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Wadephul zwischen Gaza und Ukraine: Die Nerven liegen blank


Außenminister Wadephul im Krisenmodus
Die Nerven liegen blank


Aktualisiert am 26.07.2025 - 09:24 UhrLesedauer: 5 Min.
Johann Wadephul: Der deutsche Außenminister sendete mit Blick auf seine Israel-Politik unterschiedliche Signale.Vergrößern des Bildes
Johann Wadephul: Der deutsche Außenminister sendete mit Blick auf seine Israel-Politik unterschiedliche Signale. (Quelle: dpa REUTERS/Abdul Saboor/dpa)
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Die Kritik an verschiedenen außenpolitischen Positionen der Bundesregierung wächst. Trotzdem halten Kanzler Merz und Außenminister Wadephul an ihrem Kurs fest. Nur mit Blick auf eine Krise wächst der Druck erheblich.

Sie schlagen weiter Alarm, denn noch immer ist das Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen groß. Noch immer kommt zu wenig humanitäre Hilfe zu bedürftigen Menschen. "Kinder im Gazastreifen verhungern. Schwere Mangelernährung bei Kindern breitet sich schneller aus, als Hilfe sie erreichen kann", schreibt die Hilfsorganisation Unicef in einer Pressemitteilung am Freitag. "Und die Welt sieht tatenlos zu. [...] Diese Todesfälle sind unerträglich und hätten verhindert werden können."

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Die israelische Armee geht mit hoher Intensität gegen die Terrororganisation Hamas vor. Was der israelische Premier Benjamin Netanjahu mit diesem Einsatz bezweckt, ist vielen Beobachtern mittlerweile ein Rätsel, und noch immer befinden sich auch israelische Geiseln in den Händen der Islamisten in Gaza.

Tun Deutschland und andere westliche Staaten genug, um das Leid in Gaza zu beenden? Oder sollte auch die Bundesregierung den politischen Druck auf die israelische Regierung erhöhen, damit Netanjahu zumindest seine Kriegsführung in Gaza überdenkt? Einigkeit bei diesen Fragen gibt es nicht, weder innerhalb der Bundesregierung noch im westlichen Bündnis.

Der Krieg im Nahen Osten ist aber nicht das einzige außenpolitische Thema, bei dem die Nerven in Deutschland und Europa blank liegen. Gleichzeitig schlagen sich Diplomaten und Außenminister mit drohenden US-Zöllen, mit Russlands Krieg in der Ukraine und allgemein mit der Sicherheit Europas herum. Im Zentrum dieses Sturms steht Außenminister Johann Wadephul (CDU), der in den ersten drei Monaten seiner Amtszeit bereits von unterschiedlichen Seiten in der Kritik stand.

Dabei wurde vor allem eines klar: Auch bei dieser Bundesregierung trifft teilweise außenpolitischer Anspruch auf bittere Realität.

Kein leichter Start für Wadephul und Merz

Spricht man mit europäischen Diplomaten, dann wird oft deutlich, dass es für die großen internationalen Probleme und Krisen keine einfachen Lösungen gibt. Die Komplexität vieler Krisen passt meistens nicht zu den vergleichsweise einfachen Polarisierungen im Wahlkampf. Das musste Wadephul in den ersten Monaten als Außenminister erkennen. Zugleich hat jedes seiner Worte Gewicht, jede falsche oder widersprüchliche Formulierung kann Empörung auslösen. Damit tat sich bereits Annalena Baerbock als Außenministerin schwer, und auch Wadephul erwischte keinen leichten Start.

Denn: Der Außenminister fand sich in den vergangenen Wochen oftmals zwischen den politischen Fronten wieder.

Ein Überblick:

Krieg im Nahen Osten

Ungemach für die Bundesregierung und den Außenminister droht vor allem mit Blick auf den Gaza-Krieg. Israels Kriegsführung führt zu vielen Opfern unter der Zivilbevölkerung, und noch immer lasse das israelische Militär zu wenig Hilfsgüter nach Gaza, kritisieren Hilfsorganisationen. Israel hat nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 das Recht, sich zu verteidigen – darüber gibt es auch in der Bundesregierung keine Uneinigkeit. Aber mit Blick auf die Art und Weise, wie Netanjahu den Krieg führen lässt, sei das Maß nun voll.

Als Bundeskanzler Friedrich Merz und Wadephul Ende Mai die israelische Kriegsführung kritisierten und sich der Außenminister gegen eine "Zwangssolidarität" mit Israel aussprach, musste vor allem er aus den eigenen Reihen – insbesondere aus der CSU – heftige Kritik einstecken. Mittlerweile steht er von der anderen Seite unter Beschuss, weil die Mahnungen der Bundesregierung gegenüber Israel bislang ohne Konsequenzen für Netanjahu blieben. Israel führt den Krieg kompromisslos weiter, und Deutschland liefert weiterhin Waffen an die israelische Armee – das löst immer größere Wut aus, auch in Deutschland.

Seither gibt Wadephul widersprüchliche Signale – Kritik an der israelischen Kriegsführung, keine Sanktionen. Es ist ein schwieriger Spagat zwischen Staatsräson und Völkerrecht. Der CDU-Politiker betont aktuell regelmäßig, dass Deutschland fest an der Seite Israels stehe. Die Bundesrepublik sei nicht "neutral" und könne "kein Mittler" sein, sagte er zuletzt der "Zeit".


  • Podcast-Empfehlung: Kanzler-Analyse: Setzt Merz einen falschen Fokus?
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Unruhe im Ministerium

An dieser Position regt sich Protest, auch in seinem Ministerium. Mittlerweile fordert eine Gruppe von Diplomatinnen und Diplomaten intern im Auswärtigen Amt einen Kurswechsel in der Israelpolitik. Der "Spiegel" hatte zuerst über die Gruppe berichtet. Ihre Mitglieder werfen der Bundesregierung Doppelmoral vor, denn nach ihrer Auffassung dürfe Israels Regierung nicht anders als Russland behandelt werden, wenn sie Völkerrecht breche.

Aus dem Auswärtigen Amt erfuhr t-online: "Alle Kolleginnen und Kollegen sind eingeladen, ihre Meinungen und Ansichten in den internen Entscheidungsprozess einzubringen. Dies hat Außenminister Wadephul bei der letzten Personalversammlung am 3. Juli 2025 ausdrücklich betont."

Ende Juni trafen sich Mitglieder der besagten Gruppe zum Austausch mit den beiden Staatssekretären Géza von Geyr und Bernhard Kotsch, ein Treffen mit Außenminister Wadephul ist geplant. Für den Moment hält sich der CDU-Politiker zum Thema vergleichsweise bedeckt. Am Freitag war es schließlich Regierungssprecher Stefan Kornelius, der sich in den politischen Sturm stellte.

Zuvor hatte Frankreich erklärt, dass es Palästina als Staat anerkennen möchte. "Die Anerkennung eines palästinensischen Staats betrachtet die Bundesregierung weiter als einen der abschließenden Schritte auf dem Weg zur Verwirklichung einer Zweistaatenlösung", schrieb Kornelius in einer Pressemitteilung und begründete damit den Schritt, Palästina "kurzfristig" nicht als Staat anzuerkennen. "Israels Sicherheit hat für die Bundesregierung übergeordnete Bedeutung."

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Zuvor hatten ein Großteil der EU-Staaten einen Brief unterzeichnet, in dem eine sofortige Waffenruhe in Gaza gefordert wird. Die Bundesregierung steht in der Frage international immer mehr am Pranger, und mit der SPD-Bundestagsfraktion fordert mittlerweile ein Teil der Bundesregierung eine nachträgliche Unterzeichnung des Briefes. In der Gaza-Frage wird es für Merz und Wadephul immer einsamer, und der Druck wächst. Auch deshalb könnte sich die Bundesregierung am Freitag auf eine gemeinsame Erklärung mit Großbritannien und Frankreich eingelassen haben, die Israel deutlich kritisiert und die eine Waffenruhe fordert. Doch ob diese Erklärung politische Folgen haben wird, ist unklar.

Putins Krieg in der Ukraine

Auch mit Blick auf Russlands Krieg in der Ukraine steht die deutsche Außenpolitik vor einer Mammutaufgabe. Die westlichen Verbündeten der Ukraine müssen kurz- und mittelfristig den Ausfall amerikanischer Waffenlieferungen an die Ukraine kompensieren. Selbst wenn US-Präsident Donald Trump sich für weitere Hilfen entscheidet, müssen die Europäer diese finanzieren. Eine zentrale Rolle dabei wird die Bundesrepublik spielen, die mit Blick auf den deutschen Haushalt und die wirtschaftliche Entwicklung finanziell nicht auf Rosen gebettet ist.

Bei der Unterstützung der Ukraine hielten Merz und Wadephul Kurs. Nur in einer Frage wurden sie von der Realität eingeholt: Noch in der Opposition forderte die Union eine umgehende Lieferung des Marschflugkörper Taurus an die Ukraine, sie stellte Anträge im Bundestag, trieb die damalige Ampelregierung vor sich her. Nun hat Deutschland zwar seit knapp drei Monaten eine neue Bundesregierung, die Ukraine aber noch keine Taurus.

Umgang mit Trump

Ob die Krisen in der Ukraine und im Nahen Osten bewältigt werden können, wird aber vor allem mit dem Engagement der USA zusammenhängen, denn vor allem sicherheitspolitisch hat die EU nicht ausreichend Handlungsoptionen und Einfluss. Deshalb stand zu Beginn der Amtszeiten von Merz und Wadephul im Mittelpunkt, belastbare Beziehungen zur US-Regierung aufzubauen.

War das nicht erfolgreich, drohen Deutschland wie auch der restlichen EU Zölle auf US-Importe von 30 Prozent ab dem 1. August – mit massiven negativen Folgen für die deutsche Wirtschaft.

Aber auch der Umgang mit der US-Regierung wird für die Bundesregierung in jedem Fall ein schwieriger Balanceakt. Einerseits geht es um wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen, bei denen Trump schlichtweg am längeren politischen Hebel sitzt. Andererseits darf sich auch die neue Bundesregierung nicht alles gefallen lassen, sonst droht innenpolitischer Unmut in Deutschland.

Da die Grenze zwischen deutschen Interessen und Selbstbewusstsein für viele politische Beobachter anders verläuft, ist auch im Umgang mit der Trump-Regierung für Merz und Wadephul Ärger schon programmiert.

Verwendete Quellen
  • Anfrage an das Auswärtige Amt
  • Eigene Recherchen

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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