Vor dem Jahrhundert-Duell Trump ist nicht ihre wahre Herausforderung
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Das erste TV-Duell zwischen Donald Trump und Kamala Harris dürfte den US-Wahlkampf entscheidend beeinflussen. Der größte Gegner für die Vizepräsidentin wird wohl nicht Trump sein.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Es war ein guter Sommer für Kamala Harris. Seit Joe Biden das Ende seiner Kandidatur verkündet hat, lief es fast durchgehend rund für die Demokraten. Mit Leichtigkeit und Aufbruchstimmung entfachte die neue Kandidatin nicht nur bei der eigenen Parteibasis eine längst vergessene Euphorie. Sie sammelte innerhalb kürzester Zeit so viele Spendengelder ein, wie noch nie ein Kandidat oder eine Kandidatin in der Geschichte der USA. Und Kamala Harris holte in vielen Umfragen auch den unüberwindlich scheinenden Rückstand auf Donald Trump auf.
Doch nun ist der Sommer vorbei. Und während sich in Washington die ersten Blätter an den Bäumen gelb färben, tritt bei den Demokraten erstmals Ernüchterung ein. Umfragen, wie zuletzt eine belastbare der "New York Times", legen nahe, dass eine Aussage des eigenen Wahlkampfteams wirklich zutrifft: Mit dem Spruch "We Are the Underdog" warben die Demokraten in den vergangenen Wochen um Spenden bei ihren Anhängern. Im Vergleich zu den Republikanern und Donald Trump seien Kamala Harris und ihr Vizekandidat Tim Walz in diesem Wahlkampf ganz klar die Außenseiter.
Jetzt liegt Donald Trump in landesweiten Umfragen wieder knapp vor Kamala Harris, und auch in vielen der wichtigen Bundesstaaten, die über die Wahl entscheiden, bleibt das Rennen deutlich knapper, als es die Jubelstimmung im August hätte vermuten lassen. Das mag auch daran liegen, dass Kamala Harris deutlich weniger in Erscheinung tritt als ihr Konkurrent. Während Donald Trump Interview um Interview gibt, hält sich Harris bis heute auffällig zurück. Lediglich einmal und sehr kurz stand die Vizepräsidentin bislang dem Fernsehsender CNN Rede und Antwort.
Ein Duell gegen die Vergangenheit
Vor diesem Hintergrund wirkt die erste und vielleicht sogar einzige TV-Debatte zwischen Donald Trump und Kamala Harris noch bedeutsamer als ohnehin schon. Erstmals treffen die Politiker überhaupt in einem Raum aufeinander. Der langjährige Entertainer, Show-Gigant und Ex-Präsident Donald Trump ist inzwischen ein erfahrener Duellant. Kamala Harris hingegen – eine Kandidatin ohne gewonnene Vorwahlen bei den Demokraten – muss zeigen, ob sie in der Lage ist, journalistische Fragen und Angriffe ihres politischen Gegners vor einem Millionenpublikum zu parieren.
Doch wenn Kamala Harris am Dienstagabend um 21 Uhr (Ortszeit) auf der Bühne des abc-Fernsehstudios in Philadelphia stehen wird, ist das nicht die einzige Herausforderung, die sie meistern muss. Der Mann, der ihr in der Debatte zum größten Problem werden könnte, ist ausgerechnet Joe Biden. Der Grund: Harris steht aufgrund ihrer Rolle als seine Vizepräsidentin vor erheblichen Herausforderungen. Denn die amerikanische Bevölkerung sehnt sich laut Umfragen mit einer überwältigenden Mehrheit nach einem politischen Wechsel.
Kamala Harris muss darum den Spagat schaffen zwischen ihrer Loyalität zur Biden-Regierung, deren Teil sie seit dreieinhalb Jahren ist, und der Notwendigkeit, sich als eigenständige Kandidatin für den Wechsel und die Zukunft zu profilieren. Als Vizepräsidentin von Biden ist Harris aber eng mit dessen politischer Bilanz verknüpft. Sie wird im TV-Duell und in den verbleibenden Wochen einerseits die Erfolge der eigenen Regierung verteidigen. Andererseits muss sie sich von den umstritteneren Aspekten distanzieren. Die hohen Lebensmittelpreise, die hohen Mieten und Immobilienpreise, die Krise der illegalen Migration – alles Themen, bei denen es Donald Trump leichtfallen wird zu sagen: Warum haben Sie diese Probleme nicht selbst längst behoben?
Inflation und Migration als Achillesferse für Kamala Harris
Wie soll sich Kamala Harris einerseits als die Frau präsentieren, die Bidens Politik fortsetzt, und gleichzeitig als Stimme für Veränderungen? Sie muss eine glaubhafte Vision für die Zukunft des Landes formulieren, ohne dabei Joe Biden und damit sich selbst abzuschreiben. Zu erkennen ist dieses Dilemma schon jetzt daran, dass sie in Fragen der Wirtschaftspolitik den Begriff der "Bidenomics" konsequent meidet und stattdessen ein "Wirtschaftsprogramm der Chancen" insbesondere für Familien der Mittelschicht propagiert.
Eines der größten Probleme für Kamala Harris aber bleibt die Inflation. Obwohl die Biden-Harris-Regierung die Herausforderungen der Pandemie einerseits gut gemeistert hat – das Wirtschaftswachstum und die niedrige Arbeitslosenquote befinden sich beide auf einem Rekordniveau –, leiden viele Amerikaner noch immer unter den deutlich gestiegenen Preisen.
Ein täglicher Blick auf die Preistafeln an den Tankstellen im Land verdeutlicht: Unter Donald Trump waren die Benzinpreise in keinem seiner Regierungsjahre so hoch wie jetzt. Und das, obwohl die Preise schon deutlich gefallen sind. 3,50 Dollar zahlen die Amerikaner derzeit immer noch pro Gallone, das entspricht umgerechnet einem Preis von 0,73 Euro pro Liter. Unter Donald Trump lagen die monatlichen durchschnittlichen Preise zwischen Januar 2017 und Januar 2021 aber immer unter der 3-Dollar-Marke, stellenweise sogar unter der 2-Dollar-Marke. Für amerikanische Verhältnisse sind die Preise immer noch viel zu hoch und sie schlagen sich in allen Bereichen nieder.
Kamala Harris versuchte es in den vergangenen Wochen damit: Sie werde als Präsidentin gegen Wucherpreise vorgehen, also direkt in den Markt eingreifen. Eine Idee, die es Donald Trump und den Republikanern leicht macht, sie als Anti-Kapitalistin und Kommunistin zu überzeichnen.
Auch wenn der überparteilich erzielte Kompromiss zu einer restriktiveren Grenzpolitik am Ende doch an Donald Trump und den Republikanern scheiterte, bleibt in der amerikanischen Öffentlichkeit vor allem hängen: Das millionenfache Problem der illegalen Migration blieb unter der Biden-Harris-Regierung ungelöst. Zwar war Kamala Harris als Vizepräsidentin nie direkt für die Grenzsicherung zuständig. Aber als Bidens Beauftragte zur Bewältigung von Migrationsfragen war sie direkt in die Bemühungen der Regierung involviert, die Situation an der südlichen Grenze in den Griff zu bekommen. Trump und die Republikaner bezeichnen Harris darum als "Grenz-Zarin", die ihren Job nicht richtig gemacht habe.
Trump bleibt Favorit
Bislang verweist die Demokratin im Wahlkampf immer wieder darauf, dass sie einst als Staatsanwältin in Kalifornien gegen kriminelle Banden aus dem Süden vorgegangen sei. Ob das ausreichen wird, um kritische Wählerinnen und Wähler zu überzeugen, ist zweifelhaft. In ihrem am Montag veröffentlichten politischen Programm bleibt es trotzdem nur bei dürren Worten: Als Präsidentin werde sie das parteiübergreifende Gesetz zur Grenzsicherung wieder einbringen und dann auch unterzeichnen, heißt es dort. Mit welchen Mehrheiten dies dann gelingen soll, steht dort nicht.
Kamala Harris wird vielleicht nur noch in dieser Debatte die einmalige Chance bekommen, sich als wählbare Alternative zu Donald Trump, aber auch zu Joe Biden, zu präsentieren. Wie schwer das wird, liegt auch daran, dass sie zwar einerseits seit fast vier Jahren Vizepräsidentin ist und darum mitverantwortlich für die Biden-Politik gemacht wird.
Andererseits ist sie aber auch kein politisches Schwergewicht, konnte innen- oder außenpolitisch keine eigenen Akzente setzen. Egal, wie chaotisch die Trump-Zeit vielen noch in Erinnerung sein mag. In weiten Teilen der amerikanischen Öffentlichkeit wird er als starker Anführer wahrgenommen, eben weil er im Gegensatz zu ihr schon einmal Präsident war.
- Eigene Überlegungen
- nytimes.com: "Trump and Harris Neck and Neck After Summer Upheaval, Times/Siena Poll Finds" (Englisch)