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Julian Reichelt: Gericht untersagt Aussagen über Seenotretter Axel Steier


Gericht verlangt Gegendarstellung
Seenotretter bringt Reichelt ins Schwimmen

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 08.12.2023Lesedauer: 3 Min.
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Julian Reichelt: Der populistisch auftretende Journalist hat die Unwahrheit über Seenotretter Axel Steier verbreitet.Vergrößern des Bildes
Julian Reichelt: Der populistisch auftretende Journalist hat die Unwahrheit über Seenotretter Axel Steier verbreitet. (Quelle: YouTube/@AchtungReichelt, Monika Skolimowska/dpa)

Erneut bescheinigt ein Gericht Julian Reichelt, dass er Unwahres verbreitet. Nach Jan Böhmermann ist diesmal ein Seenotretter gegen ihn vorgegangen.

5:33 Minuten läuft ein YouTube-Video des früheren Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt, dann piept es: Ein nerviges Musikstück übertönt plötzlich das, was der YouTuber auf seinem Kanal "Achtung, Reichelt" eigentlich gesagt hatte: Eine falsche Behauptung über den ZDF-Satiriker Jan Böhmermann. Diese und weitere waren ihm im Oktober gerichtlich verboten worden. Auf diese Art hat Reichelt den Beschluss umgesetzt.

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Nun könnte es bald wieder piepen in einem anderen Video von Reichelt. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit hat ein Gericht dem 43-Jährigen, der als populistischer Politik-Analyst auftritt, verboten, unwahre Tatsachen zu behaupten. Im neuen Fall geht es um ein Video, das am 2. Oktober nur vier Wochen nach dem Beitrag über Böhmermann erschienen ist. In dem Clip unter dem Titel: "Was wirklich hinter 'Seenotrettung' steckt" behandelte Reichelt die Organisation "Mission Lifeline" und vor allem deren Mitgründer, Vorsitzenden und Sprecher Axel Steier.

Auch AfD Dresden und Storch-Verein verbreiteten Unwahrheit

Für seine falschen Behauptungen über Einnahmen des Vereins hatte sich Reichelt mit Steier offenbar den Falschen ausgesucht. Der Dresdner hat mit Anwalt Jonas Kahl (Spirit Legal) schon der AfD Dresden wegen eines Werbeflyers für AfD-Politiker Maximilian Krah eine Äußerung verbieten lassen. Auch ein Verein der AfD-Politikerin Beatrix von Storch und ihres Mannes unterlag. Hier ging es ebenfalls um falsche Behauptungen über die Finanzen des Vereins.

Reichelt reiht sich dort nun ein. In dem Videobeitrag ließ er sich über Steier aus, der schon häufiger mit provozierenden Äußerungen für Aufsehen gesorgt hatte. Reichelt behauptete: "Er wird von unserer Bundesregierung finanziert, von Ihren Steuergeldern. Axel Steiers Organisation Mission Lifeline gehört zu den Organisationen, die finanziert werden von der deutschen Organisation United4Rescue." Mission Lifeline ging gegen den zweiten Satz vor.

United4Rescue ist ein Verein mit 900 Organisationen und Gruppen als Bündnispartner. Er wurde gegründet, nachdem 2019 beim Evangelischen Kirchentag in einer Petition gefordert worden war, die Kirche solle ein Rettungsschiff ins Mittelmeer schicken. Die Organisation hat inzwischen drei Bündnisschiffe und zahlreiche Rettungseinsätze mit ermöglicht. Nach ihren Angaben hat sie so geholfen, Tausende Menschen aus Seenot zu retten. Sie bekommt nach einem Beschluss des Haushaltsausschusses 2023 bis 2026 jährlich zwei Millionen Euro vom Bund. An der Spitze von United4Rescue steht Thies Gundlach, Lebensgefährte der Grünen-Politikerin und Vize-Bundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt. Auf die Verbindung ging Reichelt ausführlich ein.

Antwort auf Troll mit Folgen

Gegner der Seenotrettungs-Missionen sehen in Axel Steier einen vermeintlichen Beleg dafür, dass hinter den Missionen eine größere Agenda stecke, die sich gegen Weiße richte. Im Mittelpunkt steht eine Antwort von Steier auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter): "Nein, es wird irgendwann keine Weißbrote mehr geben, weil Ihre Nachkommen in 50-100 Jahren sich (offenbar anders als Sie) für ein*n Partner*in entscheidet, der nicht weiß ist. Die Enthomogenisierung der Gesellschaft schreitet voran. Ich unterstütze das mit meiner Arbeit." Steier verwies später in der "Welt" darauf, dass er auf einen rechten Troll unter einem Beitrag der Satire-Zeitschrift "Titanic" geantwortet hatte. "Eine satirisch-provozierende Reaktion (...). Alle Tweets sollte der verständige Leser einordnen können." Der frühere Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen nutzte den Tweet für die Behauptung, die "treibenden politischen Kräfte im politisch-medialen Raum" hätten die Stoßrichtung "Eliminatorischer Rassismus gegen Weiße und der brennende Wunsch, dass Deutschland verrecken möge". Kurz nach der Äußerung startete der CDU-Bundesvorstand ein Parteiausschlussverfahren gegen Maaßen.

Nur: Mission Lifeline bekommt kein Geld von United4Rescue, die zentrale Aussage ist also falsch. Und sie gefährdet aus Sicht des Vereins auch dessen Einnahmen: Spender könnten wegen Reichelts falscher Behauptung annehmen, dass ihre Spenden gar nicht benötigt würden.

Das Landgericht Berlin hat nun entschieden, dass Reichelt die Aussage nicht tätigen darf und eine Gegendarstellung veröffentlichen muss (27 O 453/23). In der Praxis wird das bedeuten, dass das Video – inzwischen 640.000 Mal gesehen – nicht gelöscht, aber die entsprechende Stelle entfernt werden muss. Zum Beispiel, indem er einen anderen Ton über die entsprechende Stelle legt. Außerdem muss Reichelt ein Video veröffentlichen in der gleichen effekthascherischen Aufmachung seiner sonstigen Beiträge, in dem wörtlich die Richtigstellung von Mission Lifeline wiedergegeben wird. Das Video muss in Reichelts Kanal mindestens so lange online stehen wie die falsche Behauptung.

Beschluss des Gerichts gilt auch für das Portal "Nius"

Reichelt und seine Firma Rome Medien GmbH hatten auf das Schreiben von Steiers Anwalt und die Anhörung des Gerichts nicht reagiert. Gegen die Beschlüsse kann er noch Widerspruch einlegen, dann kommt es zu einer mündlichen Verhandlung. Weil die einstweiligen Verfügungen sowohl gegen seine Firma als auch gegen ihn persönlich ergangen sind, ist laut Anwalt Kahl auch das Portal "Nius" betroffen, das die Reichelt-Videos auf seiner Seite veröffentlicht. "Für Reichelt geht damit die Pflicht einher, auf eine Löschung/Korrektur des Videos auf nius.de hinzuwirken." Hinter dem Portal und Reichelts Engagement steckt maßgeblich der Milliardär Frank Gotthardt.

Gotthardt gehört sehr konservativen Kreisen in der CDU an und ermöglicht nun Reichelt-Beiträge wie "Warum die CDU wieder rechts werden muss". Der Titel entspricht der Stoßrichtung der vieler Reichelt-Beiträge. Dabei behauptet er, sein Kanal sei der "schärfste Widersacher von Spins, erdrückenden Narrativen, Ideologien". Auf eine Anfrage von t-online zu den wiederholten unwahren Behauptungen antwortete er nicht.

Seine Firmenadresse teilt Reichelt seit Kurzem nicht mehr mit einem von Gotthardts Unternehmen in Berlin. Reichelts "Rome Medien GmbH" sitzt nun am Kurfürstendamm in einem Gebäude eines Unternehmens, das Büroservices und Büroräume zur Miete anbietet. Es verspricht Mietern ein "PureSilent"-Konzept und Arbeiten in schallgedämpften Kuben.

Verwendete Quellen
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