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"Anne Will"-Talk: Ging Jan Böhmermann einen Schritt zu weit?


"Anne Will"-Talk zu Böhmermann
"Merkel präsentiert Grundgesetz auf den Silbertablett"

t-online, David Heisig

Aktualisiert am 11.04.2016Lesedauer: 3 Min.
Linken-Politikerin Sevim Dagdelen (li.), Kabarettist Serdar Somuncu (3. v.l.) und der CDU-Politiker Elmar Brok (re.) diskutierten mit Gastgeberin Anne Will (Mitte) über Jan Böhmermann.Vergrößern des BildesLinken-Politikerin Sevim Dagdelen (li.), Kabarettist Serdar Somuncu (3. v.l.) und der CDU-Politiker Elmar Brok (re.) diskutierten mit Gastgeberin Anne Will (Mitte) über Jan Böhmermann. (Quelle: Wolfgang Borrs / NDR)
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Satire hält der Gesellschaft den Spiegel vor. Was mancher da sieht, mag nicht schön sein, muss aber ertragen werden. Anne Will geht mit ihren Talk-Gästen der Frage nach, ob Jan Böhmermann in seiner Fernseh-Show mit dem "Schmähgedicht" gegen den türkischen Präsidenten Recep Erdogan jedoch einen Schritt zu weit gegangen ist.

Der Kabarettist Serdar Somuncu verteidigt bei Anne Will seinen Kollegen. Was dieser im "NEO Magazin Royale" im ZDF gemacht habe sei Satire. "Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie sich hinter ihren Künstler stellt", fordert er. Die türkische Regierung will Böhmermann strafrechtlich verfolgen. Kanzlerin Angela Merkel hatte im Gespräch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu zudem Böhmermanns Gedicht, in dem er Erdogan unter anderem als Homosexuellen, Pädophilen und Frauenschläger tituliert, als "bewusst verletzend bezeichnet".

Für ein eventuelles Strafverfahren sieht Somuncu zwar keine Aussicht auf Erfolg. Für ihn habe die Bundesregierung in Hinblick auf den EU-Türkei-Flüchtlingspakt aber in "vorauseilendem Gehorsam gehandelt". "Schon geht denen die Düse", mutmaßt er zu Reaktionen auf die Böhmermann-Nummer.

Grundrechte auf dem Silbertablett

Auch Sevim Dagdelen (Die Linke), Sprecherin für internationale Beziehungen ihrer Bundestagsfraktion, sieht in der Vorverurteilung durch die Bundeskanzlerin ein gewaltiges Problem. Die Kanzlerin habe sich als Klägerin und Richterin aufgespielt. Die Bundesregierung habe der Türkei "das Grundgesetz auf dem Silbertablett präsentiert". Etwas, was Elmar Brok als Unionspolitiker nicht stehen lassen will. Vor allem die Bundesregierung mahne an, dass aufgrund ihres aktuellen Umgangs mit Presse- und Religionsfreiheit die Türkei kein EU-Aufnahmekandidat sein könne. Das werde auch in anstehende Verhandlungen einfließen.

Einmal schlagen die Wellen hoch

Und schon hat Will ein schönes Wortgefecht: Dagdelen entgegnet: "Da passiert nichts". Je schlimmer die Menschenrechtssituation in der Türkei sei, "umso mehr komme sie der Regierung entgegen", geißelt sie die Bundesregierung. "Das ist eine Lüge", echauffiert sich Brok. Somuncu reduziert es auf die Frage, ob sich die Bundesregierung "erpressbar gemacht habe". Will fragt Brok, ob die Bundeskanzlerin vor der Türkei kusche? "Sie kuscht nicht", so der EU-Parlamentarier. Lacher im Publikum.

Somuncu meint nur: "Das ist Satire". Er spielt den Unionspolitker an die Wand - zeigt dessen Widerspruch auf, dass man einerseits die Hilfe der Türkei in der Flüchtlingskrise beanspruche, aber andererseits die Türkei nicht in die EU aufnehmen wolle, weil sie "kein Rechtsstaat" sei, wie Brok meine.

Zingal und Pörksen bleiben Randfiguren

Will führt Fatih Zingal von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten als emotional mit Erdogan und dessen AKP-Partei verbunden ein. Das wird auch schnell deutlich. Für ihn hat Böhmermanns Gedicht nichts mit Satire zu tun, ist Schmähkritik, klar verfolgbar nach dem deutschen Strafgesetzbuch. Der Jurist argumentiert kühl und überlegt. Die Frage Wills, ob er in der Türkei oder in Deutschland mehr Rechtssicherheit habe, lockt ihn nicht aus der Reserve. "Nirgendwo mehr" ist seine Antwort.

Mit seiner Haltung, vor allem die AKP als reformerische Kraft und die Entwicklungen in der Türkei der letzten Jahrzehnte als demokratisch zu sehen steht er in der Runde alleine da. Es mag auch seinem ruhigen Habitus geschuldet sein, dass er neben Somuncu, Brok und Co. kaum brillieren kann. Ebenso geht es dem Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen. Der spricht von Böhmermanns Genialität, einen Zwitter aus Schmähkritik und Satire geschaffen zu haben und fordert ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zur Meinungsfreiheit. Auch er wird nicht Talkerinnerung Nummer eins vom 10. April bleiben.

Ja, nein, vielleicht

Die Moderatorin muss sich stellenweise als Dompteurin beweisen. Wollen doch vor allem Brok, Dagdelen und Somuncu immer einmal mehr als die anderen durch den Argumentationsreifen springen. Kleine technische Pannen im Studiobetrieb helfen Will beim Entspannen der Situation. Ihr spontanes Bonmot es handele sich vermutlich um „türkische Mächte, die hier herrschen“ wirkt kess und charmant.

Der Zuschauer sieht sich am Ende mit drei Fragen konfrontiert: Ist Böhmermanns Nummer Satire? Ist die Bundesregierung erpressbar? Ist die Türkei ein geeigneter Kandidat für die EU-Aufnahme? Der, der auf alle Fälle Frage eins hätte erhellen können, hat seine Teilnahme am Talk abgesagt: Böhmermann. Ansonsten bleiben drei Antwortoptionen: ja, nein, vielleicht.

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