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Warum sich der Kosovo-Konflikt verschärft


Serbische Armee in Alarmbereitschaft
Warum sich der Kosovo-Konflikt verschärft

Von dpa, afp, reuters, cck

27.12.2022Lesedauer: 4 Min.
Kosovarische Polizisten: Sie werden oft Ziel Angriffe militanter Serben.Vergrößern des BildesKosovarische Polizisten: Sie werden oft Ziel von Angriffen militanter Serben. (Quelle: Florion Goga/reuters)

Der Konflikt zwischen Serbien und Kosovo spitzt sich zu: Straßen sind blockiert, Serbiens Armee ist in Alarmbereitschaft. Ein Überblick.

Militante Serben blockieren eine Straße im Nord-Kosovo, Serbien setzt seine Armee in Alarmbereitschaft, die serbische Regierungschefin warnt vor bewaffneten Konflikten: Der seit Jahren schwelende Konflikt um den Kosovo verschärft sich.

Was hat es mit der Blockade auf sich? Und was steckt hinter dem Konflikt? Ein Überblick:

Worum geht es im Konflikt zwischen dem Kosovo und Serbien?

Nach dem Zerfall des Vielvölkerstaats Jugoslawien gab es eine Serie von Kriegen auf dem Balkan in den 1990er Jahren. Unter Präsident Slobodan Milošević versuchte Serbien, sich mehrheitlich serbisch besiedelte Gebiete in anderen Teilrepubliken einzuverleiben. Vor allem in Bosnien und Kroatien, und auch im Kosovo, kam es in der Folge zu ethnisch motivierten Vertreibungen, umfangreichen "ethnischen Säuberungen" und Kriegsverbrechen.

Um Massaker in der vor allem von Albanern bewohnten serbischen Provinz Kosovo zu beenden, beschloss die Nato 1999 Luftangriffe, an denen sich auch Deutschland beteiligte – der erste Kampfeinsatz deutscher Soldaten nach 1945. Mit der Nato-Intervention löste sich der Kosovo aus dem serbischen Staatsverband heraus und erklärte sich 2008 schließlich für unabhängig. In der Zwischenzeit war das Land von der UN-Mission Unmik verwaltet worden. 115 Staaten erkennen Kosovo heute als unabhängig an, darunter auch Deutschland.

Serbien verweigert dem Kosovo die Anerkennung und betrachtet das Land als abtrünniges, südserbisches Gebiet. Im Ausland wirbt Serbien gar offensiv dafür, dass andere Staaten dem Kosovo die Anerkennung entziehen. In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Dialoge gegeben, allerdings ohne Einigung.

Die EU verlangt von Serbien, das Land anzuerkennen, um Mitglied in der Staatengemeinschaft werden zu können. Die Nato stellt zudem im Rahmen der KFOR-Mission Soldaten, darunter auch von der Bundeswehr, die im Kosovo Unterstützung dabei leisten, die öffentliche Ordnung zu sichern.

Der Kosovo ist mehrheitlich von Albanern bewohnt, vor allem im Norden leben Serben. Viele von ihnen erkennen die staatlichen Einrichtungen des Kosovos nicht an.

Warum verstärken sich die Spannungen gerade jetzt?

Vor einigen Wochen hatten – ausgelöst durch einen Streit um Autokennzeichen – Hunderte serbische Polizisten, Richter, Staatsanwälte und andere Beamte im Kosovo ihre Arbeit eingestellt. Pristina hatte Angehörige der serbischen Minderheit verpflichten wollen, nicht mehr mit serbischen Nummernschildern zu fahren, sondern solche der Republik Kosovo zu akzeptieren. Die Kennzeichen-Regel wurde zwar verschoben, doch die serbischen Polizisten und Beamten kehrten nicht wieder an ihre Arbeit zurück.

Pläne der Regierung, am 18. Dezember Kommunalwahlen in den mehrheitlich serbischen Gebieten durchzuführen, mussten auf Eis gelegt werden. Die wichtigste Serben-Partei kündigte ihren Boykott an, und als die Wahlbehörden Anfang der Woche mit den Vorbereitungen beginnen wollten, kam es zu Schießereien und Explosionen.

Ab dem 10. Dezember errichteten dann Hunderte militante Kosovo-Serben Straßensperren nördlich von der geteilten Stadt Mitrovica und blockierten so die Straßen, die zu den Grenzübergängen nach Serbien führen. Damit protestierten sie gegen die Verhaftung eines serbischstämmigen ehemaligen Polizisten, der nach Darstellung der kosovarischen Behörden Angriffe auf Beamte der Wahlkommission angeführt haben soll.

Wie hat sich die Lage in den vergangenen Tagen entwickelt?

Auch an der Grenze haben die Spannungen zugenommen. Es gab nächtliche Schüsse auf Polizisten, auch die Einsatzkräfte der EU-Mission Eulex wurden mit einer Blendgranate angegriffen. Am vergangenen Sonntag verbreiteten mehrere serbische Medien ein Video, in dem Gewehrsalven zu hören waren. In den Berichten hieß es, es handle sich dabei um "Kämpfe", die am frühen Abend stattgefunden hätten. Die kosovarischen Streitkräfte hätten angeblich versucht, eine zuvor von Serben errichtete Barrikade abzubauen.

Dies wurde umgehend von der kosovarischen Polizei dementiert. Stattdessen befand sich kosovarischen Medien zufolge eine Patrouille der Kosovo-Friedenstruppe (KFOR) in der Schusszone. Die Nato-geführte Mission hatte erst vor wenigen Tagen ihre Präsenz in der Region verstärkt. Sie gab zunächst keine Stellungnahme zu dem Vorfall ab.

An diesem Dienstag nun haben militante Serben auch Barrikaden in der geteilten Stadt Mitrovica errichtet. Mehrere Lastwagen, die mit Steinen und Sand beladen sind, versperren seit Dienstagfrüh einen der Zugänge zu einem von Bosniaken bewohnten Viertel, berichtete das in der Stadt ansässige serbischsprachige Nachrichtenportal "kossev.info". Die militanten Serben fordern unter anderem die Freilassung des verhafteten Ex-Polizisten.

Was macht die kosovarische Regierung?

Die Regierung des Kosovos hatte erklärt, sie könne keinen Dialog mit "kriminellen Banden" führen. In Mitrovica sollen aber die Bewegungsfreiheit wiederhergestellt und die Barrikaden entfernt werden, so die Forderung. Die Polizei des Kosovos sei in der Lage und bereit zu handeln, warnte sie zudem. Man warte aber darauf, dass die Nato-Friedenstruppe KFOR, die eine neutrale Rolle hat, auf die Aufforderung des Kosovos zur Entfernung der Barrikaden reagiere.

Wie reagiert die serbische Regierung?

Das serbische Verteidigungsministerium teilte am Montagabend mit, Präsident Aleksandar Vučić sei überzeugt, dass die kosovarische Regierung einen Angriff auf die Serben in der Region vorbereite und die Barrikaden gewaltsam entfernen wolle. "Es gibt keinen Grund zur Panik, aber es gibt Grund zur Besorgnis", teilte das Ministeirum mit. Vučić versetzte die serbischen Streitkräfte zum wiederholten Male in erhöhte Alarmbereitschaft.

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Zudem entsandte er bereits am Sonntagabend nach Medienberichten über angebliche Kämpfe den Armeechef, General Milan Mojsilović, an die Grenze. Mehr dazu lesen Sie hier. Die Situation an der Grenze sei "kompliziert und komplex" und erfordere "in der kommenden Zeit die Präsenz der serbischen Armee", sagte Mojsilović.

Serbiens Regierungschefin Ana Brnabić warnte vor einer weiteren Eskalation im Norden des Kosovos und machte für die Spannungen die kosovarische Regierung verantwortlich. "Wir sind wirklich am Rande bewaffneter Konflikte", sagte sie am vergangenen Mittwoch in Belgrad.

Die Regierung in Belgrad unterstützt die militanten Serben im Nord-Kosovo, die sich zumeist aus kriminellen und geheimdienstlichen Milieus rekrutieren. Über diese informellen Strukturen heizt Vučić immer wieder die Spannungen im Kosovo an. In den letzten fünf Jahren hatte er die serbischen Streitkräfte sechsmal in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Dies blieb jedoch in allen Fällen folgenlos.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters, AFP
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