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Türkei-Zoff bei Anne Will: "Aber nicht, wenn es keinen Brandschutz gibt"


Türkei-Zoff bei Anne Will
"Aber nicht, wenn es keinen Brandschutz gibt"

t-online, Von Nico Damm

13.03.2017Lesedauer: 3 Min.
Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU, links) und der türkische Sportminister Akif Cagatay Kilic streiten in der Talkshow bei Anne Will.Vergrößern des BildesKanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU, links) und der türkische Sportminister Akif Cagatay Kilic streiten in der Talkshow bei Anne Will. (Quelle: dpa-bilder)
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Kanzleramtschef Peter Altmaier traf bei Anne Will auf den türkischen Sportminister Akif Çağatay Kılıç - und musste sich anhören, Deutschland tue zu wenig gegen PKK-Terroristen. Ein nicht ganz neuer Vorwurf.

Die Gäste:

  • Peter Altmaier (CDU), Chef des Bundeskanzleramtes
  • Akif Çağatay Kılıç (AKP), türkischer Minister für Jugend und Sport

Das Thema:

Zwischen den Regierungen der Türkei und Westeuropas gibt es schwere Zerwürfnisse. Mehrere türkische Minister machen auch im Ausland Wahlkampf für das Referendum über die Einführung eines Präsidialsystems am Donnerstag. Die Stadt Köln verbat den Auftritt des Wirtschaftsministers, Gaggenau eine Wahlveranstaltung mit dem Justizminister. Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach deshalb von "Nazi-Praktiken", die er aus ähnlichen Gründen auch der niederländischen Regierung vorwirft.

Diese hatte am Samstag dem türkischen Außenminister die Landeerlaubnis kurzfristig verweigert. Dann wurde auch die per Auto eingereiste Familienministerin festgesetzt. Die frostigen Beziehungen waren Grund für Anne Will zu fragen, wie die Länder aus dem Schlamassel wieder herauskommen könnten.

Der Frontverlauf:

Hauptthema waren die Nazi-Vergleiche Erdogans. Altmaier: "Das ist etwas, das gar nicht geht." Kılıç ging darauf aber nicht ein und übte sich lieber in Gegenangriffen. Es könne nicht sein, dass die Familienministerin daran gehindert werde, ihre eigene Botschaft aufzusuchen. "Ihr wurde ihr Recht auf Versammlungsfreiheit aus nicht verständlichen Gründen mit Polizeigewalt und aggressiven Methoden gestoppt."

Ob hier die Niederländer überreagiert hätten, wollte Will wissen. Alle Länder könnten frei darüber entscheiden, ob ausländische Regierungsmitglieder einreisen dürfen oder nicht, verteidigte Altmaier die Niederländer. Es wäre besser gewesen, wenn die türkische Regierung angefragt hätte, ob die Familienministerin auftreten darf.

Den deutschen Behörden und Gerichten warf Kılıç vor, ebenfalls parteiisch zu sein und Auftritte aus politischen Gründen zu verhindern. Altmaier widersprach: Die allermeisten Veranstaltungen würden genehmigt. "Aber nicht, wenn es keinen Brandschutz gibt."

Der Ton war recht diplomatisch: Altmaier sprach andere große Streitpunkte wie die Inhaftierung von Journalisten an, gab sich jedoch besonnen. Kılıç hatte stets ein Lächeln auf den Lippen, machte aber deutlich, dass er die Türkei in der Opferrolle sieht: Ist ein Vergleich deutscher Funktionsträger mit Nazis gerechtfertigt? Statt hierauf zu antworten, hielt der Minister ein Cover des "Spiegel" hoch, in dem Erdogan als Diktator inszeniert ist.

"Leider ist es so, dass in Deutschland insbesondere in den Medien die ganze Zeit negative Nachrichten über die Türkei verbreitet werden." Zudem habe ein PKK-Funktionär - im Gegensatz zu Erdogan, dem es im vergangenen Jahr verboten wurde - per Live-Schaltung auf einer Veranstaltung sprechen können.

Das Ablenkungsthema:

Mehr als 4000 "Terrorangehörige" leben laut Kılıç in Deutschland. "Die helfen nicht den deutsch-türkischen Beziehungen" - eine gepfefferte Anschuldigung. Gemeint sind wohl vor allem Anhänger der kurdischen Arbeiterpartei PKK. Altmaier bestritt diese Zahl - und auch, dass 4000 Akten Kanzlerin Angela Merkel auf dem G20-Gipfel in Frankreich übergeben worden seien: "Ich glaube nicht, dass Ihr Staatspräsident unserer Kanzlerin ganze Kisten übergeben hat." Wenn es Beweise für kriminelle Aktivitäten gebe, würden diese auch verfolgt. Altmaiers Vorschlag zur Güte: "Schicken Sie die Akten direkt zu mir!"

Die größten Überraschungen:

Die waren leider weniger bei den Inhalten zu suchen. Da waren die Sprachkünste der Talk-Gäste schon eine angenehme Abwechslung: Kılıç beantwortete die erste Frage noch auf Türkisch, die zweite plötzlich in fließendem Deutsch - der Politiker ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Während der Sendung wechselte er ständig zwischen den Sprachen hin und her.

Altmaier hingegen brachte ein Ausflug ins Niederländische einen Sonderapplaus ein. Da auch Anne Will seine Solidaritätsbekundung mit dem Nachbarland nicht verstand, wiederholte er es noch einmal auf Deutsch: Es sei schade, dass auch die Niederlande einem Nazi-Vergleich ausgesetzt seien.

Was bleibt:

Eine Lösung der Krise gibt es noch lange nicht, doch zumindest half bei Anne Will ein gemäßigter Ton. Dennoch: Gemeinsamkeiten fanden die beiden Minister so gut wie keine. Das lag vielleicht auch daran, dass längst nicht alles auf den Tisch kam, was im Konflikt eine Rolle spielt.

Will versäumte es, Altmaier nach der ambivalenten Haltung der Bundesregierung zu befragen. Die, so behaupten böse Zungen, schaute auffällig lange weg, als reihenweise Journalisten inhaftiert wurden und ein brutaler Krieg gegen die Kurden geführt wurde. Schließlich brauche Deutschland die Türkei als "Brandmauer" gegen die Flüchtlinge. Das alles war kein Thema für die Sendung.

Doch auch die Bundesregierung profitiert von dem Streit: Vor allem die Konservativen fischen rechte Wählerstimmen und können jetzt sagen, endlich sei der Beweis dafür da, dass die Türkei nicht zu Europa passe. Doch haben vor allem CDU und CSU eine Annäherung von Anfang an torpediert. Wäre man der Türkei offen und mit mehr Respekt begegnet - wer weiß, ob ein Demagoge wie Erdogan jemals so viel Erfolg gehabt hätte?

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