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Trainer im Profi-Fußball: Gelobt, gefeiert – entlassen


Tuchel, Keller, Verbeek
Trainer im Profi-Fußball: Gelobt, gefeiert – entlassen

  • Gerhad Spörl
MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

12.02.2018Lesedauer: 5 Min.
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Ex-BVB-Trainer Thomas Tuchel: Von ihm heißt es, er sei menschlich schwierig.Vergrößern des Bildes
Ex-BVB-Trainer Thomas Tuchel: Von ihm heißt es, er sei menschlich schwierig. (Quelle: Bernd Thissen/dpa-bilder)

Gute Trainer sind oft schwierige Menschen. Haben sie keinen Erfolg, müssen sie gehen und keiner wundert sich. Aber manchmal werden sie auch entlassen, obwohl sie Erfolg haben und das rächt sich dann, wie sich an drei Vereinen ablesen lässt.

Momentan verfolge ich drei Vereine mit einiger Spannung: Borussia Dortmund, Union Berlin, VfL Bochum. Alle drei spielen eine verrückte Saison, in der sie ihren Ansprüchen nicht annähernd gerecht werden. Die Gründe dafür sind interessant.

An Borussia Dortmund hängt mein Herz. Dieser Verein war gestern noch pleite und ist heute reich: Umsatz mehr als 400 Millionen Euro. Er hat über die Jahre fast alles richtig gemacht, ist dafür mit Titeln belohnt worden und beliebt bei all denen jenseits des Ruhrgebiets, die Bayern München nicht leiden können. Zudem ist der BVB der einzige börsennotierte Verein der Bundesliga.

Kein Wort über Tuchel

In dieser Saison ist der Wurm drin. Der bewundernswerte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hat in der vorigen Woche der "FAZ" ein langes Interview gegeben, in dem er über das Theater um Aubameyang, die Langzeitwirkung des Anschlags und die Mentalität des Vereins sprach und ankündigte, dass ein Umbruch notwendig sei. Nur ein Name fiel nicht: Thomas Tuchel.

Union Berlin ist ein hinreißender Verein. Ich war zum großen Weihnachtssingen im Stadion, kalte Nacht, herrliche Stimmung, Kerzen in allen Händen, Flutlicht aus. Immer mal wieder rief der Moderator: „Und niemals vergessen!“ Und 25.000 Zuschauer schrien: „Eisern Union!“ Und dann stimmten sie „O Tannenbaum“ an und sangen inbrünstig mit. Mehr Stimmung geht gar nicht.

Nach dem Rauswurf kam der Absturz

An diesem Wochenende hat Union endlich mal wieder gewonnen, zum Glück. Anfang Dezember hatten sie 1:2 gegen den VfL Bochum verloren und feuerten daraufhin den Trainer Jens Keller. Da standen sie auf Platz 4, in Rufweite zum Spitzentrio. Die Folge war der Absturz auf Platz 10. Ohne den Heimsieg gegen Düsseldorf wäre es noch weiter nach unten gegangen und Trainer André Hofschneider fällig gewesen. Hofschneider war mit der Bemerkung auffällig geworden, das Stadion und die tolle Atmosphäre bauten die Gegner auf; darin sah er ein großes Problem. Aha, gerade eben noch waren die Zuschauer der 12. Mann gewesen, für Union, versteht sich.

Auch der VfL Bochum hat zur Abwechslung gewonnen und nunmehr immerhin drei Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz. Das ist gut so, denn dieser klassische Ruhrgebietsverein hat es fertig gebracht, drei Trainer in dieser Saison zu entlassen und dazu auch noch den Geschäftsführer. Er muss also jetzt vier Trainer und zwei Geschäftsführer bezahlen, ziemlich peinlich bei sinkender Zuschauerzahl.

Tuchel, Keller, Verbeek: Erfolgreich und doch abserviert

Was haben alle drei Mannschaften gemeinsam? Sie haben erfolgreiche Trainer abserviert. Thomas Tuchel war das magische Trio Hummels/Mkhitaryan/Gündogan durch Verkauf weggebrochen. Seine große Leistung bestand darin, dass der BVB sich wieder für die Champions League qualifizierte, was unbedingt notwendig ist für den Etat, und dazu noch den Pokal gewann. Nach dem Endspiel saß Hans-Joachim Watzke ganz allein auf der Tribüne im Olympiastadion, rauchte einen Zigarillo und war in sich versunken. Ich ging zu ihm hin und wünschte ihm Glück bei der anstehenden Entscheidung. Wenige Tage später entließ er Tuchel.

Unter Jens Keller spielte Union erfolgreichen Fußball, nicht immer schön, aber immer kompakt. Deshalb tauchte die Idee auf, die lange tabu gewesen war: Aufstieg! Der Erfolg steigerte die Ansprüche, aber daraus entsteht nicht unbedingt neuer Erfolg, manchmal eher das Gegenteil. Angst schlich sich in die Mannschaft ein, die Instabilität nach sich zog. Der Trainer verlor seine Souveränität, entzog dem einen oder anderen Spieler sein Vertrauen. Die Vereinsführung wurde unruhig. Anstatt die Ansprüche zu überdenken und den Druck von Mannschaft und Trainer zu nehmen, musste der Trainer dran glauben. Von Aufstieg redet jetzt keiner mehr, obwohl Düsseldorf und Kiel vorne in der Tabelle schwächeln und ausgerechnet der MSV Duisburg jetzt dort steht, wo Union gestern noch gestanden hatte, auf dem vierten Platz. Duisburg, der Neuling!

Gertjan Verbeek trainierte bis vor Kurzem den VfL Bochum. Der Verein wurde unter ihm in der vorigen Saison 9. Worin der Wunsch begründet sein soll, dass er in dieser Spielzeit aufsteigen will, habe ich nicht recht verstanden. Das Stadion ist schön, liegt mitten in der Stadt, die Anhänger sind treu, die Mannschaft ist nicht schlecht, die Aussichten auf Aufstieg könnten gut sein, weil sich an der Spitze niemand absetzen kann, aber der VfL Bochum kann froh sein, wenn er nicht absteigt. Verbeek war der Erste der drei Geschassten, er musste noch vor Saisonbeginn gehen.

Wer definiert das Schwierige und das Eigene?

Für jede Trainerentlassung gibt es Gründe. Von Tuchel heißt es, er sei menschlich schwierig. Keller ist eigen, Verbeek sehr eigen. Gerne wüsste ich, worin das menschlich Schwierige und das Eigene besteht und wer es definiert. Oft ist es nur ein Machtkampf, bei dem die Vernetzung mit den lokalen und regionalen Medien entscheidend für die öffentliche Stimmung ist. Der Vorteil liegt bei denen, die immer schon da waren, und das sind nun einmal die Vereinsoberen.

Was macht einen guten Trainer aus? Er muss vor allem die eigene Mannschaft lesen und besser machen können. Die besten Spieler sind oft die schwierigsten. Warum blühte Henrikh Mkhitaryan unter Tuchel auf, warum Aubameyang, wie konnte ein unauffälliges Talent wie Julian Weigl eine überragende Saison spielen, warum explodierte Ousmane Dembélé plötzlich, wer hat eigentlich Christian Pulisic entdeckt? Als es darauf ankam, war der BVB da, hatte sich die Mannschaft nach einigen Irrungen und Wirrungen gefangen. Diese Saison besteht nur aus Irrungen und Wirrungen.

Tüftler, Besessene, schwierige Typen

Die guten Trainer sind fast zwangsläufig auch schwierig. Sie lassen sich nicht gerne dreinreden, deshalb bringen sie ein Team mit, das auch wieder mit ihnen geht. Sie sind Tüftler, Besessene, studieren jeden Gegner, als sei er der letzte. Sie können andere mit ihrem Perfektionismus irre machen. Wahrscheinlich ist es besser, wenn sie nach einer gewissen Zeit, spätestens nach fünf Jahren, weiterziehen. Arsène Wenger, ein Vorbild als kreativer Trainer, verweilt schon viel zu lange bei Arsenal, zu seinem eigenen Schaden.

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Ich bin überzeugt davon, dass es sich rächt, erfolgreiche Trainer rauszuschmeißen. Nach Keller und Verbeek kam nichts Besseres nach, im Gegenteil. Peter Bosz war eine Verlegenheitslösung. Lucien Favre hätte es beim BVB werden sollen. Favre? Ein schwieriger Mensch, ein guter Trainer. Reicht es im Herzen des Ruhrgebiets, ein guter Trainer zu sein, oder sollte er nicht auch noch gern ein Bierchen trinken und Skat spielen und sich wie ein Springteufel am Spielfeldrand aufführen, inklusive Grimassen, vor denen er sich hinterher selber fürchtet? Der BVB träumt von einem neuen, jungen Kloppo und herrlicher Harmonie. Schon Kloppos letzte Saison vergessen?

Das US-Prinzip: Neuer Trainer, neue Spieler, neues Glück

Über Strategien und Mannschaftsformung habe ich in Amerika viel gelernt. Im Basketball werden Teams oft schon dann gesprengt, wenn sie noch Erfolg haben, aber ihr Zenit überschritten ist. Gute Spieler werden weggeschickt, Ablöse wie im europäischen Fußball gibt es nicht. Auch Trainer werden entlassen, nicht aus Qualitätsgründen, sondern aus grundsätzlichen Überlegungen. Junge Spieler werden gesucht, um die herum eine neue Mannschaft aufgebaut werden kann. Neuer Trainer, neue Spieler, neues Glück.

Von Amerika lernen hieße zum Beispiel, dass der HSV ganz viele Leute wegschickt, nicht nur Spieler. Dass sich der VfL Bochum der Frage widmet, worin eigentlich die Mitschuld des Vorstands und Aufsichtsrats an der Katastrophe besteht. Dass sich der BVB fragt, ob der Anfang der Turbulenzen nicht vielleicht in der Entlassung Thomas Tuchels liegen könnte. Dass sich Union Berlin mit seiner Vorliebe für politisch korrekte Moral ein bisschen Selbstkritik gönnt.

Gute Trainer sind rar, das merkt man spätestens dann, wenn nichts Gutes nachkommt. Gute Vereinsbosse wissen das und halten still, auch wenn es schwerfällt. Besser ist das, denn sonst könnte sich das Karussell auch einmal anders herum drehen.

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