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USA | Scholz und Biden: Wartet auf Olaf Scholz eine neue Aufgabe?


Heikler Besuch bei Biden
Ist Scholz dieser Aufgabe gewachsen?

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns

09.02.2024Lesedauer: 5 Min.
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Bald ohne Unterstützung aus Washington? Bundeskanzler Olaf Scholz (Archivbild).Vergrößern des Bildes
Bundeskanzler Olaf Scholz (Archivbild): Ist er bald ohne Unterstützung aus Washington? (Quelle: LIESA JOHANNSSEN)

Beim Besuch des Bundeskanzlers in Washington könnte es auch um eine wichtige Frage gehen: Wer führt das Bündnis an, wenn Joe Biden seine Wahl im Herbst nicht gewinnt?

Bastian Brauns berichtet aus Washington

Wenn Olaf Scholz an diesem Freitagnachmittag im Oval Office im Besuchersessel rechts neben Joe Biden sitzen wird, lastet auf ihm eine schwere Bürde. Denn schon in wenigen Monaten könnte ihm eine Rolle zukommen, die normalerweise für deutsche Bundeskanzler nicht vorgesehen ist.

Eigentlich sind es amerikanische Präsidenten, die den inoffiziellen Beinamen "Leader Of The Free World" tragen. Als Anführer der sogenannten freien Welt tragen sie entsprechend dem Selbstverständnis einer Supermacht eine große Verantwortung, zumindest der Idee nach.

Bei Donald Trump war das anders. "America First", das bedeutete bei ihm die Abkehr von der Welt. Er führte die USA auf einen Weg der Isolation. Und so war es 2017 die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die von weiten Teilen der Weltöffentlichkeit plötzlich diesen außerdienstlichen Titel verliehen bekam.

Weil der amerikanische Präsident ausgerechnet die verbündeten Staaten der Nato und der G7 regelmäßig auflaufen ließ, stand Merkel als dienstälteste Regierungschefin damals vor der Aufgabe, den Zusammenhalt der eigentlich befreundeten Staaten irgendwie zu wahren.

Muss Scholz die internationale Führung übernehmen?

Im Herbst 2024 könnte es jetzt wieder so weit sein. Dieses Mal könnte Olaf Scholz zum wichtigsten Stützpfeiler der westlichen und demokratischen Bündnisse werden. Denn statt Joe Biden könnte im Oval Office bald wieder Donald Trump sitzen. Amerika könnte als Verbündeter dann erneut ausfallen. Mit noch weitreichenderen Folgen als in Trumps erster Amtszeit.

Denn die Welt ist heute eine gänzlich andere und Olaf Scholz ist nicht Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin war in ihrer bereits vierten Amtszeit längst ausgestattet mit viel internationaler Autorität. Dass Deutschland inzwischen wieder einen männlichen Kanzler hat, davon wissen in den USA viele oft noch gar nicht.

Vor allem aber hatte die Bundeskanzlerin damals keine Zeitenwende zu verantworten. Sie musste keine Milliarden, keine Marder und Leoparden bewegen. Sie musste nicht zusätzlich eine Million ukrainische Flüchtlinge aufnehmen. Und statt teures LNG aus den USA konnte Merkel noch billiges Erdgas aus Russland beziehen.

Denn Wladimir Putin hatte zwar bereits die Krim und die Ostukraine annektiert. Aber seinen großen Krieg gegen die Ukraine und die europäische Nachkriegsordnung mit seinen Hunderttausenden Toten noch nicht begonnen.

Schlechte Voraussetzungen

Wenige Monate vor den Präsidentschaftswahlen in den USA sieht die Lage für den Bundeskanzler darum wenig rosig aus. Denn ausgerechnet Joe Biden, ohne den sich Olaf Scholz niemals gegen Putin an die Seite der Ukraine hätte stellen können, muss schon jetzt aus komplizierten innenpolitischen Gründen aussetzen.

Auf Donald Trumps Geheiß geben die Republikaner die 60 Milliarden Dollar Ukraine-Hilfen im Kongress bislang nicht frei. Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine wird von Trump und seinen Mitstreitern in diesem Wahlkampf schon lange als eine Angelegenheit dargestellt, die Amerika nichts angeht. Donald Trump macht zudem kein Geheimnis daraus, dass für ihn der Bündnisfall nicht einträte, sollte Putin auch noch einen Nato-Partner angreifen.

Aus Berliner Sicht ist bereits das ein schwerer Schlag, obwohl Joe Biden noch Präsident ist: Weil auch die Franzosen und die Briten nicht so viel für die Ukraine tun, wie sie könnten, lastet auf Deutschland und dem Bundeskanzler noch mehr Verantwortung als ohnehin schon. Zwar arbeitet das Weiße Haus längst daran, auch alternative Finanztöpfe anzuzapfen. Aber eine Garantie dafür, dass Bidens Regierung das auch gelingt, gibt es nicht.

Der Versuch von Wahlkampfhilfe für Biden

Was Scholz in Washington deshalb um jeden Preis ausstrahlen will, ist Verlässlichkeit. Auch, weil der deutsche Bundeskanzler Joe Biden in diesem Wahlkampf gerne unterstützen möchte. Zumindest will er so helfen, die Angriffsfläche zu verkleinern, die Biden seinen Gegnern mit der Unterstützung für die Ukraine bietet.

Scholz vermittelt deshalb mit Nachdruck, dass Deutschland längst nicht mehr so sehr am Tropf der Amerikaner hängt wie noch zu Zeiten seiner Vorgängerin. Das kürzlich beschlossene 50-Milliarden-Paket der EU für die Ukraine, die deutsche Zeitenwende, das Sondervermögen für die Bundeswehr, das Nato-Zwei-Prozent-Ziel, der größten Waffenlieferungen an die Ukraine nach den USA – das alles sind wichtige Signale.

Denn Scholz kann tatsächlich vielfach zeigen: Das sind nicht nur Versprechen wie unter Angela Merkel, sondern Taten, wenngleich sie aus der Not heraus geboren wurden. Aus Regierungskreisen heißt es, dass Scholz inzwischen sogar daran arbeitet, nicht wie bisher nur die Beschaffung der Luftabwehr für die Ukraine zu koordinieren, sondern künftig auch die Artillerie. Eigentlich ist das die Sache der Franzosen. Aber dort läuft es offensichtlich nicht rund. Es wäre ein weiterer Schritt hin zu mehr Verantwortung.

Joe Biden wiederum dürfte den Besuch des Bundeskanzlers nutzen, um einmal mehr auf den wertvollen Beitrag hinzuweisen, den Olaf Scholz im Kampf gegen Putin leistet. Denn auch ihm ist daran gelegen, dass die USA die Kosten für die Unterstützung der Ukraine nicht allein schultern müssen. Nach dem Willen Washingtons sollen Deutschland und sein Kanzler die Nummer zwei im Bündnis sein. Jemand, auf den man sich in Zukunft noch mehr als bisher verlassen kann.

Offensive in Washington

Das Weiße Haus muss Olaf Scholz schon lange nicht mehr überzeugen. Das Problem bleiben die Republikaner, vor allem der große Teil jener Republikaner, die hinter Trump stehen. Nicht ohne Grund platzierte der Bundeskanzler darum schon vor seiner Ankunft einen Gastbeitrag im konservativen "Wall Street Journal". Er muss versuchen, irgendwie in das unsichere Terrain hineinzuwirken.

In seinem Text legte er all die Leistungen von Deutschland und Europa dar, verbunden mit der eindringlichen Bitte nach Einheit im Bündnis und mit einer Warnung. Scholz schreibt darüber, was es bedeuten würde, sollte Putin jetzt gegen die Ukraine gewinnen:

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"Ein russischer Sieg in der Ukraine wäre nicht nur das Ende der Ukraine als freier, demokratischer und unabhängiger Staat, sondern würde auch das Gesicht Europas dramatisch verändern. Es wäre ein schwerer Schlag für die liberale Weltordnung. Russlands brutaler Versuch, gewaltsam Territorium zu stehlen, könnte als Blaupause für andere autoritäre Führer auf der ganzen Welt dienen. Weitere Länder liefen Gefahr, einem Raubtier in direkter Nachbarschaft zum Opfer zu fallen."

Doch was Scholz' publizistische Offensive in den USA, sein Abendessen mit US-Senatoren am Donnerstagabend, sein Treffen mit amerikanischen Unternehmenschefs und schließlich sein Besuch im Weißen Haus wirklich bewirken können, ist wohl minimal. Die Amerikaner werden ihr Wahlverhalten im November kaum davon abhängig machen, was der deutsche Bundeskanzler im Februar gesagt oder geschrieben hat.

Ein Haufen Probleme zu Hause

Hinzu kommt, dass Olaf Scholz und Joe Biden innenpolitisch schwierige Zeiten durchleben. Die heftigen Proteste der deutschen Landwirte im Zuge der geplanten Subventionskürzungen waren womöglich nur ein Vorgeschmack auf weitere Widerstände. Vor allem, wenn die Amerikaner wirklich dauerhaft ausfallen sollten und noch mehr finanzielle Belastungen und militärische Anforderungen auf Deutschland zurollen.

Auf politischen Empfängen in der US-Hauptstadt stellen auch Mitarbeiter aus der Biden-Administration darum immer wieder zwei Fragen: "Könnt ihr das wirklich dauerhaft stemmen?", lautet die erste, "und wie?", die zweite. Darauf gibt es zumindest bislang keine befriedigenden Antworten. Denn, dass auch die jetzigen Hilfen noch nicht ausreichen, das sagte auch der Bundeskanzler noch vor seinem Abflug in Berlin.

Zum andauernden Schuldenstreit in der Ampelkoalition kommen in diesem Jahr noch die Europawahlen und die Wahlen in mehreren ostdeutschen Ländern hinzu. Je schlechter die für die SPD ausfallen, je mehr Verwerfungen es durch mögliche Erfolge der AfD gibt, desto schwieriger wird sich dann auch eine Kanzlerkandidatur für Scholz 2025 gestalten. Ohne Amt gibt es erst recht keinen Scholz als Anführer der freien Welt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • wsj.com: A Russian Victory in Ukraine Would Imperil Us All (Englisch)
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