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Das System Donald Trump: Wer nicht spurt, gerät in Gefahr


Anhörungen zum Sturm aufs Kapitol
Trumps Verräter-System

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

14.06.2022Lesedauer: 5 Min.
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Wer Trump kritisiert, ist ein VerräterVergrößern des Bildes
Wer Trump kritisiert, ist ein Verräter (Quelle: imago-images-bilder)

Bei den Anhörungen zum Sturm auf das Kapitol stellen sich selbst engste Vertraute gegen Donald Trump. Aber der berüchtigte Ex-Präsident kann sich seiner Sache trotzdem noch immer sicher sein.

Das Killerargument gegen jegliche Kritik an Donald Trump hat in seiner Partei nur vier Buchstaben. Es lautet "RINO" und ist eine Abkürzung für "Republican In Name Only". Beschrieben werden damit Politiker aus den eigenen Reihen, die zu wenig konservativ auftreten und deshalb "nur dem Namen nach Republikaner" seien.

Seit Donald Trump die Grand Old Party (GOP) konsequent auf sich zugeschnitten hat, sind "RINOs" aber kurz gesagt nicht weniger als Verräter. Sie verraten nicht nur Donald Trump. Sie verraten die noch viel größere Sache, und zwar: Amerika.

So argumentiert, lassen sich Kritiker Donald Trumps recht einfach als Volks- oder Landesverräter abstempeln. Und gegen die ist im Zweifel jedes Mittel recht, auch dann, wenn es unrecht ist.

Wer nicht spurt, gerät in Gefahr

Wozu das führen kann, lässt sich derzeit im US-Kapitol bei den öffentlichen Anhörungen des Untersuchungsausschusses zum 6. Januar 2021 sehr gut nachvollziehen. Und es zeigt sich: Donald Trump wird auch weiterhin wenig zu befürchten haben. Egal, wer ihm nicht folgt. Egal, wer dem Komitee gegenüber aussagt. Egal, wie nah sie Trump auch sein mögen: Im Zweifel sind es alles Verräter.

Ein "RINO", das ist zum Beispiel Trumps damaliger Vizepräsident. Weil Mike Pence die Wahlsitzung im Kongress damals nicht unterbrechen wollte, wie Trump es mehrfach öffentlich einforderte, sollte Pence nach dem Willen einiger Teilnehmer des Mobs am besten sogar erhängt werden. Laut Zeugenaussagen im Ausschuss soll Trump dazu wörtlich gesagt haben: "Vielleicht haben unsere Unterstützer ja die richtige Idee. Mike Pence verdient es." Die Aussage soll von einem Mitarbeiter des Weißen Hauses stammen, bislang ist aber noch unklar, wer es ist. Trump bestreitet, so etwas gesagt zu haben.

Der Personenkult um Trump jedenfalls schützt ihn und gefährdet jene, die sich gegen ihn stellen. Im harmlosesten Fall verlieren die "Landesverräter" ihre Glaubwürdigkeit oder ihren Posten. Im schlimmsten Fall bekommen sie Morddrohungen.

"Köpfe auf Spießen"

So wie Al Schmidt, der einzige republikanische Beamte, der 2021 die Stimmabgabe in Philadelphia überwachte. Trumps Lüge vom angeblich massiven Wahlbetrug wollte er nicht mitgehen. Denn er sah mit eigenen Augen, dass es nicht stimmte. Ein einziger Tweet des damaligen Präsidenten habe ihm und seiner Familie dann auf einen Schlag Morddrohungen beschert, sagte Schmidt, der damals zurücktrat und am Montag in der zweiten Runde des Untersuchungsausschusses aussagte.

Trump hatte damals getwittert: "Großartige Neuigkeiten – RINO Al Schmidt, der wegen des massiven Wahlbetrugs und der Unregelmäßigkeiten in Philadelphia, einem der korruptesten Wahlorte der Vereinigten Staaten, eine Katastrophe war, tritt zurück."

Al Schmidt bekam daraufhin Nachrichten, in denen gedroht wurde, seine Kinder zu erschießen. "Köpfe auf Spießen. Die Schmidts sind Verräter", lautete eine weitere Nachricht.

Es sind brutale Aussagen und es mag auf den ersten Blick erschütternd wirken, dass selbst Trumps engster Kreis ihm davon abriet, die Lüge vom Wahlbetrug und seinen Sieg zu propagieren.

Trumps ehemaliger Justizminister Bill Barr war einer von ihnen. Durch und durch Republikaner, für Trump nur noch "ein Desaster". Bill Barr sei auch nur ein "RINO", wetterte Trump nach dessen Aussage, die Idee vom Wahlbetrug sei kompletter Unsinn und nicht belegbar. Trump sei "entrückt von der Realität", so Barr. Trump schimpfte anschließend: "Er hatte weder den Mut noch die Ausdauer, gegen Wahlbetrug vorzugehen – er hatte nur Angst, angeklagt zu werden." Und um seine eigene Großartigkeit noch einmal zu unterstreichen: "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!"

Auch Bill Stepien, Trumps ehemaliger Wahlkampfmanager, und sein Ex-Sprecher Jason Miller sagten aus. Alle wollen dem Ex-Präsidenten gesagt haben, dass es keine Evidenz für den Wahlbetrug gegeben habe. Nur Rudy Giuliani soll am Wahlabend vollkommen betrunken gewesen sein, sagte Miller, und dieser hätte am liebsten sogar den Wahlsieg verkündet.

Keine Handhabe, keine Wirkung

Eigentlich lautet die über allem stehende Frage der Parlamentarier: Wie stichhaltig kann Donald Trump nachgewiesen werden, dass er die Verantwortung für einen geplanten und gewalttätigen Staatsstreich trägt? Aber eine Frage, die fast ebenso wichtig erscheint: Was bringen derlei Erkenntnisse überhaupt?

Juristisch aktiv werden kann das parlamentarische Gremium gegenüber Trump nicht. Allenfalls kann es das Justizministerium auffordern, erneut Ermittlungen aufzunehmen. Dafür bräuchte es allerdings auch mehr als die bisherigen Aussagen und Indizien.

Bleibt die öffentliche Wirkung der Anhörungen, um weite Teile der Bevölkerung von Trumps Schuld zu überzeugen. Doch was bleibt, wenn selbst Trump engster Kreis das Verräter-Etikett fürchten muss? Deshalb drucksten seine Tochter Ivanka und deren Ehemann Jared Kushner vor dem Ausschuss auch ziemlich herum.

Ivanka sagte immerhin aus, dass sie den Einschätzungen von Barr geglaubt habe, die Wahl sei nicht gestohlen worden. Trump konterte seine eigene Tochter: "Ivanka war nicht eingebunden bei der Analyse der Wahlergebnisse", schrieb er in seinem sozialen Netzwerk "Truth Social". Seine Tochter habe nur höflich zu Bill Barr sein wollen.

Abzocke für Amerika

Ein weiterer Versuch des Ausschusses, Trumps Anhänger aufzurütteln, droht zu scheitern. Am Montag wurde bekannt gegeben, dass Trump rund 250 Millionen Dollar an Spendengeldern für einen ominösen "Election Defense Fund" eingesammelt haben soll. Dieser Fonds zur Verteidigung der Wahl" habe gar nicht existiert, so das Komitee. Das Geld hart arbeitender Amerikaner sei stattdessen in viele andere Kanäle des Trump-Universums geflossen.

Ein Beispiel: Kurz bevor der Sturm aufs Kapitol begann, hielt Trump eine Rede auf der National Mall. Die ehemalige "Fox News"-Moderatorin Kimberly Guilfoyle war ebenfalls auf dieser Bühne und soll 60.000 Dollar aus dem 250-Millionen-Spendentopf bekommen haben. Ihre Gegenleistung: Sie kündigte auf der Bühne Trumps Sohn Donald Trump Jr. an.

Trumps Umgang mit Spendengeldern ist lange bekannt, die Zeitungen hierzulande sind voll davon. Für den Ausschuss sei nun aber noch klarer als bisher, dass es nicht nur die "Big Lie" gebe. Zur "großen Lüge" komme auch noch "The Big Ripoff", die "große Abzocke".

Für Trumps Anhänger dürfte die Nicht-Existenz dieses "Election Defense Fund" aber kein Grund sein, sich über einen Betrug oder eine Veruntreuung ihres Geldes zu beklagen. Im Gegenteil: In ihren Augen geht es eben nicht nur um Donald Trump, sondern um die größere Sache: um Amerika. Trumps Anhänger vertrauen ihm, dass nur er das Land retten kann. Egal, was er gegen den propagierten Wahlbetrug unternimmt, egal, wie viel Geld er dafür benötigt, er wird in den Augen seiner Anhänger das Richtige tun.

Gut vorbereitet wirkt Trump. Gleich nach der zweiten Anhörung am Montag ließ er etwa ein 12-seitiges Dokument veröffentlichen, versehen mit zahlreichen Fußnoten. Es soll belegen, dass der Wahlbetrug nicht erfunden sei, der Ausschuss aber hingegen korrumpiert. Der Ausschuss sei lediglich ein "erbärmlicher letzter Versuch, die amerikanische Öffentlichkeit zu täuschen", schreibt Trump darin.

Trump nutzt solche Dokumente für seine Anhänger, welche die Anhörungen im Zweifel gar nicht verfolgen. Bei ihnen bleibt jetzt hängen: Trump hat doch seinerseits Beweise geliefert. Und was von Trump kommt, das stimmt. Sein Credo bleibt: "We have to save America". Amerika retten, koste es, was es wolle.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Anhörungen zum Sturm aufs Kapitol
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