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Gewalt an Drusen: Israel meldet Angriff auf syrische Militärzentrale


Gewalt in Syrien eskaliert
Geschoss schlägt neben Präsidentenpalast in Damaskus ein

Von dpa
Aktualisiert am 16.07.2025 - 16:56 UhrLesedauer: 5 Min.
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Rauchsäule über Damaskus: Das israelische Militär hat die syrische Hauptstadt angegriffen. (Quelle: Uncredited/dpa)
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Die Kämpfe in Syrien zeigen, wie wenig Einfluss die Regierung in einigen Landesteilen weiterhin hat. Israel greift ein und bombardiert Damaskus – es wirkt wie eine Warnung an die dortigen Machthaber.

Das israelische Militär hat in der Nähe des syrischen Präsidentenpalastes in Damaskus angegriffen. In der Umgebung des Gebäudes habe es ein "militärisches Ziel" gegeben, sagte ein israelischer Militärvertreter, nannte aber keine Details. Der regierungsnahe Fernsehsender Syria TV berichtete, Kampfflugzeuge hätten den Angriff ausgeführt. Das Gebäude in der syrischen Hauptstadt ist der offizielle Sitz von Präsident Ahmed al-Scharaa.

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Fast zeitgleich bombardierte Israels Armee das Gelände, auf dem das Verteidigungsministerium und das militärische Hauptquartier Syriens liegen. Israel bestätigte dort einen Luftangriff – kurz darauf kam es zu weiteren schweren Explosionen. Die syrische Nachrichtenagentur Sana berichtete, bei den israelischen Angriffen in Damaskus seien 13 Menschen verletzt worden.

Israelische Angriffe nach Gewalt im Süden Syriens

Wo al-Scharaa, die syrischen Minister und weitere ranghohe Regierungsmitglieder sich zum Zeitpunkt der Angriffe aufhielten, ist unklar. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, über ihren Zustand sei nichts bekannt. Syrische Medien berichteten, dass eine öffentliche Stellungnahme al-Scharaas geplant sei. Die Beobachtungsstelle bestätigte, dass Israel mehrere Ziele in Damaskus angegriffen habe und sich dabei auf "Kommandozentren" konzentriere.

Die US-Regierung hat Israel einem Medienbericht zufolge erneut aufgefordert, die Angriffe auf Syrien einzustellen. Zudem solle Israel in einen Dialog mit der Regierung in Damaskus treten, berichtet das Nachrichtenportal Axios unter Berufung auf einen hochrangigen US-Regierungsvertreter. Axios ließ offen, ob die Aufforderung vor oder nach den israelischen Angriffen vom Mittwoch auf das syrische Militärhauptquartier und den Präsidentenpalast in Damaskus erfolgte.

Schutzmaßnahme für Drusen?

Der Angriff folgt auf tagelange Gewalt im südlichen Syrien. Dort waren Kämpfe zwischen Drusen und sunnitischen Beduinen in der Provinz Suwaida ausgebrochen, woraufhin die syrische Regierung Truppen und andere Sicherheitskräfte schickte. Israel griff nach eigenen Angaben zum Schutz der drusischen Minderheit ein. Nach Ausbruch der Gewalt wurden laut Menschenrechtsaktivisten seit Sonntag mehr als 250 Menschen getötet, darunter rund 20 Menschen, die "hingerichtet" worden seien.

Die Opferzahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Die Angaben der Beobachtungsstelle mit Sitz in London, die den Konflikt in Syrien mit einem Netz aus Aktivisten verfolgt, gelten aber als in der Regel verlässlich. Auch drusische Kreise sprachen von insgesamt rund 250 Toten. Aus syrischen Armeekreisen erfuhr die Deutschen Presse-Agentur, dass rund 150 Truppen und andere Sicherheitskräfte der Regierung getötet worden seien.

Nach eigenen Angaben will Israel mit den Angriffen auf Truppen der syrischen Regierung die Drusen schützen. Israel fühlt sich ihrem Schutz verpflichtet, nicht nur, weil viele Drusen im israelischen Militär dienen. Sie sind eine religiöse Minderheit, die aus dem schiitischen Islam hervorging. Sie leben mehrheitlich in Syrien, aber auch in Israel, dem Libanon und Jordanien. Die syrische Provinz Suwaida im Süden ist ihre Hochburg und wichtig wegen der Grenzen zu Jordanien und der Nähe zu Israel.

Katz droht syrischen Machthabern

Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz teilte mit: "Das syrische Regime muss die Drusen in Suwaida in Ruhe lassen und seine Truppen abziehen." Das Militär werde seine Angriffe auf die syrischen Truppen noch verstärken, "wenn die Botschaft nicht ankommt". Der Luftangriff im Zentrum von Damaskus wirkte dabei wie eine weitere Warnung. Israel will auch eine Eskalation an der eigenen Grenze und auf den Golanhöhen verhindern, die Israel besetzt und annektiert hat.

Israels Regierung will Beobachtern zufolge die Drusen in Südsyrien auch stärken, damit sich in der Gegend nahe der Grenze zu Israel keine vom Iran unterstützten Milizen oder islamistischen Gruppen ansiedeln, die gegen Israel vorgehen wollen.

Israel sieht in den Drusen auch einen potenziellen Verbündeten gegen diese Gruppierungen. Viele syrische Drusen lehnen ein Eingreifen Israels aber ab und befürchten die Einmischung von außen. In Suwaida verteidigen drusische Milizen die örtliche Gemeinde und haben sich gegen den staatlichen Einfluss aus Damaskus bisher gewehrt.

Spannungen steigen an?

Die israelische Regierung hatte sich eigentlich offen gezeigt für eine Annäherung ihrer Länder, die sich seit Gründung Israels im Jahr 1948 offiziell im Kriegszustand befinden. Durch den Sturz von Machthaber Baschar al-Assad, der mit Israels Erzfeind Iran verbündet war, schienen solche Schritte zumindest möglich. Auch die USA sehen Syrien als wichtiges Land im Versuch, Israel in der Nahost-Region mehr zu integrieren und den Druck auf den Iran zu erhöhen.

Die neue Gewalt rückt die konfessionellen Spannungen in Syrien wieder in den Fokus. Im Land tobte ab 2011 ein blutiger Bürgerkrieg mit Hunderttausenden Toten und Millionen Vertriebenen. Als Assad im Dezember gestürzt wurde, gab es Hoffnung, dass die neue Regierung von Präsident Ahmed al-Scharaa wie versprochen für Stabilität sorgen würde. Seitdem kam es aber wiederholt zu Gewalt mit teils Hunderten Toten.

Die Truppen der syrischen Regierung antworten weiterhin auf Beschuss im Ort Suwaida, teilte das Verteidigungsministerium in Damaskus mit. Ihr Ziel sei, Anwohner zu beschützen und eine sichere Rückkehr für diejenigen zu ermöglichen, die ihre Heimat wegen der tagelangen Gewalt verließen. Zivilisten wurden aufgerufen, in ihren Häusern zu bleiben.

Berichte über Plünderungen

Im Internet kursierten Fotos und Videos von Gewalt und Demütigungen gegenüber der Drusen, denen demnach Schnurrbärte abrasiert wurden. Diese dienen den Drusen als Symbol von Würde und von ihrer religiösen Identität. Die geistlichen Anführer der Drusen waren uneins darüber, ob die drusischen Milizen mit den Regierungstruppen kooperieren oder sie bekämpfen sollten. Das Misstrauen gegenüber den neuen Machthabern in Damaskus ist weiterhin groß.

Die Regierung in Damaskus rief die Sicherheitskräfte zur Disziplin auf. Die Beobachtungsstelle berichtete von Plünderungen und Vandalismus, teils hätten Regierungstruppen und deren Verbündete auch Feuer gelegt.

Viele Menschen flüchteten aus der Gegend, um sich in Sicherheit zu bringen. Fotos und Videos zeigten Familien, die Suwaida in Richtung benachbarter Dörfer verließen. Weil Suwaida vor allem von Damaskus aus mit Waren beliefert wird, wächst die Sorge vor einer Knappheit an Lebens- und Arzneimitteln. Die Lage im örtlichen Krankenhaus soll katastrophal sein – in der Umgebung werde gekämpft, ärztliches Personal sei seit Tagen im Dauereinsatz.

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Weitere Grenzübertritte

Am Dienstag hatte sich die Lage nach Verkündung einer Waffenruhe zeitweise beruhigt. Syriens Verteidigungsminister Marhaf Abu Kasra sprach von einer "vollständigen Waffenruhe nach einer Einigung mit den Würdenträgern". Nach dem angekündigten Abzug der Regierungstruppen kam es aber zu neuer Gewalt und die Kämpfe dauerten auch heute an.

Wie am Dienstag versuchten auch am Mittwoch einige Drusen aus Israel, die Grenze zu Syrien zu überqueren, um andere Drusen dort zu unterstützen. Anführer der Drusen in Israel machen zugleich Druck auf die israelische Führung, in den Konflikt im Nachbarland einzugreifen. Laut Israels Armee versuchten zugleich "Dutzende Verdächtige" von Syrien aus auf israelisch kontrolliertes Gebiet zu gelangen. Die Syrische Beobachtungsstelle mit Sitz in Großbritannien sagte der Deutschen Presse-Agentur, sie habe Informationen darüber, dass es sich um syrische Drusen handle, die in Israel Schutz suchen wollten.

Israels Angriffe auf Damaskus untergraben aus Sicht der Türkei die Friedensbemühungen in dem ehemaligen Bürgerkriegsland Syrien. Sie stellten einen "Sabotageakt gegen die Bemühungen Syriens um Frieden, Stabilität und Sicherheit dar", teilte das Außenministerium in Ankara mit. Das syrische Volk habe eine historische Chance auf Frieden, alle Beteiligten müssten die Bemühungen der syrischen Regierung dahingehend unterstützen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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