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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Schlägerei in Brüsseler Bar CDU-Netzwerker mit Trump-Kappe verprügelt

Eine Trump-Kappe, Faustschläge vor dem Parlament und ein EU-Hausausweis. Was am Wochenende in einer Brüsseler Bar geschehen sein soll, könnte für Aufsehen bis in die USA sorgen.
Zu den gepflegten Traditionen im Europaparlament in Brüssel gehört es, nach Feierabend noch gemeinsam trinken und essen zu gehen. Im Sommer treffen oft Hunderte von EU-Abgeordneten, Mitarbeitern, Praktikanten und Lobbyisten am Place du Luxembourg aufeinander, gelegen gleich neben dem Parlamentsgebäude. Ein beliebter Treffpunkt dort ist das Lokal "The Network". Der Name ist Programm: Über Länder- und Parteigrenzen hinweg werden hier private und politische Kontakte geknüpft.
Nach Informationen von t-online ist es in der besagten Bar "The Network" in der Nacht vom 3. auf den 4. Juli zu einem mutmaßlichen Angriff auf einen Deutschen gekommen. Eine "Make America Great Again"-Mütze könnte eine zentrale Rolle dabei gespielt haben, als ein Student mit JU- und CDU-Hintergrund verletzt wurde.
Der 24-Jährige aus Nordrhein-Westfalen hat t-online am Wochenende den Zwischenfall bestätigt. Er erlitt nach eigenen Aussagen mehrere Platzwunden sowie eine Gehirnerschütterung und musste in einem Krankenhaus am Hinterkopf genäht werden. Inzwischen befindet er sich wieder in Deutschland. Ein Foto, das seine Verletzungen zeigt, sowie sein Name sind der Redaktion bekannt. Er wird aber auf seinen Wunsch hin nicht genannt. Er habe Sorge vor weiteren Angriffen und bat deshalb auch darum, sein Gesicht nur verpixelt zu zeigen.
Mutmaßlicher Angriffsgrund: eine Trump-Kappe
Der Vorfall beschäftigt offenbar auch die Verwaltung des EU-Parlaments, weil es Hinweise darauf gibt, dass ein Mann mit Parlamentsausweis an dem mutmaßlichen Übergriff beteiligt war. Der Europaabgeordnete René Aust hat sich eingeschaltet, erst Leiter der AfD-Delegation im EU-Parlament und jetzt Co-Fraktionsvorsitzender der mit der AfD gebildeten rechten Fraktion "Europa der Souveränen Nationen" (ESN). Aust hat nach eigenen Worten Parlamentspräsidentin Roberta Metsola schriftlich in Kenntnis gesetzt und den Vorfall angezeigt.
Das mutmaßliche Opfer sieht in der Attacke einen politischen Hintergrund und hat das auch der Polizei gegenüber angegeben. Das geht aus einem Anhörungsbogen hervor, den er t-online in Kopie vorlegte. Demnach war der junge Mann erkennbar als Trump-Unterstützer in Brüssel, um politische Gespräche mit EU-Abgeordneten und Mitarbeitern von Parlamentariern zu führen. Er hat sich in der Vergangenheit bereits mit dem US-Präsidenten fotografiert und verfügt über Kontakte in Trumps engerem Umfeld.
Der deutsche Netzwerker trug am Abend der Attacke am 4. Juli eine weiße Baseballkappe mit dem goldfarbenen frontalen Schriftzug "Make America Great Again" sowie dem Namen "Trump" auf der Rückseite. Vom EU-Parlamentsgebäude wechselte er in die Kneipen in der Nachbarschaft und traf dort auf Mitarbeiter verschiedener Fraktionen, darunter auch von AfD- und CDU-Abgeordneten. So erzählt er es im Gespräch mit t-online.

Gegen 1 Uhr morgens soll es in der Bar "The Network" dann zu dem Zwischenfall gekommen sein. Zunächst habe ihm eine junge Frau die Kappe vom Kopf gezogen und ihn seiner Darstellung zufolge als "Rassist" beschimpft. Er solle sich wegen seiner Trump-Kappe schämen, habe die Frau auf Englisch gesagt. Kurz darauf sollen drei männliche Personen hinzugekommen sein und ihn gemeinsam attackiert haben. Von denen sei er auf Englisch mit französischem Akzent unter anderem als "Nazi" beschimpft worden. Alle drei sollen ihn dann mit Faustschlägen gegen den Kopf verprügelt haben.
Einer der Angreifer soll laut dem mutmaßlichen Opfer einen Hausausweis des Europaparlaments bei sich getragen haben. Bei der Polizei beschrieb er alle drei Angreifer äußerlich als "nordafrikanisch", "mit kurzen Haaren" und im Alter von "20 bis 25 Jahren". Bevor die Täter ins Getümmel vor dem Lokal geflohen sein sollen, habe einer noch gedroht, beim nächsten Mal werde es ihm noch schlimmer ergehen. So schildert es der mutmaßliche Betroffene im Gespräch mit t-online.
Eine Sprecherin der Brüsseler Polizei konnte am Wochenende nur bestätigen, dass es einen Vorfall gegeben hat. Für weitergehende Informationen müsse am Montag die Staatsanwaltschaft hinzugezogen werden. Ganz ähnlich wie der junge Deutsche hat aber auch der AfD-Parlamentarier René Aust den Vorgang an die EU-Parlamentspräsidentin übermittelt. Aust erklärte t-online, er habe nach einem Hinweis von anderen Besuchern der Bar, die Zeugen des Vorfalls gewesen seien, den Hergang geschildert bekommen. Am Wochenende könne er zu diesen Zeugen aber nicht mehr sagen ohne Rücksprache, weil das auch Ermittlungen gefährden könnte, so Aust. Die Begründung erscheint nachvollziehbar.
Deutscher mit Kontakten ins engste Trump-Umfeld
Pikant an dem Vorfall, der sich in Brüsseler Kreisen bereits herumspricht: Das betroffene Unionsmitglied gilt als gut vernetzt im engsten Umfeld des US-Präsidenten, was ihn offenbar zu einer potenziell interessanten Kontaktperson für deutsche und europäische Politiker macht. Nach Informationen von t-online hielt sich der 24-Jährige in den vergangenen Monaten mehrfach etwa in den Clubs von Donald Trump in Mar-a-Lago, Florida, und in Bedminster im Bundesstaat New Jersey auf.
Tatsächlich erhält er in den USA zudem regelmäßigen VIP-Zugang bei verschiedenen politischen Trump-Veranstaltungen. So etwa bei der Amtseinführung von Donald Trump im Januar dieses Jahres in der US-Hauptstadt Washington. Am Wahlabend im November 2024 war er ebenfalls auf Einladung in Mar-a-Lago anwesend. Bilder zeigen ihn dort unter anderem mit Trump und einer Gruppe von deutschen Influencern, denen er den Zutritt vermittelt hatte. Auch bei den von amerikanischen Rechten gegründeten CPAC-Treffen (Conservative Political Action Conference) ist er regelmäßig zu Gast.
Unter anderem diese Nähe zu Trump, zur MAGA-Bewegung und den Young Republicans (Jugendorganisation der Republikaner) hatte in seiner örtlichen CDU in Nordrhein-Westfalen während der Biden-Amtszeit für Unmut gesorgt. Das führte dort auch zu seinem "vorläufigen und teilweisen Rückzug" aus Ämtern, wie er sagte. Er gehört zu Kräften in der Union, die den Unvereinbarkeitsbeschluss, also die sogenannte "Brandmauer" zur AfD, beseitigen möchten. Dennoch sieht er sich nach eigenen Angaben in der CDU nach wie vor in der richtigen Partei und seine Kontakte ins engste Trump-Umfeld als Beitrag zur Verständigung zwischen den USA und Deutschland.
Trump-Unterstützer will "offenen Diskurs"
Aus seinen engen Kontakten ins Trump-Umfeld macht der 24-jährige Deutsche kein Geheimnis – und auch nicht aus seinen politischen Überzeugungen. Im Gegenteil: Als erklärter Unterstützer des amerikanischen Präsidenten läuft er regelmäßig mit MAGA-Mütze unter anderem durch Köln oder Berlin, filmt sich dabei und veröffentlicht das Material anschließend auf seinem Social-Media-Profil.
Auf Nachfrage sagt er, dass er kein Problem damit habe, darauf angesprochen zu werden. Er rechnet mit Widerspruch und auch mit Konfrontationen. Tatsächlich aber gehe es ihm um einen "offenen Diskurs". In Köln, Berlin und auch in den USA sei das bislang immer friedlich ausgegangen. In Brüssel nun offenbar nicht, wenn seine Darstellung stimmt. Zu t-online sagt er, es gehe ihm mit seinem Auftreten um Meinungsfreiheit und um ein Statement: "Man muss miteinander reden können, egal welche politische Überzeugung man hat". Der Vorfall im "The Network" dürfte gut in die Erzählung aus rechtsextremen Kreisen von der angeblich unterdrückten Meinungsfreiheit in Europa passen, wie sie etwa der US-Vizepräsident JD Vance in seiner Münchner Rede befeuert hat.
Für den AfD-Abgeordneten René Aust reiht sich der "Angriff auf einen konservativen Bürger vermutlich ein in eine Serie von Einschüchterungsversuchen und Attacken, die durch Mitarbeiter oder Angehörige linksgrüner Fraktionen im Europäischen Parlament ausgehen", wie er sagt. Er spricht von einer "Schändung des Kondolenzbereichs für Papst Franziskus", der "Bedrohung eines Mitarbeiters der ESN/AfD" und "Einschüchterungsversuchen im Rahmen von Veranstaltungen im Haus".
Aust kritisiert im Kontakt mit t-online eine angebliche Gewaltbereitschaft und Verrohung von linksextremer Seite, die lange auf der Straße zu beobachten gewesen sei und nun auch "auf die Institutionen übergreifen" würde. Es dürfe keine Nachsicht bei Bedrohungen und Gewalt geben. Dem Opfer des "mutmaßlich linksextremen Angriffs" wünsche er "eine baldige Genesung", so Aust.
Der attackierte 24-Jährige hat den Vorfall nach eigener Aussage auch seinen Kontakten im Trump-Umfeld geschildert. Sogar der US-Präsident habe auf diese Weise bereits davon erfahren. Seine Kontakte hätten ihm daraufhin geantwortet: "Sag' Bescheid, wenn wir etwas für dich tun können." Vielleicht kommt der nächtliche Vorfall aus dem Brüsseler Lokal bald auf die ganz große Politikbühne.
- Eigene Recherchen
- Anfrage bei der Brüsseler Polizei
- Anfrage bei René Aust (AfD)
- Mehrere Telefonate mit dem mutmaßlich Betroffenen