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Wahl-Eklat in Thüringen: Der zweite Akt der AfD folgt schon bald


Der zweite Akt der AfD steht schon bevor

  • Gerhad Spörl
Eine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 10.02.2020Lesedauer: 4 Min.
Meinung
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Wahl des neuen Ministerpräsidenten Thüringens: Björn Höcke gratuliert FDP-Mann Thomas Kemmerich.Vergrößern des Bildes
Wahl des neuen Ministerpräsidenten Thüringens: Björn Höcke gratuliert FDP-Mann Thomas Kemmerich. (Quelle: imago images)

Der Thüringen-Eklat um die Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten mithilfe der AfD könnte seine Fortsetzung finden. Nun liegt es an den anderen Parteien, klug zu handeln.

Manchmal lohnt es sich, in den Druckerzeugnissen der Neuen Rechten zu blättern, damit man weiß, was dort gedacht wird. Ich habe die "Sezession" abonniert, das ist ein Magazin, in dem die Intellektuellen dieser Denkrichtung schreiben. Sie sind Stichwortgeber für die AfD.

Dort findet sich zum Beispiel der Begriff "Konsensstörung". Gemeint ist damit, dass die "ideologiefreie Mitte" entlarvt werden soll als das, was sie ist: eine Ideologie. Was wie ein Glasperlenspiel anmutet, lässt sich leicht ins Politische übersetzen: Das Prinzip Unterbrechung zielt auf CDU/FDP/SPD/Grüne als Ingenieure des Normalbetriebs, denen man Sand ins Getriebe streuen soll.

Den Gang der Dinge durch überraschende Aktionen zu unterbrechen, ist natürlich kein Monopol der Rechten. Auch die Grünen ließen sich in ihren parlamentarischen Anfängen einiges einfallen, um das Parlament zu schockieren. Zum Beispiel sagte Joschka Fischer 1983 mit Blick auf Richard Stücklen, den Vizepräsidenten des Bundestags, den berühmten Satz: "Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch."

Das gröbste Beispiel für Konsensstörung ist der Vorgang im thüringischen Landtag, der zur Wahl Thomas Kemmerichs führte, der wenige Tage Ministerpräsident sein durfte. Die AfD hatte die anderen Parteien hinters Licht geführt. Was für eine Blamage!

Die AfD will als Nächstes Ramelow wählen

Normalerweise würde man denken: Das lassen sich die anderen nur einmal bieten, das wiederholt sich nicht. Wirklich? Die AfD wäre nicht die AfD, wenn sie sich die Chance auf Wiederholung entgehen ließe.

Das nächste Mal ist nicht weit weg. Bodo Ramelow hat in unvorsichtigem Moralismus gesagt, er werde sich von den Faschisten nicht wählen lassen. Wie aber will er das verhindern? Alexander Gauland hat seinen Parteifreunden vorsorglich geraten, Ramelow zu wählen, um ihn zu verhindern. Das ist die AfD-Dialektik: Den Ministerpräsidenten, egal um wen es sich handelt, durch Wahl zu verbrennen.

Die Konsensstörung ist rundum geglückt

Das Happening in Erfurt könnte also seine Fortsetzung finden. So lässt sich der Parlamentsbetrieb durcheinanderbringen, so lässt sich der gewöhnliche Ablauf der Dinge stören. Und die anderen Parteien sind der Perfidie nicht gewachsen ...

Denn die Konsensstörung hat sich ausgeweitet. Die CDU in Thüringen rebelliert gegen die Parteiführung in Berlin, die unbedingt Neuwahlen haben will. Annegret Kramp-Karrenbauer sprach Machtworte, musste aber einsehen, dass ihre Autorität in der Partei nicht weit genug reichte. Nun hat sie ihren Rücktritt als Parteichefin eingereicht. Christian Lindner ahnt, dass seiner FDP der zweite Großfehler nach dem Ausstieg aus den Jamaika-Verhandlungen unterlaufen ist. Zwei Politiker, die gestern noch niemand kannte, mussten zurücktreten: Thomas Kemmerich, der Kurzzeit-Ministerpräsident, und Christian Hirte, der Ostbeauftragte der Bundesregierung.

So sehen sie aus, die Wirkungen der Konsensstörung. An Vergleichbares in einem deutschen Parlament kann ich mich nicht erinnern. Dagegen ist Joschka Fischers Entgleisung eine Lappalie. Dabei wissen wir noch nicht einmal, wer wann was in Erfurt und Berlin von dem Coup der AfD wusste oder ihn billigend in Kauf nahm. Eine detailgetreue Rekonstruktion der Ereignisse bis zur Wahl von Thomas Kemmerich fehlt noch.

Die Konsensstörung ist rundum geglückt. Die AfD klopft sich auf die Schenkel und findet sich ganz toll, was man ihr nicht einmal verdenken kann. Alexander Gauland sagt, damit sei bewiesen, dass sich seine Partei nicht mehr ausgrenzen lasse. Das aber ist ein Irrtum.

Die Thüringer AfD setzt auf Selbstausgrenzung

In Wirklichkeit zeigt der Coup, was die Thüringer AfD vom Parlamentarismus hält: nichts. Sie manipuliert ihn. Sie zielt auf eine Demonstration ihrer Macht ab. Ihre destruktive Kraft reicht weit, genau so weit, wie die FDP es erlaubt.

Mit der AfD, die sich ihrer Tücke rühmt, ist parlamentarische Zusammenarbeit erst einmal unmöglich. Der Effekt ist Selbstausgrenzung. Das genau beabsichtigt die Thüringer AfD.

Für Gauland kommt der Coup ironischerweise ungelegen. Ginge es nach ihm, würde sich die AfD zur rechten CDU umfunktionieren. Sie würde sich parlamentarisieren und auf mittlere Sicht ihre Regierungsfähigkeit unter Beweis stellen. Dieses Ziel setzt jedoch das Ende der Ausgrenzung voraus, nicht aber deren verschärfte Fortdauer.

Ein zweiter Vorfall muss unterbunden werden

Natürlich ist es kein Zufall, dass sich der Störfall in Thüringen ereignet hat. Hier ist die Heimat Björn Höckes, der auf treue Gefolgschaft zählen kann, die in ihm einen Führer verehrt, der weiß, wie man andere bis aufs Blut reizt.

Höcke verfolgt seine eigenen Ziele, zu denen die permanente Selbstausgrenzung der AfD gehört. Im Parlament gegen das Parlament, in der Demokratie gegen die Demokratie: Da liegt die Analogie zum Aufstieg der NSDAP.

Bis zum nächsten Akt in Erfurt ist noch genug Zeit, die zweite Konsensstörung zu vermeiden. Bodo Ramelow war kein schlechter Ministerpräsident. Er will wieder antreten. Die anderen Parten jenseits der AfD müssen sich ihr Wahlverhalten genau überlegen. Das sollte nicht so schwer sein: Ramelow wählen. Dann hat die AfD keine Gelegenheit, ihn durch Wahl zu verhindern.

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