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Interview mit Thorsten Schäfer-Gümbel: "Bouffiers Kampf gegen Rechts ist wenig glaubwürdig"


Landtagswahl in Hessen
Herr Schäfer-Gümbel, warum ist die AfD stärker als die SPD?

  • Johannes Bebermeier
InterviewInterview von J. Bebermeier, M. Trotz, N. Lindken

Aktualisiert am 27.09.2018Lesedauer: 6 Min.
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Thorsten Schäfer-Gümbel, Fraktionschef der SPD: Auch seinen dritter Versuch, Ministerpräsident von Hessen zu werden, wird angesichts der aktuellen Umfragewerte seiner Partei schwierig.Vergrößern des Bildes
Thorsten Schäfer-Gümbel, Fraktionschef der SPD: Auch seinen dritter Versuch, Ministerpräsident von Hessen zu werden, wird angesichts der aktuellen Umfragewerte seiner Partei schwierig. (Quelle: Michael Schick/imago-images-bilder)

Zweimal ist er schon gescheitert. Jetzt versucht Thorsten Schäfer-Gümbel von der SPD erneut, Hessens Ministerpräsident zu werden. Warum sollte es diesmal klappen?

Zweimal hat es schon nicht geklappt. Wenn am 28. Oktober die Landtagswahl in Hessen ansteht, bewirbt sich Thorsten Schäfer-Gümbel bereits zum dritten Mail um den Posten des Ministerpräsidenten. Dass er noch eine Chance bekommt, hat auch mit dem starken Abschneiden vor fünf Jahren zu tun. Damals holte die SPD 30,7 Prozent. Doch weil es auch die FDP und die Linke in den Landtag schafften, reichte es nicht für eine Koalition mit den Grünen. Die regierten dann mit der CDU.

Ende September 2018 liegt die SPD in Umfragen bei 23 Prozent – auf Bundesebene würde man sich freuen. Für die Ansprüche im Land ist es wenig.

Doch Schäfer-Gümbel gibt sich nicht geschlagen.

Im Interview mit t-online.de spricht er über die Fehler-Kultur der Bundes-SPD, über Unglaubwürdigkeit der hessischen CDU im Kampf gegen Rechts und darüber, dass gute Politik nicht von guten Überschriften lebt. Im Video erklärt er zudem, warum die AfD bundesweit in Umfragen vor der SPD liegt.

Herr Schäfer-Gümbel, glauben Sie, die Menschen verstehen die SPD noch?

Ja, im Großen und Ganzen schon. Manchmal mit der Faust in der Tasche. Aber jeder kann sehen, dass die SPD hinhört und reagiert.

Wie kann es sein, dass die SPD im Fall Maaßen zunächst eine Entscheidung mittrug, die so fundamental dem Gerechtigkeitsempfinden ihrer Anhänger widersprach?

Der Entscheidende ist: Andrea Nahles hat den Fehler eingeräumt und ihn korrigiert. Das ist genau die politische Kultur, die wir brauchen und die viele vermissen.

Wäre der SPD die Fehleinschätzung im Fall Maaßen gar nicht unterlaufen, hätte sie sich nicht korrigieren müssen.

Fehler passieren, auch wenn man sich vornimmt, keine zu begehen. Sie zu korrigieren, erfordert Format.

Nun entsteht nicht zum ersten Mal der Eindruck, dass die SPD alles schluckt, um die große Koalition zu erhalten. In der Unionskrise um die Asylpolitik hat Ihre Partei im Sommer einen Kompromiss mitgetragen, der am Ende kaum einen Asylbewerber betrifft. Nach der Bundestagswahl hieß es: Die SPD will sich erneuern. Bei den Menschen muss etwas anderes ankommen, oder?

Ich teile das nicht. Horst Seehofer ist im Spätherbst seiner politischen Karriere offensichtlich nur noch auf Destabilisierung aus. Er verarbeitet seine Beziehung zu Angela Merkel. Wir haben im Sommer dafür gesorgt, dass seine aberwitzigen Vorschläge nicht umgesetzt wurden. Deutschland setzt auf Europa, nicht auf nationale Alleingänge. Mit dem Gute-Kita-Gesetz, einer Qualifizierungsoffensive und fünf Milliarden für den sozialen Wohnungsbau haben wir auch in der letzten Chaoswoche gezeigt, dass wir unsere Arbeit in der Regierung machen. Und wir kümmern uns um die Zukunftsfragen, zum Beispiel haben wir mit weitreichenden Vorschlägen wie einem Mietenstopp gezeigt, was wir gegen explodierende Mieten tun wollen. Oder unser Vorstoß für eine Rentenpolitik bis 2040. Alle anderen Parteien verweigern sich dieser zentralen Aufgabe.

Das alles hilft der SPD in den Umfragen aber nicht. Gibt es einen Punkt für Sie, an dem die SPD sagen müsste: Wir beenden die große Koalition?

Der Streit zwischen Seehofer und Merkel schadet dem Vertrauen in die Politik insgesamt. Das muss aufhören. Horst Seehofer wird dafür eine Quittung am 14. Oktober bekommen,

Also bei der Landtagswahl in Bayern, bei der Seehofers CSU die absolute Mehrheit nicht erreichen dürfte. Sie sind in Hessen mitten im Landtagswahlkampf. Können Sie sich angesichts all der Querelen in der Bundespolitik überhaupt freuen, wenn Sie bald Unterstützung von SPD-Bundespolitikern bekommen?

Ja, natürlich.

Sie versuchen im dritten Anlauf, Ministerpräsident Hessens zu werden. Die SPD regiert nun schon seit 1999 nicht mehr. Die Hessen scheinen recht zufrieden mit der CDU und mit Volker Bouffier zu sein. Eine aktuelle Umfrage sieht die SPD bei 23 Prozent, die CDU bei 28 Prozent. Das klingt nicht sonderlich vielversprechend. Warum sollte es diesmal für Sie klappen?

Wir greifen die Themen auf, die den Menschen wichtig sind. Die SPD setzt sich für bezahlbares Wohnen, eine bessere Anbindung von Stadt und Land und mehr Bildungsgerechtigkeit ein. Das und mehr habe ich in meinem Hessenplan+ beschrieben.

Das sind verdienstvolle Themen. Nur polarisieren sie nicht wirklich. Die CDU hat das auch im Programm. Wo wollen Sie sich unterscheiden?

Widerspruch! Es geht nicht um Überschriften. Es geht um die Inhalte. Und da gibt es dramatische Unterschiede zur CDU. Es fängt damit an, dass die hessische Landesregierung behauptet, es gebe keinen Lehrermangel und keinen Unterrichtsausfall. Lehrer, Schüler und Eltern sagen das Gegenteil. Wir werden pro Jahr 50 Ganztagschulen schaffen und machen Bildung vollständig gebührenfrei. Die Herkunft eines Schülers soll nicht über den Bildungsweg entscheiden.

Was sind die Unterschiede beim Wohnen?

Seit die CDU regiert, hat sich die Zahl der Sozialwohnungen in Hessen mehr als halbiert. Die CDU hat bis auf eine einzige landeseigene Wohnungsbaugesellschaft alle privatisiert. Warum sollte der CDU nach 19 Jahren jemand abnehmen, dass sie für bezahlbare Wohnungen eintritt? Der wohnungspolitische Sprecher der CDU im Landtag hat argumentiert, dass es weniger Sozialwohnungen gebe, zeige, dass es den Hessen besser gehe. Ich finde: Ein Staat, der Banken retten kann, kann auch Mieter schützen.

Was wollen Sie bei der Mobilität ändern?

Wir werden mehr Züge und Busse in Bewegung setzen und Straßen modernisieren. Der Stau in Hessen geht dreimal um die Erde. Es wurde viel zu wenig investiert. Die Landesregierung hatte Geld aus dem Bundesverkehrswegeplan zur Verfügung. Damit sollten zum Beispiel 107 Kilometer Autobahn und Bundesstraße ausgebaut werden. Geschafft hat die Landesregierung davon nur 17 Kilometer.

Schwarz-Grün rechnet Ihnen vor, dass ihre Vorhaben bei Wohnen, Mobilität und Bildung drei bis vier Milliarden Euro kosten würden. Wie wollen Sie das finanzieren?

Immer, wenn die Regierung Geld braucht, ist es da. Immer wenn die Opposition welches braucht, nicht. Ich nehme das nicht mehr ernst. Hessen erwartet allein in den nächsten fünf Jahren Steuermehreinnahmen in Höhe von mindestens fünf Milliarden. Man kann ein Land nicht mit ständigem „Geht nicht“ regieren, man muss auch etwas bewegen wollen. Der Spielraum ist da.

Wie wollen Sie sich sonst noch von der CDU absetzen?

Die SPD würde niemals Menschen gegeneinander ausspielen.

Was bedeutet das?

Die CDU hat vor zwei Wochen angefangen zu erklären, man sei jetzt auch gegen Rechtspopulismus und die AfD. Volker Bouffier hat aber zehn Jahre lang den rechtsnationalistischen CDU-Abgeordneten Hans-Jürgen Irmer geschützt, der gegen Muslime, Ausländer und Homosexuelle gehetzt hat. Dank Bouffier sitzt Irmer nun als Nachfolger von Erika Steinbach im Deutschen Bundestag.

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Sie nehmen ihm seine Erklärung gegen die AfD nicht ab?

Als Demokrat finde ich das richtig, aber von ihm klingt es schal. Hessen hat sich als einziges Bundesland bis heute nicht für die NSU-Mordserie und die Fehler in den Sicherheitsapparaten entschuldigt. Nicht einmal nach dem Untersuchungsausschuss. Zuständiger Innenminister war Volker Bouffier.

Tut Volker Bouffier zu wenig gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus?

Ja. Bouffiers Kampf gegen Rechts ist wenig glaubwürdig.

Sie konzentrieren sich im Wahlkampf auf drei Themen, die Sie groß vertreten. Die Integration von Flüchtlingen ist nicht dabei, auch wenn sie in Ihrem Hessenplan+ vorkommt. Warum machen sie das Thema nicht größer?

Integration ist vor allem eine soziale Frage. Die Antworten sind Bildung, Wohnungen und Arbeit. Und bei der Arbeit ist die bessere Verbindung von Stadt und Land wichtig. Für all das setzen wir uns ein. Der Hessenplan+ enthält einen Aktionsplan: Ich will etwa die politische und kulturelle Bildung stärken. Gesellschaftlicher Zusammenhalt erfordert Regeln. Und der Rechtsstaat muss jene zur Verantwortung ziehen, die dagegen verstoßen.

Sie rücken das Thema Flüchtlinge aber nicht in den Vordergrund. Wollen Sie damit nicht auch der AfD den Wind aus den Segeln nehmen? Die liegt in Hessen recht stabil bei 14 Prozent.

Eine fortschrittliche sozialdemokratische Politik ist die beste Antwort auf Populismus. Wenn Neonazis mit Hitlergruß durch verängstigte Städte ziehen, ist das keine soziale Frage, sondern ein Fall für den Staatsanwalt. Das ist unsere klare Haltung. Ansonsten geht es darum, konkrete Probleme zu lösen wie beim Thema Wohnen. Das machen wir. Dafür brauchen wir keine Rechtspopulisten, aber: ja, das ist auch eine Antwort auf die Verunsicherung vieler Menschen, ob ihre Themen noch gehört werden.

Haben Sie sich schon mit dem Gedanken angefreundet, vielleicht Minister unter Volker Bouffier in einer großen Koalition zu werden?

Nein. Ich kämpfe für den Wahlsieg.

Um selbst Ministerpräsident werden zu können, brauchen Sie aber – Stand jetzt – zwei Koalitionspartner.

Volker Bouffier übrigens auch.

Das stimmt, wenn man eine große Koalition ausklammert. Aber bleiben wir bei Ihrer Machtperspektive: Mit wem würden Sie am liebsten regieren?

Wichtig ist, mit wem wir mehr sozialdemokratische Politik durchsetzen können. Es gibt einen breiten Konsens in Hessen: Die demokratischen Parteien schließen keine Koalitionen aus. Klar ist aber: Wer die Grünen wählt, unterstützt Volker Bouffier. Schwarz-Grün will weitermachen wie bisher. Wer den Politikwechsel will, muss SPD wählen.

Herr Schäfer-Gümbel, vielen Dank für das Gespräch.

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