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US-Wahl: Stimmung für Trump auf dem Land – "Ohne Trump ist unser Land tot"


Wahlentscheidender Bundesstaat
Besuch in Pennsylvania: "Ohne Trump ist unser Land doch tot"

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold

Aktualisiert am 18.09.2020Lesedauer: 5 Min.
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Anhänger bei einer Wahlkampfrally in Latrobe, Pennsylvania: Auf dem Land hat Donald Trump unerschütterliche Fans.Vergrößern des Bildes
Anhänger bei einer Wahlkampfrally in Latrobe, Pennsylvania: Auf dem Land hat Donald Trump unerschütterliche Fans. (Quelle: Jeff Swensen/getty-images-bilder)

Im US-Bundesstaat Pennsylvania kann sich die Präsidentschaftswahl entscheiden. Vor Ort wird klar, wie treu die Wähler auf dem Land an der Seite Donald Trumps stehen.

Während die USA in dieser Woche gebannt auf das Inferno in Kalifornien und den schweren Hurrikan am Golf blickten, schielte die Politik auf ein anderes Kampfgebiet.

Alle kamen sie in diesen Tagen in ein und denselben Bundesstaat: Donald Trump, der sich ebenso einer Bürgersprechstunde stellte wie Joe Biden. Sohnemann Donald Jr. und Biden-Vize Kamala Harris, die ihre jeweiligen Stammwähler umschmeicheln wollten, und der Kolumnist aus Deutschland, der war auch in Pennsylvania.

2016 war Pennsylvania einer jener Staaten, die Trump den Überraschungssieg bescherten. Sechs Millionen Bürger gaben ihre Stimme ab, am Ende lag Trump mit 44.292 Stimmen vorn, ein Quäntchen. Die Politik-Datengurus von “Fivethirtyeight” servieren uns jetzt diese Zahlen: Wenn Biden Pennsylvania gewinnt, habe er eine 96-prozentige Chance, Präsident zu werden. (Bei Trump wiederum seien es 84 Prozent.) Weil das US-Wahlsystem ist, wie es ist, könnte Pennsylvania der allerwichtigste der wichtigen Staaten werden.

Laut Umfragen liegt Biden hier gut vier Prozentpunkte vorn, das ist nicht viel. Trump hatte 2016 in den Großstädten keine Chance, schnitt sogar in den Vorstädten schlecht ab, aber er gewann fast alle ländlichen Wahlkreise und viele so deutlich, dass er am Ende doch vorn lag. Das sind die drei Kampfzonen.

Und dieses Jahr? Leuchtet am Rande der Landstraße in Youngstown dieses Haus in der Herbstsonne.

Wahlkampf, wie es ihn only in America gibt. Das Gebäude ist weniger Ausdruck spontaner Begeisterung als professionellen Kalküls, um Kameras anzulocken. Eine Republikanerin hatte es 2016 schon aufgestellt, sie ist für ihr Engagement mit einer Einladung ins Weiße Haus belohnt worden. Jetzt verteilt sie gratis Schilder, T-Shirts oder MAGA-Käppis, die sonst 25 Dollar kosten. Als ich sie frage, wer das alles bezahlt, wird sie schmallippig.

Wichtiger für unsere Zwecke ist aber etwas anderes: Der Zustrom an Leuten versiegt nicht, es vergehen keine drei Minuten, ohne dass ein neues Auto vorfährt. Sie kommen und stauben ihre Trump-Fanartikel ab. Für Joe Biden gibt es nirgendwo vergleichbare Fan-Scharen geschweige denn so ein Haus.

Diese Fanartikel sind wichtig, denn es geht im Kampf um Pennsylvania um Sichtbarkeit im Straßenbild. In Städten und Vorstädten stehen auch die Biden/Harris-Schilder in den Vorgärten, doch weiter draußen fast ohne Ausnahme Trump/Pence-Schilder. Üblicherweise nicht eins, sondern gleich zwei bis drei auf dem Grundstück. Besonders gern die Flagge mit der Aufschrift Trump 2020 – No more bullshit. 95 Prozent der Schilder, Flaggen, Plakate, die am Straßenrand vorbeiziehen, sind für Trump.

Trump kam am Dienstag in die größte Stadt Philadelphia, um eine Bürgerversammlung abzuhalten. Das war interessant, weil er solche Veranstaltungen sonst meidet und nur mit eingefleischten Fans spricht. Doch das Format funktioniert mit ihm einfach nicht. Trump und Pennsylvanias Wechselwähler aus den Städten reden aneinander vorbei. Trump beantwortet die Fragen nicht, er nimmt sie nur als Stichwort auf und ist spätestens mit dem zweiten Satz in seinem Paralleluniversum, wo er der erfolgreichste Präsident ist und immer, aber auch wirklich immer, die anderen Schuld sind (China/Demokraten/Biden/Medien).

Joe Biden liegt dieses Format mehr, weil er auf die Fragesteller eingeht. Er beweist es am Donnerstag in seiner Geburtsstadt Scranton im Norden Pennsylvanias. Vorteil Biden.

Trump muss woanders punkten. Dort, wo sie seine Sprache aufgesogen haben, seine Welt zu ihrer gemacht haben.

Man erreicht sie, wenn man ganz in den Westen fährt, vorbei an Pittsburgh, und dann durch das Tal des Ohio River. In Beaver County sind die Bewohner, typisch für das ländliche Pennsylvania, weiß, wenige haben studiert. Bis in die Achtzigerjahre standen hier einige der größten Stahlhütten auf Erden. Die meisten von ihnen sind längst dicht, kleinere Stahlwerke und andere Industrie gibt es noch. Doch der große Wohlstand ist verblichen.

Interessieren Sie sich für die US-Wahl? Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

In einem Örtchen namens Industry machen wir Halt an einer kleinen roten Hütte auf einem riesigen Schotterparkplatz. Trucks, die nach Ohio fahren, brettern auf der Route 68 vorbei, manche biegen ab, und bleiben mit röhrendem Motor auf dem Schotter stehen. Sie kommen wegen Jeannette.

Bei Jeannette’s Kitchen gibt’s ab morgens um fünf Eier und Barbecue: Brisket, Rippchen, Burger mit einem halben Pfund Fleisch. "Große Portionen, damit die Trucker durch den Tag kommen", sagt Jeannette White und lacht.

Die Industrie schwächelt rund um Industry. Beaver County war lange demokratisches Stammrevier mit starken Gewerkschaften, wählt aber seit gut einem Jahrzehnt republikanisch. Trump holte hier 60 Prozent der Stimmen.

Jeannette hat im Fenster ein Trump-Plakat hängen und trägt ein Trump-Käppi in Tarnfarbe. Sie hat 2016, natürlich, für ihn gestimmt. “Ich bin zum allerersten Mal in meinem Leben zur Wahl gegangen, ich glaube eigentlich nicht an Politik”, so sagt sie es. Jeannette White, 56, ist damit typisch für den damals überraschenden Erfolg Trumps: Er hat Leute an die Urnen getrieben, die sonst gar nicht wählen.

Jeannette ist Ureinwohnerin (“halb Cherokee, halb Pueblo”) und hatte kein leichtes Leben. Sie hat das linke Bein verloren, hört nicht gut und schmeißt ihren kleinen Laden im Alleinbetrieb, oft beginnt sie morgens um drei. 16 Leute habe sie eingestellt, aber die seien nicht zu gebrauchen gewesen: Drogen, Geldklau, einer hatte am Herd Telefonsex, so erzählt sie es. Die Leute bekämen zu viel Arbeitslosengeld, sagt White. Hoffnung verleiht ihr nur einer: der Präsident.

“Ohne Trump”, sagt Jeannette White, “ist unser Land doch tot.”

Schräg gegenüber liegt ein Kohlekraftwerk, das 2019 dichtgemacht hat. Kann Trump, wie er versprochen hat, Kohle und Stahl zurückbringen? "Oh, aber sicher", sagt sie. "Es kam ihm ja nur das Virus dazwischen." Sie sitze auf ihrem Grundstück auch auf einem Kohlevorkommen: "Wenn Trump gewinnt, komme ich da endlich ran."

White wurmt es, dass Trump immer die Schuld gegeben werde, dabei könne er doch etwa für das Virus gar nichts. Während in Washington Trumps Berater und Experten ihm mittlerweile auch öffentlich bei seinen rosigen Ankündigungen zu einem Corona-Impfstoff widersprechen, sagt Jeannette White vier Autostunden entfernt in Industry, Pennsylvania: "Ohne ihn hätten wir Ende des Jahres keinen Impfstoff. Die Demokraten hätten das nicht hinbekommen."

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Am Ende geht es ihr aber nicht um solche Nebensächlichkeiten, sondern um das große Ganze: "Er glaubt an Amerika. Er ist fürs Volk. Alles andere ist doch egal."

Draußen hat David Biehls gerade seinen Texan Burger verspeist, halbes Pfund Fleisch, reichlich Bacon, frittierte Zwiebelringe. Der 50-Jährige erinnert sich noch an die fetten Jahre. "Ich wünschte, wir könnten wie damals leben. Damals waren wir alle wie eine Familie, heute sind wir irgendwie so….", jetzt schaut er fragend seine Mutter Judy an, "gespalten?"

Biehls hat einen Job bei der Post und Freunde, die in den Werken gearbeitet haben. Sieht er einen Aufschwung? Noch nicht, sagt Biehls, aber die Industrie werde "ganz sicher" bald zurückkommen. "Trump ist mit so vielen Dingen beschäftigt und das geschieht nicht über Nacht. Wenn er wiedergewählt wird, wird es anfangen besser zu werden."

In der Welt von Biehls und White steht Trump kurz davor, alles zu erreichen, trotz aller Gegner. Nur noch muss er wiedergewählt werden. Wenn es um die Feinde geht, haben sie Trumps Ausdrücke übernommen. Die Demokraten sind Verräter, Biden ist senil. Sie stehen unerschütterlich an Donald Trumps Seite.

Sie bestätigen, was man schon auf der Fahrt über die Landstraßen sieht: Auf das Land kann Donald Trump zählen. Joe Biden muss zusehen, dass er seine Massen in den Städten mobilisiert und in den Vororten Konservative gewinnt, die nicht in der Trump-Welt leben. Sonst wird es nichts mit Pennsylvania und vielleicht auch nicht mit der ganzen Wahl.

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