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Muss Seehofer gehen: Die Geschichte der CSU reicht, die Partei liebt die Kunst der Intrige.


Seehofer-Nachfolge
Intrigen in der CSU: "Brisantes Material – über jeden von euch"

RP, t-online.de

06.11.2017Lesedauer: 3 Min.
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Horst Seehofer und Markus Söder.Vergrößern des Bildes
Der Parteichef und sein Herausforderer im Hintergrund: Horst Seehofer und Markus Söder. (Quelle: Peter Kleffel/dpa-bilder)

Die CSU ist Bayern und Bayern ist CSU. Auch deshalb verlaufen die Machtkämpfe um die Führung stets so intrigenreich. Ein Blick auf Münchner Gschichten rund um die Macht.

Franz Josef Strauß (1915-1988) ist zwar seit fast drei Jahrzehnten tot. Aber noch immer der Übervater der modernen CSU. 1961 übernahm Strauß die Führung der Partei und behielt sie bis zu seinem Tod, auch die Spiegel-Affäre 1962 und sein erzwungener Rücktritt als Verteidigungsminister konnten daran nichts ändern. Nur in Bayern ging es nicht recht voran, Strauß schob Alfons Goppel 1978 mit dem Verweis auf dessen Alter unsanft zur Seite und wurde Ministerpräsident in Bayern. Seither galt: ein Mann, ein Wort, zwei Ämter – Parteivorsitzender und Regierungschef. Erst nach Strauß' Tod kamen die ersten Risse. Schließlich ist es in der Partei nicht wie in der Monarchie. Dort kriegt der Älteste alles, zur Not gibt es einen Prinzregenten wie im 19. Jahrhundert als der märchenhafte Ludwig II. handstreichartig abgesetzt werden musste. Per ärztlichem Gutachten. So einfach ging's unter Strauß' Erben nicht mehr zu.

Max Streibl (1932 bis 1998) schien der aktuelle Übergangskandidat, zum Amtsantritt 1988 war er schon nicht mehr ganz der Jüngste, zudem erschien er reichlich unambitioniert. Das Problem war nur: Streibl mochte nicht weichen, der Parteijugend um den ehrgeizigen Edmund Stoiber und Theo Waigel gefiel das nicht. Bald tauchten Geschichten auf über Streibls enge Verbindung zur heimischen Wirtschaft. Streibl soll sich für befreundete Unternehmer eingesetzt haben, es gab Privatreisen, etwa nach Brasilien. Die Amigo-Affäre war da. Quälend lang zog sich der Abschied hin, auch weil Streibl mit Enthüllungen über andere CSU-Politiker drohte. Er habe "bristantes Material - über jeden von euch", sagte Streibl und tippte in eier CSU-Runde auf seinen Aktenkoffer. Das wirkte. Erst 1994 folgte der Abgang – mit Blick auf sinkende Umfragewerte und die nahenden Landtagswahlen. Schmutzeleien in München sind also keine rein Södersche Erfindung.

Edmund Stoiber regiert von 1993 bis 2007 in Bayern. Aber CSU-Chef wird er erst 1999. Zu verworren war die Lage. Denn eigentlich galt Bundesfinanzminister Theo Waigel als gesetzt für das Regierungsamt in München. Aber wieder ging es schmutzig zu. Und das sogar mit dem Segen der Kirche. Münchens Erzbischof Friedrich Kardinal Wetter wetterte wegen einer Scheidung gegen Waigels Lebenswandel. Im heutigen Zeitalter von Patchworkfamilien undenkbar. Reichte aber damals. Waigel blieb in der Bundespolitik und stieg lediglich zum CSU-Parteichef auf, in München übernahm Stoiber die Staatskanzlei. Und blieb. Und blieb. Und blieb. Und nervte. Erst mit Reformen. Dann mit dem achtjährigen Gymnasium. Und schließlich mit seiner Zauderei. 2002 war Stoiber schon fast Kanzler, aber Gerhard Schröder drehte die Wahl. 2005 war Stoiber schon fast Super-Minister, aber es zog ihn dennoch nicht ins babylonhafte Berlin. Bayern verzeiht viel, aber keine Wackeleien. 2007 kam das Aus, nach monatelangen Debatten. Aber auch ein Fall in Zeitlupe ist ein Sturz.

Günther Beckstein und Erwin Huber teilen sich Stoibers Erbe. Kein Akt der Klugheit, sondern der eigenen Schwäche. Huber, der emsige aus Niederbayern wurde 2007 Parteichef, Beckstein, der Protestant aus Franken, Regierungschef. Eine prekäre Doppelspitze der Minoritären. Sie währte nur ein Jahr, 2008 kam das Debakel: Die CSU verlor bei der Landtagswahl die absolute Mehrheit und musste mit der FDP koalieren. Die Regierung führt weder Beckstein, noch Huber, sondern Horst Seehofer.

Horst Seehofer übernimmt 2008 das Amt des Ministerpräsidenten und des Parteichefs. Eine Partei, ein Mann, ein Wort. Nicht ganz. Seehofer holt bei der Wahl 2013 die absolute Mehrheit zurück und beendet die in Bayern ungeliebt-ungewohnte Koalition mit der FDP, aber ihm unterläuft ein strategischer Fehler. Er kündigt seinen Rückzug zur nächsten Wahl 2018 an und eröffnet den Nachfolgewettbewerb. Manche wie Christine Haderthauer stolperten über Affären, andere wie Ilse Aigner über die Feinheiten der bayrischen Politik. So blieb Markus Söder, Finanzminister. Den mochte Seehofer nicht und stellte ihn wegen Schmutzeleien bloß. Bald rief er den Wettbewerb "Unsere Besten" aus, rief den gefallenen Karl Theodor zu Guttenberg als stille Reserve zurück und lobte seinen Parteivize Manfred Weber, in Brüssel ein Machtfaktor, nicht nur zum Segen Bayerns. Es kam die Bundestagswahl und das schlechte Abschneiden für die CSU mit 38 Prozent. Das reicht nicht. Nicht für die CSU. Wo andere mit der Fünf-Prozent-Hürde kämpfen, gilt für die CSU die Fünfzig-Prozent-Hürde. Sonst droht der Verlust des Status als bayrische Staatspartei.

Seehofer kämpft um sein Amt. Die Geschichte zeigt: Ein Machtwechsel kann sich hinziehen in Bayern. Und ganz ohne Schmutzeleien geht's nicht. Nicht bei der CSU.

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