Kanzlerin in der Türkei Merkel trifft sich mit Erdogan-Feind

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist zu ihrem ersten Besuch in der Türkei seit dem Putschversuch eingetroffen. Erstmals wird sie auch Gespräche mit türkischen Oppositionspolitikern führen. Unter anderem mit dem Fraktionschef der pro-kurdischen HDP. Das schreibt die Zeitung "Cumhuriyet".
Idris Baluken ist einer der größten Kritiker des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Baluken war Anfang November im Rahmen von Terrorermittlungen verhaftet worden und erst nach drei Monaten aus der Haft entlassen. Kanzlerin Merkel hätte besonders um ein Treffen mit ihm gebeten, melden türkische Medien. Des Weiteren ist ein Zusammenkommen mit dem Chef der Sozialdemokraten Kemal Kilicdaroglu geplant.
Treffen mit Erdogan in Ankara
Zunächst wird sich Merkel aber mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in Ankara treffen. Danach ist ein Besuch im Parlament sowie ein Treffen mit Ministerpräsident Binali Yildirim geplant.
Merkel will unter anderem Fortschritte für das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei erzielen. Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert sollen Freiheitsrechte und deren Einschränkungen in der Türkei ein Thema sein.
Bundespolitiker und türkische Verbände fordern von Merkel, Missstände in der Türkei klar zu kritisieren.
Die Fraktionschefin der Linken, Sahra Wagenknecht, warf Merkel vor, sich bei Erdogan anzubiedern.
"Viele Menschen in Deutschland sorgen sich angesichts der Gefahren durch einen radikalisierten politischen Islam, aber die Bundeskanzlerin hofiert einen islamistischen Autokraten, von dem allgemein bekannt ist, dass er radikale Islamisten und gefährliche Terrormilizen weltweit unterstützt und finanziert", sagte Wagenknecht der "Rheinischen Post".
Sie warf Merkel vor, dem "Despoten Erdogan" mit ihrer Reise nach Ankara erneut vor einer wichtigen Entscheidung im Land den Rücken zu stärken. Dies sei ein "politisches Armutszeugnis".
Ende März oder Anfang April sollen die Türken in einer Volksabstimmung über die Einführung des von Erdogan angestrebten Präsidialsystems entscheiden. Merkel reist an diesem Donnerstag zum ersten Mal seit dem Putschversuch nach Ankara.
Schulz: auf Rechtsstaatlichkeit beharren
Der designierte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz verlangte von Merkel, in der Türkei die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze einzufordern. "Deutschland muss dem Nato-Partner klar sagen: Wir beharren auf Rechtsstaatlichkeit in der Türkei, auf faire Verfahren, Pressefreiheit und die Wahrung der Grundrechte", sagte Schulz den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Merkel solle "eine doppelte Botschaft senden", verlangte der künftige SPD-Chef. "Die Türkei ist das Land, das die meisten Flüchtlinge aufnimmt. Aber das kann keine Rechtfertigung für die bedenklichen rechtsstaatlichen Entwicklungen sein", sagte Schulz.
Özdemir: Zeichen gegen drohende Diktatur setzen
Auch Grünen-Chef Cem Özdemir forderte von der Kanzlerin offene Kritik an der Türkei. "Ich erwarte, dass die Bundeskanzlerin unsere Werte verteidigt und nicht an der Palastpforte in Ankara abgibt", sagte Özdemir dem Berliner "Tagesspiegel". Merkel müsse "deutlich machen, dass wir uns große Sorgen über die weitere Entwicklung des Landes hin zu einer Diktatur machen."
Lindner: kein Demokratie-Rabatt wegen Flüchtlingsdeal
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sagte der dpa: "Der Flüchtlingsdeal mit der Türkei darf nicht zu einem Rabatt bei rechtsstaatlichen Fragen führen." Die Kanzlerin müsse bei Erdogan eine Rückkehr des Landes zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie einfordern. "Dies sollte sie auch öffentlich artikulieren." Massenhafte Verhaftungen, die Einschränkungen der Pressefreiheit und die Debatte über die Einführung der Todesstrafe verlangten eine eindeutige politische Einordnung.
De Maizière: Merkel weiß, was sie zu tun hat
Dagegen wies Bundesinnenminister Thomas de Maizière Kritik an der Reise der Kanzlerin zurück. Der "Passauer Neuen Presse" sagte der CDU-Politiker: "Der Besuch ist richtig. Die Bundeskanzlerin braucht da keine Ratschläge. Sie weiß, was sie dort zu tun hat."
Gleichzeitig bezeichnete de Maizière die Lage in der Türkei als besorgniserregend. "Die Entwicklung der demokratischen Verhältnisse, der Umgang mit der Justiz gibt Anlass zur Sorge."
Die Niederschlagung des Putsches in der Türkei sei zwar erfolgreich gewesen. Die Schuldigen müssten gefunden und bestraft werden. "Das darf aber nicht zum Anlass genommen werden, wesentliche demokratische Grundrechte einzuschränken", betonte de Maizière. "Diese Entwicklung besorgt uns, und das haben wir auch mehrfach sehr deutlich ausgesprochen."