen stark subventioniert werden und in zahlreichen Provinzen mehr Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor beschäftigt sind als in der Privatwirtschaft.

Auch dürfte allerdings Mileis Kompromissfähigkeit getestet werden, denn allein wird er trotz seiner radikalen Rhetorik nicht weit kommen. Im Parlament hat er keine Mehrheit, sein Lager verfügt nicht über einen Provinzgouverneur, zudem fehlt ihm qualifiziertes Personal, um wichtige Schlüsselpositionen zu besetzen. Der politische Gegner hingegen kann ihm das Leben als Staatschef schwermachen: Die linken Peronisten sind über Gewerkschaften, soziale Bewegungen und Parteistrukturen bis in die kleinsten Gemeinden bestens organisiert und jederzeit in der Lage, das öffentliche Leben in Argentinien mit Protesten gegen die neue Regierung lahmzulegen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen Reuters und dpa
  • twitter.com
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