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Donald Trump und das Impeachment: Die Schlacht beginnt


Post aus Washington
Die Schlacht beginnt

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold

15.11.2019Lesedauer: 5 Min.
Meinung
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Donald Trump bei Wahlkampfauftritt in Louisiana: "Deppen", "Schwindel", "Hexenjagd".Vergrößern des Bildes
Donald Trump bei Wahlkampfauftritt in Louisiana: "Deppen", "Schwindel", "Hexenjagd". (Quelle: Gerald Herbert/ap)

Demokraten und Republikaner rüsten auf: Bei der Untersuchung zu einer Amtsenthebung spielten Fakten keine große Rolle. Dabei bietet Trump schon den nächsten Grund zum Gruseln.

Guten Tag aus Washington!

Am Ende dieser historischen Woche haben sich auf folgende Frage zwei völlig unterschiedliche Antworten herausgeschält:

Was müssen Sie tun, um als Präsident eines strategisch wichtigen Landes am Rande Europas von Donald Trump ins Weiße Haus eingeladen zu werden?

A: Sie müssen im US-Fernsehen auftreten und ankündigen, zwei Ermittlungen einzuleiten: Zum einen gegen die Firma, die den Sohn von Trumps innenpolitischem Konkurrenten beschäftigte, zum anderen eine Verschwörungstheorie über eine vermeintliche Wahleinmischung ihrer Heimat zugunsten der Demokraten untersuchen. Dann erhalten Sie die versprochene Militärhilfe für Ihren Krieg gegen den gemeinsamen Rivalen Russland und eventuell einen Termin in Washington.

B: Sie können bei eben jenem Rivalen Russland ihre Raketensysteme einkaufen, obwohl Sie in der Nato sind, einen Einmarsch in Nordsyrien starten, der Hunderttausende in die Flucht treibt und sich auch gern noch über einen Brief Trumps lustig machen – Trump wird sie mit offenen Armen empfangen.

Variante A war Trumps Deal für den frisch gewählten ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, weshalb Trump jetzt die Impeachment-Untersuchung an der Backe hat. Variante B konnte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in Anspruch nehmen.

Der Auftakt öffentlicher Impeachment-Anhörungen und ein wirklich denkwürdiger Besuch Erdogans fielen an einem atemlosen Mittwoch dieser Woche aufeinander – und sie verdeutlichen, was unter Trump in Washington alles ins Schlittern geraten ist.

Das alte Washington gegen Trump

Mittwochfrüh, Saal 1100 Longworth, der größte Raum, der sich in einem der Gebäude des Repräsentantenhauses auftreiben lässt. Er dient in den kommenden zehn Tagen als Bühne für die Impeachment-Anhörungen.

Die Demokraten haben zwei Karrierediplomaten ausgesucht, die als überparteilich gelten und genügend belastende Indizien bereithalten. Taylor, einst von George W. Bush zum Ukraine-Botschafter ernannt und von Trumps Regierung aus dem Ruhestand geholt, seriös bis in die Haarspitzen. Daneben George Kent, im Außenministerium für die Ukraine zuständig, kommt im Dreiteiler und in Fliege. Zwei Profis.

Sie wirken an diesem Mittwoch in Washington auf mich wie Zeitreisende.

Denn die Ernsthaftigkeit der Zeugen wirkt als Negativfolie zum Theater, zu der die Politik in Washington in den vergangenen Jahren verkommen ist, wo Figuren wie Trumps Anwalt Rudy Giuliani plötzlich Außenpolitik übernehmen. Falls die beiden davon angeekelt sind, verbergen sie es. Sie sprechen von "irregulären Kanälen", auf denen Trump Außenpolitik betreibe, zeigen sich "besorgt". Hier spricht das alte Washington gegen Trump.

Interessieren Sie sich für US-Politik? Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. , die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Ich würde Ihnen ja gern von der hartnäckigen Suche nach neuen Beweisen, vom aufklärerischen Antrieb der Parlamentarier berichten, die der Affäre auf den Grund gehen wollen.

Doch Impeachment ist kein juristischer Prozess zur Wahrheitssuche, in dem es reichen würde, dass Trump schwer belastet ist. Impeachment ist ein politisches Unterfangen, wo die eine Seite den Präsidenten stürzen will und die andere ihn verteidigen. Und da die Zeiten in den USA so sind, wie sie sind, ist Impeachment auch eine Schlacht, in der es zur Randnotiz verkommt, dass Trump Taylor bereits als "menschlichen Abschaum" bezeichnete.

Die Schlacht

Die Demokraten fangen deshalb jetzt davon an zu sprechen, dass Trump die Ukraine "bestechen" wollte – denn Bestechung ist einer der wenigen Fälle, für die die Verfassung ein Impeachment erwähnt. Und sie wollen das Votum so schnell wie möglich abhalten, am besten vor Weihnachten, damit der Prozess nicht die Vorwahlen überschattet.

Die Demokraten haben viele Indizien auf ihrer Seite – man muss schon bewusst die Augen schließen, um Trumps Machtmissbrauch in der Ukraine-Affäre nicht zu sehen. Doch das ist nicht die entscheidende Frage, wenn es um Impeachment geht. Die lautet, ob sie genügend Amerikaner und ein paar Republikaner überzeugen können, dass das genügen soll, um Trump aus dem Amt zu befördern.

Trumps mächtige Verbündete

Doch die Wahrheit ist, dass Trump seine Partei und Fox News an seiner Seite weiß. Der Sender versorgt einen Teil der Nation nur mit Informationen, die Trump als Helden und alle anderen als Bösewichte dastehen lassen.

So ist es auch nach dem Auftakt der Anhörungen: In den Meinungsshows auf Fox waren die Demokraten die Verlierer, die Zeugen "Deppen", und die Impeachment-Untersuchung ist dort wahlweise ein "Schwindel", ein Schauprozess "nach Sowjet-Art", eine "niemals endende Hexenjagd".

Niemand weiß, wohin uns die Untersuchungen noch führen. Doch Sie können die ganzen "Für Trump wird es jetzt eng"-Schlagzeilen getrost ignorieren, so lange sich nichts an der Haltung der Fox-Öffentlichkeit oder seiner Partei ändert. Und dazu fehlt mir die Fantasie: Amerika kann sich längst nicht mehr auf Tatsachen einigen und dieser Umstand wird auch das Impeachment prägen.

Schwerer Stau im Weißen Haus

Mitten in den Anhörungen stürme ich am Mittwochnachmittag schweren Herzens aus dem Saal und fahre mit dem Taxi die drei Kilometer ins Weiße Haus. Dort warten: Trump und Erdogan. Nein, erst einmal warte ich. Auf den Secret Service am Eingangstor, auf die Pressemitarbeiter, die einen abholen, dann noch eine Stunde auf Trump und Erdogan. Es herrscht schwerer Stau im Weißen Haus.

Nach und nach erst wird durchsickern warum: Die Staatschefs sitzen im Oval Office viel länger als geplant zusammen. Trump hat kurzfristig fünf Senatoren herbeibeordert und überlässt ihnen die Kritik an Erdogans Syrien- und Rüstungspolitik. Erdogan zeigt Trump dafür ein Propagandafilmchen über kurdischen Terror auf einem mitgebrachten iPad.

Als sie dann noch zu uns in den East Room kommen, überhäuft Trump Erdogan mit Lob. Gemeinsame Pressekonferenzen sind nie der Ort für die ganz harte Kritik. Doch der Auftritt ist wegen der unterschiedlichen Tonlage bemerkenswert. Trump sagt, er sei "großer Fan" von Erdogan, der kämpfe so gegen Terrorismus, wie man es selbst tue. Er lobt dessen Verteidigungspolitik, während er mal wieder die Europäer kritisiert. Fazit Trump: "Großartige Beziehung auf persönlicher Ebene und zwischen den Ländern".

Kritik kommt dann doch noch – aber von Erdogan. Er beklagt sich über die Resolution aus dem Repräsentantenhaus zum Völkermord an den Armeniern und darüber, dass die Amerikaner seinen Widersacher Fetullah Gülen nicht auslieferten. Einen Auftritt eines Staatsgastes im Weißen Haus, wo nur der Gast den US-Präsidenten kritisiert, habe ich noch nicht erlebt.


Die Autokraten, die starken Männer, haben es momentan leicht im Weißen Haus Trumps – weil Trump so gern einer von ihnen wäre. Das ist für das alte Washington ein mindestens genauso großer Grund zum Gruseln wie die Ukraine-Affäre.

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