Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trump lässt Entscheidung für Iran-Angriff offen Kluge Strategie oder pure Unsicherheit?

Donald Trump lässt die Welt mit seiner Haltung zu einem US-Schlag gegen iranische Atomanlagen im Unklaren. Die Gründe für sein Zögern bewegen sich zwischen strategischem Kalkül und Angst vor einer Eskalation.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Wie Donald Trumps endgültige Entscheidung in Bezug auf einen US-Angriff auf den Iran lauten wird, will er noch immer offenlassen. Und in den USA streiten die politischen Kommentatoren darüber, ob es strategische Ambiguität ist, die Lust eines mutmaßlichen Narzissten an ausgiebigen Machtspielen oder ein schlicht vollkommen verantwortungsloses Verhalten.
Am Donnerstag jedenfalls betonte seine Sprecherin Karoline Leavitt im Weißen Haus vor Reportern: "Der Präsident schreckt nicht davor zurück, die volle Schlagkraft einzusetzen, wenn es notwendig ist." Der Iran und die gesamte Welt sollten wissen, dass das US-Militär die "stärkste und tödlichste Streitmacht auf diesem Planeten" sei. Man verfüge über Fähigkeiten, die kein anderes Land besäße, so Leavitt.
Dann aber schürte sie plötzlich Hoffnungen auf eine diplomatische Lösung: "Es besteht eine erhebliche Chance auf Verhandlungen mit dem Iran in den nächsten zwei Wochen." Und schließlich ließ Trump über seine Sprecherin verkünden: "Basierend auf der Tatsache, dass es möglicherweise bald, möglicherweise auch nicht, zu Verhandlungen mit dem Iran kommen könnte, werde ich meine Entscheidung, ob wir zuschlagen oder nicht, innerhalb der nächsten zwei Wochen treffen."
Trump bleibt also trotz einer neu gesetzten Frist bei seiner bereits mehrfach geäußerten Taktik nach dem Motto "Ich werde es vielleicht tun. Ich werde es vielleicht bleiben lassen. Keiner weiß, was ich tun werde." Was aber steckt hinter Trumps Zögern?
Folgende Gründe dürften großen Einfluss auf die offensichtlichen Entscheidungsprobleme des US-Präsidenten haben.
1. Strategische Ambiguität
Hinter Trumps Zögern kann eine beabsichtigte Unklarheit stecken. Sein bewusstes Spiel mit Andeutungen will der US-Präsident auf jeden Fall als Abschreckungsstrategie verstanden wissen. Trump verweist einerseits darauf, dass nur die USA über die nötige Schlagkraft verfügen, um den unterirdischen nuklearen Komplex in Fordo zu zerstören. Andererseits lässt er auch weiterhin offen, ob er diese Schlagkraft einsetzen wird. Seine Aussagen erhöhen den Druck auf die iranische Regierung und lassen zugleich Spielraum für Verhandlungen.
Diese Art des Taktierens ist ein beliebtes Mittel von Trump. Er setzt es auch beim Thema Zölle ein, indem er zuerst droht, dann plötzlich Fristen gewährt. Das Ziel: Ein Deal nach seinen Vorstellungen, der sich gut Zuhause verkaufen und ihn als genialen Verhandler dastehen lässt.
2. Widerspruch im MAGA-Lager
Trumps unklare Linie verursacht unter seinen eigenen Anhängern große Unruhe und darum auch bei ihm selbst. Auch wenn der US-Präsident versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Erkennbar ist das unter anderem an Wortmeldungen seines Vizepräsidenten JD Vance, der die MAGA-Basis mit beschwörenden Worten auf einen möglichen Militäreinsatz vorbereitet.
Der Grund: Mehrere prominente "America First"-Köpfe sprechen sich eindeutig gegen eine Intervention im Iran aus. Trumps früherer Berater und noch immer einflussreiche Figur in der MAGA-Bewegung, Steve Bannon, warnte eindringlich: "Das können wir nicht noch einmal machen", sagte Bannon vor Reportern bei einer christlichen Veranstaltung in Washington. "Wir werden das Land auseinanderreißen. Wir können keinen zweiten Irak zulassen." Er forderte, Israel müsse seine Offensive selbst vollenden.
Der rechtsextreme, frühere Fox News Moderator Tucker Carlson warf Trump sogar vor, "komplizenhaft am Kriegsakt" beteiligt zu sein. Ähnlich äußerte sich die Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene: Sie lobte öffentlich Tucker Carlson für dessen Anti-Kriegspositionen. Die MAGA-Republikaner hätten "die Nase voll" von Kriegen im Ausland aller Art, schrieb sie auf der Plattform X. US-Soldaten sollten sich auf den Schutz der amerikanischen Grenzen konzentrieren, anstatt in Konflikten in Übersee zu kämpfen und zu sterben, die die USA Billionen Dollar kosteten, so Greene.
Der Kongressabgeordnete Thomas Massie aus dem Bundesstaat Kentucky brachte sogar eine parteiübergreifende Resolution im Parlament ein: "Das ist nicht unser Krieg. Selbst wenn er es wäre, muss darüber laut unserer Verfassung der Kongress entscheiden." Trump reagiert seit Tagen gereizt auf solche Äußerungen, verteidigt sich aber mit dem Argument, dass er "America First "erfunden habe, also auch bestimmen könne, was das bedeutet. Trumps aktuelle Deutung: Amerika zuerst, das bedeute, dass der Iran keine Nuklearwaffe entwickeln kann.
3. Zweifel an technischer Wirksamkeit und Eskalationsgefahr
Trump ringt aber vor allem mit einer Frage: Würde ein Schlag die unterirdische Fordo-Anlage wirklich vollständig zerstören? Übereinstimmenden US-Medienberichten zufolge ließ sich der Präsident wiederholt über die Wirksamkeit der bunkerbrechenden Bombe vom Typ GBU-57 aufklären, also jene 30.000-Pfund-Bombe, die als einzige die unterirdische Anlage treffen könnten. Das Pentagon versicherte demnach zwar, dass ein Erfolg realistisch sei.
Dennoch bleiben Zweifel. Denn die Bombe ist noch nie im Ernstfall eingesetzt worden, weshalb einige Militärs äußerten, eine vollständige Zerstörung sei womöglich nur mit einer taktischen Atombombe möglich. Es ist eine Option, die Trump nachvollziehbarerweise ablehnt. Der Preis eines gescheiterten Angriffs aber wäre hoch: Eine beschädigte, aber nicht zerstörte Atomanlage würde dem Regime in Teheran einen Propagandaerfolg bescheren und die USA womöglich in einen Krieg hineinziehen, dessen Dynamik nicht mehr kontrollierbar wäre.
4. Auch Erfolg könnte zur Katastrophe führen
Aber auch wenn die US-Streitkräfte Fordo zerstören könnten, sind gefährliche Folgen keinesfalls ausgeschlossen. Experten warnen nicht nur davor, dass ein solcher Angriff auf die Atomanlage deutliche Umweltrisiken birgt. Sollten giftige Uranverbindungen austreten, wäre das insbesondere bei einem Angriff auf den Reaktor in Buschehr riskant. Denn dieser liegt am Persischen Golf, dessen Wasser von Staaten wie Katar, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten als einzige Trinkwasserquelle entsalzt wird. Eine nukleare Verseuchung dieses Meeresraumes würde Millionen Menschen gefährden.
Militärisch ist aber auch bei einem Erfolg mit Vergeltungsmaßnahmen des Iran zu rechnen. Das Regime in Teheran ist zwar deutlich geschwächt, hat aber auch weiterhin die Möglichkeit, über seine Milizen in Syrien, Irak, Jemen oder im Libanon asymmetrisch zu reagieren. Das gefährdet speziell die vielen US-Stützpunkte im Nahen Osten. Zwar könnten diese sich zur Wehr setzen. Dann aber würden die USA mit eigenen Bodentruppen in den Krieg involviert werden. Trump und sein Planungsstab wissen um dieses Risiko.
5. Trump steckt in der eigenen Falle
Der US-Präsident hat durch seine eigene drastische Rhetorik wenig Raum für Rückzug gelassen. Vor wenigen Tagen noch drohte er dem iranischen Führer, Ajatollah Ali Chamenei, mit dem Tod und forderte zu einer "bedingungslosen Kapitulation" auf. Solche Aussagen erschweren die Diplomatie, auch wenn Trump darauf besteht, dass eine Verhandlungslösung noch möglich sei. Fällt er dabei aber hinter seine eigentliche Forderung zurück, kann ihn das schwach aussehen lassen.
Zugleich drängt Israel weiterhin darauf, die Tatsachen nicht mit Verträgen oder Zusicherungen, sondern militärisch zu erzwingen. Premierminister Benjamin Netanjahu sprach von einer Operation, die "noch Wochen dauern könnte". Medienberichte deuten zudem darauf hin, dass Israel die Anlage in Fordo mit Bodentruppen selbst zerstören könnte. Trump könnte darauf hoffen, dass die Israelis es auch alleine schaffen. Auch bei dieser Option aber drohen Eskalationen, welche die USA zum Eingreifen zugunsten ihres Verbündeten zwingen könnten.
- Eigene Recherchen
- Pressekonferenz im Weißen Haus
- theguardian.com: "Trump caution on Iran strike linked to doubts over 'bunker buster' bomb, officials say" (Englisch)
- axios.com: "Trump presses aides on whether bunker-buster plan to bomb Iran will work" (Englisch)
- wsj.com: "This 'Bunker Buster' U.S. Bomb Could Cripple Iran’s Nuclear Ambitions" (Englisch, kostenpflichtig)