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SPD im Dilemma: "Wir haben drei Optionen - und alle sind schlecht!"


Die SPD im Dilemma
"Wir haben drei Optionen – und alle sind schlecht!"

t-online, Horand Knaup

21.11.2017Lesedauer: 4 Min.
Demonstrieren nach außen noch Gemeinsamkeit: SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles und Parteichef Martin Schulz sprechen in Berlin zu Reportern.Vergrößern des BildesDemonstrieren nach außen noch Gemeinsamkeit: SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles und Parteichef Martin Schulz sprechen in Berlin zu Reportern. (Quelle: Silas Stein/dpa-bilder)
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Die SPD hat sich festgelegt: Keine Fortsetzung der Großen Koalition in Berlin und stattdessen Neuwahlen. Doch bleibt es wirklich dabei?

Aufrecht wollten sie in die Opposition gehen, sich neu aufstellen und die ungleichen Jamaika-Partner in Parlament und Regierung lustvoll vor sich hertreiben. So war der Plan, und so war es parteiweiter Konsens seit der Schlappe vom 24. September.

Auf den Fall X war keiner vorbereitet

Und deshalb war es eine ziemlich ratlose Runde, die am Montagmorgen im Willy-Brandt-Haus in der engeren Parteiführung zusammentraf. Auf den Fall X, ein Scheitern der Sondierungen, war keiner vorbereitet, es gab keine strategische Planung, keine Orientierung, keine Sprachregelung.

Einen Plan, den einfachsten nämlich, hatte nur der Parteivorsitzende Martin Schulz. Er wollte an der Linie festhalten, die er bereits am Abend der Bundestagswahl vor jubelnden SPD-Anhängern ausgegeben hatte: "Es ist völlig klar, dass der Wählerauftrag an uns der der Opposition ist.“ Schulz konnte sich auf die Stimmung der Basis berufen, die er in den vergangenen Wochen bei Regionalkonferenzen umfassend ausgelotet hat: Tatsächlich würde eine große Mehrzahl der Parteimitglieder liebend gerne auf eine Neuauflage der Großen Koalition verzichten.

Zarte Hinweise aus dem Norden verhallen

Darauf verwies denn auch die Mehrzahl der Teilnehmer in der Spitzenrunde am Montagmorgen. Zarte Hinweise der Ministerpräsidenten Olaf Scholz aus Hamburg und des Niedersachsen Stephan Weil ("Brauchen wir wirklich so schnell wie möglich Neuwahlen?"), die Große Koalition nicht vorzeitig auszuschließen, verhallten.

Und so drückte Schulz in Präsidium und Parteivorstand einen Beschluss durch, in dem es ziemlich unmissverständlich heißt: "Wir stehen angesichts des Wahlergebnisses vom 24. September für den Eintritt in eine Große Koalition nicht zur Verfügung."

Die Stimmung beginnt sich zu drehen

Doch nun, eine Nacht und viele Gespräche später, beginnt sich die Stimmung in der Parteispitze allmählich zu drehen. Und viele stellen sich die Frage: Ist es tatsächlich klug, sich allen Appellen zu verweigern und stramm auf Neuwahlen zuzumarschieren?

Richtig ist zunächst einmal: Höchstwahrscheinlich hätten die Genossen in einer neuerlichen GroKo-Auflage wenig zu gewinnen. Zweimal seit 2005 stellten sie sich zur Verfügung; zweimal gingen sie deutlich geschwächt aus den vier Jahren heraus. Schlimmer noch: Auch das Erstarken der AfD hat das Land dem Umstand zu verdanken, dass es eine kraftvolle Opposition nach 2013 nicht mehr gab. Zwar ist es den Sozialdemokraten in der abgelaufenen Legislaturperiode gelungen, ihre wichtigsten Punkte – Mindestlohn, Rente mit 63, Familienpolitik und anderes mehr – durchzusetzen. Belohnt wurden sie dafür jedoch nicht.

Und so wäre es vermutlich auch diesmal.

Doch, so wie es aussieht, wird der Parteichef kaum umhinkommen, die apodiktische Verweigerungshaltung zu korrigieren. Schon am Montagabend, bei der Sitzung der Bundestagsfraktion, gab es nicht nur Beifall für den sozialdemokratischen Häuptling. "Ich komme zu einer anderen Bewertung als du", ließ ihn der Hildesheimer Genosse Bernd Westphal wissen. Und der Chef des eher rechten Parteiflügels (Die Seeheimer), Johannes Kahrs, sinnierte: "Vielleicht hätte man die Große Koalition besser nicht ganz so apodiktisch ausgeschlossen." Selbst der Schulz-Vertraute Achim Post kritisierte die Eile: "Warten wir doch auf den Bundespräsidenten." Fraktionschefin Andrea Nahles stöhnte schließlich genervt auf: "Die CSU zerlegt sich gerade selbst und wir machen hier drei Stunden Debatte.“

Partei steckt in schwieriger Lage

Tatsächlich hat Schulz seine Truppe in eine schwierige Lage manövriert. Von einer "babylonischen Gefangenschaft" spricht bereits ein Spitzenmann der Partei. Ex-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte am Montagabend: "Wir haben drei Optionen - Große Koalition, Neuwahlen, Minderheitsregierung - und alle sind schlecht."

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Das Dilemma für die SPD: Sollte es zu Neuwahlen kommen, wird es auch danach kaum ohne die Sozialdemokratie gehen. Im Klartext: Eine Jamaika-Koalition erscheint nach dem Desaster vom vergangenen Sonntag ausgeschlossen, nach dem Zerwürfnis zwischen FDP und Grünen dürfte auch die ohnehin nur theoretische rot-gelb-grüne Ampel erledigt sein, für eine schwarz-gelbe oder schwarz-grüne Allianz dürfte es kaum reichen, genauso wenig für eine rot-rot-grüne Koalition. Bleibt nur eine neuerliche schwarz-rote Koalition.

Will sich die SPD dann weiter jedem Gespräch verweigern? Sie kann es kaum, aber wie will die Partei dann erklären, dass sie nach einem zig-millionen-teuren Wahlgang genau die Gespräche führt, die sie drei Monate zuvor noch vehement ausgeschlossen hat?

Wie sehen die neuen Themen aus?

Auch für Schulz und seine persönlichen Ambitionen wäre es mutmaßlich cleverer, die Hand, die ihm Angela Merkel entgegenstrecken wird, anzunehmen. Denn im Falle von Neuwahlen wird er schnell die Frage beantworten müssen, seiner eigenen Partei und den Wählern, was er denn anders machen will als bei der verunglückten Kampagne im vergangenen Sommer. Wie sehen die neuen Themen, das neue Personal, die andere Sprache aus? Und wie will er sich und seine Partei überhaupt neu erfinden in der knappen Zeit bis zum Wahltag?

Die Antworten werden ihm schwer fallen, die SPD wird auch aus einem neuen Wahlgang kaum kraftvoller herausgehen, und so wären Neuwahlen mutmaßlich sein politisches Ende.

Auch Fraktionschefin Andrea Nahles, die am Montagnachmittag noch sehr entschieden für Neuwahlen plädiert hatte, äußerte sich am Dienstag im "Morgenmagazin" erkennbar differenzierter: "Wir sollten darüber reden, wie wir einen Prozess gestalten, der unser Land in eine stabile, neue Regierung führt."

Kommt bald der Anruf von Merkel?

Am Donnerstag trifft Martin Schulz den Bundespräsidenten. Der Ex-Genosse Steinmeier wird dem SPD-Chef dringend anraten, noch einmal über eine Sondierung mit der Union nachzudenken. Und nicht ausgeschlossen, dass Schulz in den nächsten Tagen ein Anruf von Angela Merkel ereilt.

Die Lage ist heikel für Spitzenmann Schulz. So heikel, wie womöglich noch nie in seiner politischen Karriere. Ein Szenario, mit dem Schulz vor der skeptischen Basis und dem SPD-Parteitag vom 7. bis 9. Dezember bestehen könnte, könnte so aussehen: Die Parteiführung verabredet mehrere unverhandelbare Prüfsteine, mit denen sie in die Gespräche mit der Union geht. Sollte es am Ende zu einer Koalitionsvereinbarung kommen, hätte immer noch die Basis über einen Mitgliederentscheid das letzte Wort. Es wäre die ultimative Legitimation - für ein Bündnis mit der Union genau so wie für Neuwahlen.

In jedem Fall muss der Parteichef jetzt harte Überzeugungsarbeit leisten. Viel Zeit dafür hat er nicht mehr.

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