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Bundestagswahl 2021: Es hat sich etwas gewaltig verschoben in Deutschland


Drei Thesen zur Wahl
In Deutschland hat sich etwas gewaltig verschoben


26.09.2021Lesedauer: 4 Min.
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Nach den ersten Prognosen: Olaf Scholz gibt sich am Wahlabend optimistisch, doch der Vorsprung ist hauchdünn. (Quelle: reuters)

Deutschland hat gewählt. Nach 16 Jahren ist die Ära Angela Merkel vorbei. Doch wie sieht die neue politische Landschaft aus? Erste Lehren aus einer historischen Wahl.

Die Union erzielt ein historisch schlechtes Ergebnis und liefert sich mit der SPD ein enges Rennen um den Wahlsieg. Die Grünen verfehlen ihre hochgesteckten Ziele deutlich. Die Linken zittern um den Einzug in den Bundestag.

So weit die Fakten.

Was die Parteien aus diesem Ergebnis machen, also welche Regierung sich für die nächsten vier Jahre bilden wird, steht zwar noch nicht fest. Aber ein paar Schlüsse lassen sich aus dieser bedeutsamen Wahl schon jetzt ziehen – der ersten nach 16 Jahren Bundeskanzlerin Angela Merkel.

1. Auf die Personen kommt's an – eine schlechte Nachricht für die Union

Die Entscheidungsfindung bei Bundestagswahlen scheint zunehmend der bei Landtagswahlen zu ähneln: Weniger die Beliebtheit einer Partei entscheidet über das Ergebnis als deren Spitzenkandidat. Das ist kein ganz neuer Trend, doch in diesem Wahlkampf wurde er besonders deutlich. Die Zeit einer "lebenslangen Treue" vieler Wähler zu einer bestimmten Partei ist vorbei. Im Umkehrschluss bedeutet das jedoch auch: Ist der Kandidat unbeliebt, reißt er seine Partei mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit nach unten.

Im Wahlkampf ließ sich das durchaus beobachten: Gravierende Fehler der Spitzenkandidaten wurden kurze Zeit später in den Umfragen erkennbar. Laschet lachte im Flutgebiet? Es ging für die CDU nach unten. Baerbock patzte bei ihrem Buch? Prompt ließ die Beliebtheit der Grünen weiter nach. Olaf Scholz wirkte dagegen über weite Strecken skandalfrei – und die SPD konnte davon schließlich profitieren.

Bemerkenswert ist dieser Mechanismus auch, weil es in Deutschland bekanntlich keine Direktwahl des Regierungschefs gibt, sondern nur Parteien gewählt werden. Unter dem zunehmenden Trend zur Personalisierung litt dieses Mal vor allem die Union: CDU und CSU erreichen angesichts ihres eher unpopulären Kanzlerkandidaten nur noch rund 25 Prozent. 2013, auf dem Höhepunkt der Ära von Angela Merkel, waren es noch 41,5 Prozent.

Dieser Absturz lässt eine weitere Schlussfolgerung zu: Der positive Effekt, den Angela Merkel auf die Union hatte, war größer als vielfach angenommen. Das bedeutet auch, dass die Stammwählerschaft der Union inzwischen wesentlich kleiner ist, als viele Beobachter lange vermutet hatten.

2. Es hat sich etwas gewaltig verschoben in Deutschland

Deutschland ist nach links gerutscht. Nicht an den linken Rand, was angesichts der vielen Krisen bemerkenswert genug ist (siehe dazu Punkt drei). Aber die politische Landschaft hat sich mit dieser Wahl eben doch deutlich verändert, nämlich von Mitte-rechts (mit Union und FDP) nach Mitte-links (mit SPD und Grünen).

Das Mitte-links-Lager ist dieses Mal fast auf einem Niveau, wie es SPD und Grüne seit 2005 nicht mehr erzielt haben. Damals, als Gerhard Schröders rot-grüne Regierung knapp abgewählt wurde, erreichten beide zusammen mehr als 42 Prozent. Bei dieser Wahl liegen sie ebenfalls bei rund 40 Prozent. In den Jahren dazwischen reichte es immer nur für um die 30 Prozent.

Im Mitte-rechts-Lager sieht es genau umgekehrt aus. 2009 lagen Union und FDP noch fast bei 49 Prozent, es folgte eine schwarz-gelbe Regierung. Diesmal erreichen sie zusammen nur noch einen Wert von rund 36 Prozent.

Dass der Austausch vor allem zwischen Mitte-rechts und Mitte-links stattfand, lässt bei aller Vorsicht schon jetzt zwei Schlussfolgerungen zu: Die demokratische Mitte ist stabiler, als Untergangspropheten und parteiisch-interessierte Politiker es gerne hätten. Und: Die Gesellschaft ist nicht so gespalten, wie es ihr viele immer wieder attestieren. Fast ließe sich sogar das Gegenteil behaupten: Ein Lagerwechsel ist für Wähler offenbar leichter als früher. Und zusammen ziehen beide Lager noch immer deutlich mehr als 70 Prozent der Wähler an.

3. Die Ränder gewinnen nicht hinzu – trotz der Krisen

Lockdown, Ausgangssperre, Maskenpflicht – unser Leben hat sich in den vergangenen anderthalb Jahren vollkommen verändert. Corona hat es auf den Kopf gestellt. Dabei wurden System- und Regierungsschwächen brutal offengelegt, die Millionen Bürger direkt betreffen. Außerdem endet mit dem Abgang von Merkel eben eine politische Ära.

Ein historischer Umbruch mit einer Chance für radikalere Ideen und Parteien – darauf hofften manche bei der AfD und der Linken. Doch beide Parteien können nicht profitieren. Zog die AfD 2017 mit 12,6 Prozent in den Bundestag und war sogar stärkste Oppositionskraft, kommt sie nun nur noch auf rund 10 Prozent. Die Linke stürzt sogar von 9,2 Prozent auf etwa 5 Prozent ab. Sie verliert damit mehr als jeden dritten Wähler von 2017.

Die Linke hat es nicht aus eigener Kraft geschafft, den Wählern klarzumachen, ob sie regieren will, ja wofür sie eigentlich noch gebraucht wird. Das übernahm in der Schlussphase des Wahlkampfes die Union für sie, in Form einer Negativkampagne gegen eine mögliche rot-grün-rote Koalition.

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Auch dem radikalen Kurs, den die AfD eingeschlagen hat, erteilte der Großteil der Wähler nun eine Absage. Die Partei umwarb im Endspurt vor allem Corona-Leugner und Impfgegner. Doch die Strategie hat nicht verfangen. Innerparteiliche Machtkämpfe dürften Wähler ebenfalls eher abgeschreckt haben.

In der nun folgenden Wahlperiode wird die AfD wahrscheinlich auch den prominenten Status als größte Oppositionspartei im Bundestag verlieren – und damit für sie wichtige Sonderrechte wie das Rederecht gleich nach der Mehrheitsfraktion. Ihr Einfluss auf die Debatten im Parlament wird damit schrumpfen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Analysen
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