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"Maischberger": Schert Islam-Kritik alle Muslime über einen Kamm?


Talk bei Maischberger
Mann, Muslim, Macho - was steckt dahinter?

Aktualisiert am 12.05.2016Lesedauer: 5 Min.
Alice Schwarzer und Murat Kayman haben die Diskussion bei Sandra Maischberger dominiert.Vergrößern des BildesAlice Schwarzer und Murat Kayman haben die Diskussion bei Sandra Maischberger dominiert. (Quelle: imago-images-bilder)
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Seit den massiven Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln steht der Islam unter Generalverdacht, ein frauenfeindliches Weltbild zu predigen und Straftaten wie die auf dem Bahnhofplatz in Köln zu begünstigen. Sandra Maischberger diskutierte das unter dem Motto: "Mann, Muslim, Macho: Was hat das mit dem Islam zu tun?"

Die einen unterstellen dem Islam eine grundsätzlich frauenfeindliche Grundhaltung. Die anderen fordern eine Differenzierung zwischen der Religion und ihrer politischen und dogmatischen Auslegung durch bestimmte Glaubensausprägungen. Genug Zündstoff für die Runde, die Sandra Maischberger am Mittwochabend ins Studio eingeladen hatte, um die Konsequenzen zu diskutieren, die die Ereignisse in der Silvesternacht in Köln erfordern.

Es diskutierten:

  • Alice Schwarzer (Feministin und Journalistin): "Es gibt einen traditionellen, eingefleischten Sexismus in der arabischen und muslimischen Welt"
  • Simone Peter, B’90/Grüne (Bundesvorsitzende): "Sexuelle Übergriffe auf Frauen in Deutschland sind immer noch trauriger Alltag, und die meisten Täter sind Verwandte oder Partner deutscher Herkunft."
  • Murat Kayman (Vorstand der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e.V. "DITIB"): "Wir sind eine moderne muslimische Gemeinde, die rechtstreu und friedlich zusammenlebt."
  • Samuel Schirmbeck (ehem. ARD-Korrespondent in Nordafrika): "In Deutschland ist Islamkritik überfällig. Nicht als generelle Kritik an Muslimen, sondern zum Schutz vor seinen menschenverachtenden Auswüchsen."
  • Dominic Musa Schmitz (ehemaliger Salafist): "Gereizt hat das feste Regelwerk. Ich konnte nicht unterscheiden zwischen Salafismus und Islam."

Die These:

Das Verhalten der Täter in Köln wird vom Frauenbild des Islam begünstigt. Es war weniger sexuell geprägt, sondern in erster Linie eine Machtdemonstration muslimischer Männer gegenüber Frauen. Eine Islamkritik ist überfällig und nötig. Vor allem Schwarzer und Schirmbeck standen in der Diskussion für diese Sichtweise.

Schirmbeck schilderte dazu seine Erlebnisse als Korrespondent: "Verhalten wie das in Köln gehört zum Alltag in Algier oder Marokko. Sexuelle Übergriffe gegen Frauen habe ich die ganzen zehn Jahren als Korrespondent erlebt. Es greift niemand eine Ethnie an, wir Kritiker greifen den Islam als Ideologie an, die so etwas ermöglicht. Es gibt ein kulturelles Umfeld im Islam, das solche Taten erleichtert. Das Frauenbild im Islam ist sehr erniedrigend."

Die Antithese:

Das gemeinsame Merkmal all dieser Taten ist nicht die Religion, sondern die Auflehnung gegen Gesetz und Ordnung. Soziale Umstände und nicht die Religion sind der Auslöser. Kritik am Islam muss differenziert erfolgen und darf kein Generalverdacht gegen alle Muslime schüren, wie die Grüne Peter mehrfach forderte.

DITIB-Vertreter Kayman versuchte, die Taten in Köln von der Religion zu isolieren: "Ein individueller Rüpel ist kein muslimischer Rüpel und macht auch nicht alle Muslimen zu Rüpeln." Alice Schwarzer hielt dem entgegen: "Wir hatten zum ersten Mal in Deutschland einen großen zentralen Platz, der über Stunden vollkommen rechtsfrei war. Wir haben zum ersten Mal eine große Tätergruppe die muslimisch geprägt war." Kriminelles Verhalten wie das in Köln als muslimisches Verhalten zu pauschalisieren, sei falsch, konterte DITIB-Anwalt Kayman.

Pauschale Urteile sind falsch

Dominic Musa Schmitz, der nach seiner Abkehr vom Salafismus dem muslimischen Glauben treu geblieben ist, erklärte: "Frauen angrabschen ist kein muslimisches Verhalten." Man könne den Islam nicht in einer Richtung festlegen, es gäbe kein Schwarz und Weiß sondern sehr viele Grautöne.

Murat Kayman monierte: "Sexualisierte Gewalt gegen Frauen wird in Deutschland als was Vergangenes und im Islam als aktuelles Problem betrachtet. Als muslimischer Makel." Das brachte Alice Schwarzer sofort in Rage, die sexuelle Gewalt alles andere als etwas Vergangenes, sondern als nach wie vor akutes Problem betrachtet.

Das umstrittene Frauenbild

Ein eingespielter Beitrag zeigte, dass sich bei der Bewertung von Frauen und ihrer Rolle in der Gesellschaft durchaus starke Parallelen in Koran und Bibel finden lassen. Beide sehen Frauen als dem Mann untergeordnet an. Das rechtfertige aber nicht kriminelles Verhalten, waren sich alle in der Runde einig.

Doch Schirmbeck warnte: "Bei uns macht man sich keinen Eindruck von der Macht der Religion im Islam. Der Islam hat eine immense Virulenz, die eine vollkommen andere ist als hierzulande. Liebespaare, die die Hand halten, werden in Marokko zusammengeschlagen." Für Schwarzer sind "Scharia-Muslime", die das Buch wortwörtlich nehmen, das Problem.

Der salafistische Islam nimmt Dir das Denken ab

Für viele junge und oft orientierungslose Menschen ist der Salafismus ein attraktiver Verführer, wie Ex-Salafist Dominic Musa Schmitz eindrucksvoll beschrieb: "Gereizt hat mich das feste Regelwerk. Ich konnte nicht unterscheiden zwischen Salafismus und Islam. Das war für mich der Islam. Richtig und falsch wurde dir vorgegeben. Extreme Ideologien sagen dir 'bis hierhin und nicht weiter'." Bei Salafisten stünde der Koran über dem Gesetz. Als Salafist gab Schmitz Frauen weder die Hand, noch sah er ihnen ins Gesicht. Um den sexuellen Druck der verlangten Enthaltsamkeit zu entgehen, blieb nur eine frühe Heirat mit einer Frau, die sein Imam ihm vorschlug und die er kaum zwei Tage kannte.

Der strenge salafistische Islam sei auch ein Stück weit Vaterersatz gewesen, der Führung gibt. Man brauche nicht selbst zu denken, sondern bekomme das Denken abgenommen und das Handeln vorgegeben. Schmitz: "Viele islamische Parolen beispielsweise auf Facebook sind völlig inhaltsleer und trotzdem werden sie von fanatischen Followern bejubelt." Sandra Maischberger stellte fest, dass es eine fundamentalistische und eine politische Ausrichtung des Islam gebe, die beide mit der Religion nicht deckungsgleich seien.

Die Nebenkriegsschauplätze der Diskussion

Schnell war zu erkennen, dass Alice Schwarzer auf DITIB und andere muslimische Verbände nicht gut zu sprechen ist, als sie in Richtung von Murat Kayman wütete: "DITIB untersteht der türkischen Religionsbehörde und Sie werden von dieser munitioniert. DITIB ist der verlängerte Arm von Erdogan." Tatsächlich untersteht der DITIB der türkischen Behörde. Die Imame zahlreicher deutschen Moscheen werden von der Türkei entsandt und auch bezahlt. Kayman versuchte zu kontern, man dürfe nicht so tun, als würde Erdogan überall und auf alle Muslime durchgreifen und Einfluss nehmen.

Schmitz kritisierte, dass viele dieser Imame nur Türkisch sprechen: "DITIB-Imame beziehen keine Stellung zu Scharia, Terror etc. Sie können keine Fragen beantworten, weil sie die deutsche Sprache nicht sprechen." Er wünschte sich, das auch in Deutsch gepredigt wird, ohne das aber in eine gesetzliche Pflicht zu gießen, wie die CSU das fordert. Simone Peters sieht hier in der Ausbildung deutscher Imame an Universitäten eine Chance.

Peter sah ähnliche Probleme mit den Verbänden, erkannte aber an, dass diese die Ansprechpartner der Politik sind. Schwarzer legte nach: "DITIB vertritt einen rückwärtsgewandten Scharia-Islam. Sie vermittelt den Eindruck, das Kopftuch sei ein religiöses Muss und setzen sich nicht kritisch mit Problemen auseinander." Man müsse die Muslime vor dem Einfluss der reaktionären Verbände und damit auch dem Einfluss Erdogans schützen. Auch Schirmbeck haute in die gleiche Kerbe: "Die Verbände reden wie die Fundamentalisten!"

Was bleibt unterm Strich?

Die stellenweise sehr emotional und "dynamisch" diskutierende Runde beleuchtete verschiedene Perspektiven des Problems, ohne einer Lösung wirklich näher zu kommen, was sicher auch der Komplexität des Themas geschuldet ist. Dass eine pauschale Aburteilung des Islams als frauenfeindlich und extremistisch genau so engstirnig und dumm ist, wie die pauschale Diffamierung von Islamkritikern als islamophob, war eigentlich schon vorher klar. Wenn eine Erkenntnis bleibt, dann die, dass das Thema längst nicht vom Tisch ist, aber tatsächlich einer differenzierteren Betrachtung und auch Kritik bedarf. Einer Kritik, die sich der Islam wohl auch selbst stellen muss.

Eine Diskussion darf dann auch gerne stattfinden, ohne dass jemand so auf Krawall gebürstet ist wie Alice Schwarzer und ohne dass jemand auf den immer gleichen Argument herumreitet, wie Samuel Schirmbeck. Der besonnene und sachliche Ex-Salafist Schmitz war dagegen eine echte Wohltat.

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