Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.FBI legt US-Senator Handschellen an Die Gefahr ist längst real

Was dem US-Senator Alex Padilla in Los Angeles geschah, ist ein Skandal. Wer in Trumps Amerika Fragen stellt, wird buchstäblich niedergerungen.
Bastian Brauns berichtet aus Los Angeles
Der Totalitarismus rückt in Trumps Amerika jeden Tag näher. Solche Thesen wirkten lange wie überzogene Warnungen. Es waren rhetorische Spitzen der Demokraten im seit Jahren aufgeheizten Meinungskampf eines tief gespaltenen Landes. Zu Recht treten einige angesichts solcher Anschuldigungen auch wiederholt auf die Bremse. Düstere Szenarien wie gar ein Bürgerkrieg sollten nicht unvorsichtig herbeigeredet werden.
Aber was sich am Donnerstag in Los Angeles zugetragen hat, sollte nicht relativiert werden. Wenn die Vereinigten Staaten sich weiter in diese Richtung entwickeln, stehen sie bald am Abgrund ihrer demokratischen Ordnung. Viele erkennen das nachvollziehbarerweise erst, wenn es sie selbst betrifft. Jetzt aber betrifft das Muster der Unterdrückung sogar höchste Repräsentanten des Staates und nicht nur Migranten ohne gültige Papiere, deren Schicksal allzu oft ignoriert wurde.
Der Vorfall hat historische Tragweite, auch wenn er klein erscheinen mag: Der demokratische US-Senator Alex Padilla wurde bei einer Pressekonferenz der Ministerin für Innere Sicherheit, Kristi Noem, brutal von FBI-Beamten zu Boden gerissen und in Handschellen gelegt. Der Grund: Er wollte ihr eine Frage stellen und unterbrach Kristi Noem. Aber er veranstaltete keinen Aufruhr, startete keinen Angriff und stellte keine Bedrohung dar.
Auch wenn Trumps Ministerin, die sich in diesen Tagen nur zu gern uniformiert im Militär-Look in Szene setzt, Gegenteiliges behauptet: Padilla stellte sich, klar und deutlich, mit seinem Namen und als Senator vor. Dennoch wurde er, wie Videoaufnahmen belegen, direkt im Anschluss zu Boden gedrückt. Ein Senator der Vereinigten Staaten. Öffentlich. Vor laufender Kamera. Hätte es Zweifel an seiner Identität gegeben, wie Noem suggeriert, hätte man ihn schlicht nach seinem Ausweis fragen können.
Ein Vorfall wie in einer "Bananenrepublik"
Es ist ein symbolischer Moment, der für das steht, was derzeit im ganzen Land geschieht: Trump und seine Regierungsmitglieder offenbaren einen autoritären Machtanspruch, der keine kritischen Stimmen duldet. Egal, ob auf den Straßen von Los Angeles oder im offiziellen politischen Raum. Senatoren haben in den USA ganz besondere Rechte. Sie dürfen etwa bestimmte Prozesse, wie die aktuellen Abschiebungen, vor Ort beobachten und bekommen Zugang, wo andere keinen bekommen.
Wie folgenlos die US-Regierung anscheinend vorgehen kann, zeigt sich auch in den Reaktionen von Padillas republikanischen Amtskollegen an der Ostküste in Washington. Sie reichen von Schweigen über Zustimmung bis zu Spott. Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, immerhin der drittmächtigste Mann im Staat, bezeichnete das Verhalten des Senators als "vollkommen unangemessen" und forderte sogar disziplinarische Maßnahmen gegen Padilla im Senat.
Trumps Ministerin Noem versuchte sich in der Täter-Opfer-Umkehr. Im Fernsehsender Fox News behauptete sie, Padilla habe "die Kontrolle verloren". Es ist eine groteske Verdrehung der Realität. Die Wahrheit ist: Wer sich gegen Donald Trumps Kurs stellt, wer unangenehme Fragen zu den hochgradig intransparenten und teils illegalen Massenabschiebungen, zu den Menschenrechtsverletzungen und zu der militarisierten ICE-Behörde stellt, soll mundtot gemacht werden. Oder wird nun sogar buchstäblich zu Boden gerungen. Es geht auch darum, die politische Opposition zum Schweigen zu bringen.
Das sind Zustände, die an Regime erinnern, über die Trump sonst gern herzieht. Er nennt sie "Bananenrepubliken" oder "Dreckslöcher". Wiederholt behauptete er, die Demokraten und sein Amtsvorgänger Joe Biden würden die USA wegen ihrer Politik in ein Dritte-Welt-Land verwandeln. Der US-Präsident befindet sich selbst auf diesem Weg. Denn er und seine Regierung achten weder auf demokratische Gepflogenheiten noch scheren sie sich um Gesetze oder Gerichtsurteile.
Trumps "größte Deportationsoperation der Geschichte"
Das Kalkül ist offensichtlich. Schon im Wahlkampf hatte Trump angekündigt, "die größte Deportationsoperation in der Geschichte" zu starten. Jetzt setzt er sie mit voller Härte um. Mehr als 140.000 Menschen wurden bereits festgenommen – viele davon ohne Papiere, aber längst Teil der amerikanischen Gesellschaft: als Bauarbeiter, Reinigungskräfte, Köche, Pflegepersonal.
Sie leben hier, sie arbeiten hier, sie zahlen Steuern – aber sie leben in Angst. In Kalifornien, jenem Bundesstaat, den Senator Padilla vertritt, rollt derzeit eine rigorose Abschiebepraxis, wie sie die USA seit Jahrzehnten nicht erlebt haben. Es gibt Razzien in Kirchen, an Schulen, bei Abschlussfeiern. Familien werden auseinandergerissen. Das alles unter dem Deckmantel "kriminalitätsbezogener Ermittlungen", wie Trumps als "Grenzzar" bezeichneter Abschiebebeauftragter Tom Homan behauptet. In Wahrheit aber kündigt er offen an, liberale Städte zu "fluten" – mit ICE-Razzien, mit der Nationalgarde und der Militäreinheit, den Marines.
Der Ausnahmezustand wird zur neuen Normalität
Der Fall Padilla reiht sich ein in ein beängstigendes Muster. Vor wenigen Wochen wurde in Newark die demokratische Abgeordnete LaMonica McIver angezeigt, weil sie ein ICE-Abschiebezentrum betreten wollte, um sich über die Zustände dort zu informieren. Der Bürgermeister von Newark, ebenfalls ein Demokrat, wurde wegen angeblicher "Störung" verhaftet.
Das sind nur einige Beispiele von vielen. Jeden Tag finden Grenzüberschreitungen und Tabubrüche statt, die nur dank weniger aufmerksamer Beobachter bekannt werden. Bei den Protesten in Los Angeles kreisten über den Demonstranten Drohnen, die eigentlich vom US-Militär bei der Grenzsicherung eingesetzt werden. Diese dürfen nicht zur Überwachung von Bürgern im Inland eingesetzt werden. Vor allem nicht, wenn sie schlicht ihr Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit wahrnehmen. Die offizielle Begründung zum Einsatz der Drohnen seitens der Behörden lautete: Man habe nur für die Sicherheit der Einsatzkräfte gesorgt und keine Bürger überwacht.
Die Militarisierung des öffentlichen Raums schreitet unter Trump erschreckend schnell voran. Der Einsatz der Nationalgarde und der Marinesoldaten, aber auch die bevorstehende Militärparade zu seinem Geburtstag zeugen davon. Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth verweigert vor dem Kongress jede Zusicherung, sich an Gerichtsbeschlüsse zu halten. Der Präsident lässt weiterhin offen, ob er den sogenannten Insurrection Act, ein Gesetz zur Aufstandsbekämpfung, anwenden will.
Die Frage ist nicht mehr, ob Trump in Amerika eine autoritäre Agenda verfolgt. Die Frage ist: Wie weit ist er bereits gegangen und wie weit ist er bereit noch zu gehen?
- Eigene Überlegungen