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Unicef: "Der Krieg in Syrien ist noch nicht vorbei"


Können Flüchtlinge bald zurück?
"Der Krieg in Syrien ist noch nicht vorbei"

Von t-online, jasch

Aktualisiert am 29.12.2017Lesedauer: 4 Min.
Ein im Januar 2017 aufgenommenes Foto zeigt einen Mann mit einem Kleinkind im östlichen Stadtteil Salaheddine in der vom Krieg zerstörten Stadt Aleppo.Vergrößern des BildesEin im Januar 2017 aufgenommenes Foto zeigt einen Mann mit einem Kleinkind im östlichen Stadtteil Salaheddine in der vom Krieg zerstörten Stadt Aleppo. (Quelle: Hassan Ammar/ap-bilder)
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Der Krieg in Syrien scheint sich zugunsten von Diktator Assad zu entscheiden. Der Unicef-Deutschland-Chef erklärt, ob die syrischen Flüchtlinge bald in die Heimat zurückkehren können.

Der Syrienkrieg tobt seit fast sieben Jahren. Diktator Baschar al-Assad dürfte sich dank russischer und iranischer Hilfe am Ende als Sieger feiern lassen. Doch noch immer sterben zahllose Menschen im Land – 39.000 Tote zählten Aktivisten im Jahr 2017. Unicef-Deutschland-Chef Christian Schneider war erst Anfang November in Syrien unterwegs. Im Interview mit t-online.de berichtet er von seinen Eindrücken. Bis die Millionen syrischen Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren können, ist es noch ein sehr weiter Weg, sagt er.

t-online.de: Herr Schneider, in Syrien wird immer noch gekämpft. Zugleich heißt es, Assad habe den Krieg gewonnen. Wie passt das zusammen?

Christian Schneider: Es steht fest, dass nach mehr als sieben Kriegsjahren der Krieg eben nicht vorbei ist. Es wird an etlichen Stellen gekämpft, hunderttausende Menschen müssen in belagerten Gebieten leben. Und im siebten Kriegswinter gibt es kaum noch Kinder, die nicht den Schrecken dieses grausamen Krieges ausgesetzt sind oder waren.

In Teilen von Damaskus und auch im Norden des Landes wird noch gekämpft. Gibt es Regionen, wo die Waffen ruhen?

In einigen Landesteilen wird nicht mehr heftig gekämpft, wie etwa im Ostteil von Aleppo, das ich gerade besucht habe. Zumindest im unzerstörten Teil von Aleppo findet ein Alltagsleben statt, die Menschen sind nicht mehr unmittelbar jeden Tag von Gefechten bedroht. Trotzdem sind im September noch 66 Mörsergranaten in den Westteil der Stadt geflogen. Und das sind nur die dokumentierten. Das heißt: Jeden Tag fliegen noch Sprengkörper in Wohngebiete und gefährden Krankenhäuser, Schulen, Wohnhäuser und damit auch Zivilisten und Kinder. Von Frieden oder gefahrlosem Alltag kann deshalb gerade für die Kinder keine Rede sein. Der Krieg in Syrien ist noch nicht vorbei.

Gibt es Regionen in Syrien, in denen Menschen wirklich in Frieden leben können?

Es gibt Landesteile, in denen Menschen ein halbwegs sicheres Leben führen. Es ist aber immer möglich, dass die Menschen durch aufflammende Kämpfe, Belagerungen oder durch Blindgänger oder Minen in Gefahr geraten. Das gilt gerade für Kinder. Der Blick auf die Schreckensstatistik 2017 zeigt ganz deutlich, dass auch im zurückliegenden Jahr viele Kinder getötet, verletzt oder für den Kampf rekrutiert wurden.

Wann können geflüchtete Syrer wieder in ihre Heimat zurückkehren?

Drei Dinge halte ich für essentiell. Erstens die unmittelbare Sicherheit. Solange nicht sichergestellt ist, dass Menschen nicht durch Bombardements, Scharfschützen oder Landminen gefährdet sind, können sie nicht zurückkehren, auch nicht in sogenannte befriedete Gebiete.

Was ist noch wichtig?

Zweitens können gerade Familien mit Kindern erst zurückkehren, wenn grundlegende Infrastruktur wieder funktioniert. In vielen Orten sind zum Beispiel Krankenhäuser, Wasserleitungen und Schulen zerstört. Diese Infrastruktur muss sichergestellt sein. Der dritte Punkt ist die rein humanitäre Hilfe. In Syrien leben aktuell allein fünf Millionen Kinder, die humanitäre Hilfe brauchen, also Wasser, Essen, ärztliche Versorgung. Alle diese Aspekte des täglichen Überlebens sind momentan in den meisten Gebieten Syriens nicht gesichert.

Gibt es derzeit Gebiete in Syrien, in denen diese drei Bedingungen erfüllt sind?

Es gibt Regionen, in denen aktuell nicht gekämpft wird. Es gibt nach meinem Wissen aber kaum Gebiete, in denen alle drei genannten Aspekte erfüllt sind. Sowohl von der Logistik als auch von der Finanzierung der humanitären Hilfe her ist es momentan nicht möglich, alle Menschen in Syrien zu versorgen.

Und derzeit leben in Syrien ja deutlich weniger Menschen als vor dem Krieg.

Das stimmt. In die Türkei sind mehr als drei Millionen Syrer geflüchtet, bis zu zwei Millionen leben im Libanon, weit über eine halbe Million in Jordanien. Und auch in Europa leben viele syrische Flüchtlinge. In Syrien selbst gibt es etwa sechs Millionen Binnenvertriebene, die sicherlich in ihre Heimatorte zurückkehren würden, wenn es die Sicherheitslage zuließe. Und schon bei diesen Menschen gelingt es uns nicht, sie humanitär ausreichend zu versorgen.

Es gibt also für die Millionen syrischer Flüchtlinge derzeit nicht genügend sichere Regionen im Land, in die sie zurückkehren können?

Zur Zeit ist das der Fall. Auch wenn in manchen Gebieten gerade nicht gekämpft wird, gehen andernorts die Gefechte zwischen den Kriegsparteien weiter. Bei den Menschen, die ich traf, entsteht kein Gefühl, dass der Krieg vorbei ist, wenn selbst in Aleppo ein ganzes Jahr nach dem Höhepunkt der Auseinandersetzung weiter Geschosse abgefeuert werden, die Kinder bedrohen. Und nur wenige Kilometer von Damaskus entfernt leiden über 200.000 Kinder in Ost-Ghouta seit Jahren unter Belagerung und heftigstem Beschuss.

Was ist nötig für den Frieden?

Das Ausmaß der Zerstörung ist sehr unterschiedlich. Was ich in Aleppo und bei der Fahrt durch Homs erlebt habe, ist aber wirklich beispiellos. Das sind Ruinenstädte, die uns an die ersten Tage nach dem Zweiten Weltkrieg erinnern. Nötig ist jetzt vor allem berechenbares und langfristiges Engagement der internationalen Staatengemeinschaft. Wenn militärisch Frieden eintritt, brauchen die Menschen ein Dach über dem Kopf, Wasserversorgung, Gesundheitsversorgung. Da ist viel Geld und eine auf Jahre angelegte Verpflichtung nötig.

Ein Dach über dem Kopf und Essen ist aber nur das eine.

Die Menschen müssen wieder Tritt fassen können im Alltag. Gerade die junge Generation muss wieder zur Schule gehen können, die Jugendlichen brauchen Ausbildungsgelegenheiten, sie brauchen Hoffnung auf eine Zukunft. Die ist vielen Kindern und Jugendlichen über die langen Kriegsjahre abhanden gekommen.

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