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Corona-Krise und Klima: Wie kann man den Rückfall in der Krise verhindern?


Meinung
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Fünf Ideen
Wie wir den Klimarückfall in der Corona-Krise verhindern

MeinungEin Gastbeitrag von Lisa Badum (Grüne)

Aktualisiert am 02.04.2020Lesedauer: 5 Min.
Windpark bei Jackerath: Wie kann man die Corona-Krise bewältigen und zugleich etwas fürs Klima tun?Vergrößern des Bildes
Windpark bei Jackerath: Wie kann man die Corona-Krise bewältigen und zugleich etwas fürs Klima tun? (Quelle: Sascha Hilgers/Patricia Haas/imago-images-bilder)

Kann man die Corona-Krise bewältigen und zugleich das Klima schützen? Man muss sogar, schreibt die klimapolitische Sprecherin der Grünen, Lisa Badum, in einem Gastbeitrag.

Der Bundestag hat in der Corona-Krise das größte Rettungspaket in der Geschichte der Bundesrepublik verabschiedet. Die Milliardenhilfen sind wichtig. Deutschland muss schnell und entschlossen handeln. Doch wenn wir 600 Milliarden Euro in die Wirtschaft pumpen, um zu helfen, sollten wir auch versuchen, etwas aufzubauen, was eine Zukunft hat. "Verschwende nie eine Krise": Jetzt kommt es darauf an, Technik zu fördern, die nachhaltig ist, und Jobs zu retten, die in zehn Jahren noch existieren.

Als Klimapolitikerin und Abgeordnete für eine Region im Umbruch, in der ein Fünftel der Beschäftigten in der Automobilzuliefererbranche arbeiten, weiß ich, wie wichtig es ist, dass Wirtschaftshilfen die Zukunftsakteure von morgen fördern.

Meine fünf Klima-Ideen für die Corona-Krisenbewältigung:

1) Klima-Rückfall nach der Krise vermeiden

Das deutsche Klimaziel 2020 von minus 40 Prozent CO2-Emissionen seit 1990 soll "dank Corona" nun doch noch erreichbar sein. Aber wir erreichen es nur, weil die Produktion stockt und das öffentliche Leben pausiert. Wenn wir jetzt nicht die Weichen stellen, werden die Emissionen danach wieder explodieren.

(Quelle: Sascha Hilgers/Patricia Haas)


Lisa Badum, 36 Jahre alt, sitzt seit 2017 für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Sie ist Sprecherin für Klimapolitik der Fraktion.

Auch nach der Finanzkrise 2008/2009 gingen klimaschädliche Abgase leicht zurück. Danach jedoch wurde umso mehr schmutziges CO2 in die Atmosphäre gepumpt. Die Politik hatte es versäumt, Kohle, Öl und Gas ihren realen Preis zu geben und endlich die Hindernisse für Erneuerbare Technologien aus dem Weg zu räumen. Auch jetzt ist der Ölpreis wieder niedrig und der Preis für eine Tonne CO2 im Emissionshandel ist aufgrund der sinkenden Stromnachfrage von 23 Euro Mitte Februar auf 16 Euro Ende März abgestürzt.

Die Folgen sind fatal: Gerade in der Krisen- und Transformationsphase bleibt es billig, Kohlekraftwerke zu betreiben, Ölheizungen zu verkaufen und Zement zu verbauen. Wir müssen gegensteuern. Der Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft wird nicht auf Grundlage von zufälligen Ereignissen passieren. Wir müssen als Sofortmaßnahmen den CO2-Preis endlich wirklich einführen, denn die 25 Euro pro Tonne CO2 sind im Bundestag noch nicht beschlossen worden. Und wir müssen einen CO2-Mindestpreis im Emissionshandel von 40 Euro forcieren.

2) Umweltministerium gehört in den Krisenstab

Das Corona-Rettungspaket nutzt vorhandene Strukturen und das Wissen von vielen Akteuren. So fließt im Ausschuss des Wirtschaftsstabilisierungsfonds die Expertise des Bundeskanzleramts und der Ministerien für Finanzen, Wirtschaft , Arbeit, Justiz und Verkehr mit ein. Es sollte auch das Know-how des Bundesumweltministeriums genutzt werden. Immerhin soll der Wirtschaftsstabilisierungsfonds bis Ende 2021 begründete Verbindlichkeiten von Unternehmen übernehmen. Im Gesetz ist "angesichts des sehr hohen finanziellen Volumens" ausdrücklich eine Evaluation vorgesehen. Mit der Expertise des Umweltministeriums sollten geplante Maßnahmen auf ihre Überstimmung mit dem Klimapaket, dem Klimaziel 2030 und letztlich dem europäischen Green Deal geprüft werden.

Der im Klimaschutzgesetz vorgeschriebene wissenschaftliche Beirat könnte ebenfalls und früher als geplant aktiviert werden. Das beste Beispiel für nötige ökologische Kontrolle und Leitlinien sind die geplanten Hilfen der Bundesregierung für die Lufthansa, die für 44 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß jährlich verantwortlich ist.


Insbesondere bei zukünftigen Konjunkturmaßnahmen kann Expertise aus dem Umweltministerium helfen. Denn nicht jede Maßnahme, die kurzfristig positiv für den Binnenmarkt scheint, hilft den Branchen langfristig und ist ökologisch sinnvoll. Da die Abwrackprämie 2009 abgesehen von der Abgasnorm Euro 4 an keine weiteren Auflagen geknüpft war, blieb sie ein Strohfeuer und trug weder zu einer Mobilitätswende noch zur Innovationsentwicklung in der Automobilbranche etwas bei.

3) Beschäftigung fördern, Umweltverschmutzung verteuern

Gerade in und nach der Krise können die Weichen für eine grüne Transformation der Wirtschaft gestellt werden. Die Einnahmen aus Umweltverschmutzungssteuern- und -abgaben im Bundeshaushalt sind derzeit kontinuierlich niedrig. Seit 2003 wurden die Steuern nicht angepasst. Unverändert hoch sind hingegen die Steuereinnahmen aus Arbeit. Folge: Gerade jetzt in der Krise und auch während des Wiederaufbaus bleibt es billig, schmutzig zu wirtschaften und den Planeten auszubeuten. Das darf nicht sein. Die Forderung nach einem Aussetzen des Klimapakets aus Teilen der Union hätte daher fatale Folgen für die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft.

Das Gegenteil brauchen wir. Die Botschaft in und nach der Krise kann eine bessere sein: Die Steuern auf Verschmutzung sollten nach oben, die Klimaprämie damit aktiviert und der Faktor Arbeit nicht weiter belastet werden. Der Beschluss des Vermittlungsausschusses für 25 Euro pro Tonne CO2 bei Wärme und Verkehr muss schnellstmöglich im Bundestag umgesetzt werden und kann nur der Anfang sein. Denn gleichzeitig würde die Entlastung bei der EEG-Umlage und damit beim Strompreis beschlossen werden, die die Sektorkopplung und die Energiewende fordert und Bürgerinnen und Bürger entlastet. Überfällig ist die Abschaffung des 52-Gigawatt-Solardeckels, der die Förderung von Fotovoltaik-Projekten beschränkt. In dieser Situation am Deckel festzuhalten, ist grob fahrlässig und gefährdet die ganze Branche.

Ebenso hinderlich ist, dass der Streit um die Windkraftabstände noch ungeklärt ist. Die Schwankungen im Europäischen Emissionshandel zeigen außerdem, dass es ohne einen Mindestpreis keine Planungssicherheit gibt. In der Zeit der niedrigen Rohstoffpreise ergibt es Sinn, das Dieselprivileg abzuschmelzen, die Dienstwagenbesteuerung zu reformieren und ein Bonus-Malus-System in der Kfz-Steuer zugunsten emissionsarmer Autos vorzunehmen.

4) Wie regionale Transformation gelingt – Beispiel Automobilindustrie

Alle diese Maßnahmen schützen UnternehmerInnen und Beschäftigte, die wir für die grüne Wirtschaft der Zukunft brauchen. Beispiel Automobilindustrie: Die Branche steckt mitten in der Transformation. Die globalen Lieferketten werden durch Handelsstreit und Brexit-Umsetzung blockiert und die Antriebstechnik des Autos und die Nachfrage nach Mobilität wandelt sich. Corona beschleunigt diese Entwicklung. VW und Daimler haben den Stopp der Produktion erklärt und damit fahren auch Automobilzulieferer herunter. Daher verwundert es nicht, wenn der Verkehrsminister davon spricht, dass man alles tun müsse, um die Automobilindustrie zu erhalten. Jetzt ist wichtig, dass wir dabei nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen. Die letzte "Rettungsaktion" für die Automobilindustrie, die Abwrackprämie, brachte langfristig keine positiven Effekte für Beschäftigung und für den Industriestandort Deutschland. Für die Automobilbranche ist wichtig:

Konjunkturmaßnahmen der Bundesregierung, die den Kauf von neuen Autos fördern, müssen emissionsfreie Autos fördern. Die Bundesregierung muss den Ausbau vernetzter Mobilität jenseits des Autos im Blick haben. Denn wichtig ist genauso, den Mobilitätsmarkt der Zukunft zu befördern, und ÖPNV und Schienenwege auszubauen. Das wurde bei den Konjunkturpaketen 2009 versäumt.

Mobilität der Zukunft wird nur mit dem Ausbau Erneuerbarer Energien funktionieren. Grüne Reformen sorgen für die Bereitstellung grüner Energie und neue Standbeine für UnternehmerInnen in der Automobilindustrie.

5) Europäischen Green Deal jetzt weiterdrehen

In diesen Monaten wird sich entscheiden, ob die Corona-Krise als Beispiel von nationaler Abschottung und Grenzschließungen in den Köpfen bleibt oder als Beispiel von Solidarität. Klar ist, der Europäische Green Deal kann keine Kraft entwickeln, wenn südeuropäische Wirtschaften nach Corona einbrechen und es nur Deutschland gelingt, die Krise abzufedern. Gemeinsame Solidarität ist gefragt.

Es ist richtig, dass auch die Europäische Kommission ein Paket von 25 Milliarden für Sektoren ankündigt, die schwer von dieser Gesundheitskrise betroffen sind. Dabei hat Vizekommissionspräsident Timmermanns bereits angekündigt dass die Gelder sich am Green Deal ausrichten sollen. Der Zeitplan für ein höheres EU-Klimaziel 2030, das Klimaschutzgesetz, die Industriestrategie und die Vorbereitung auf die Klimakonferenz bleibt und ist wichtig für die Krisenbewältigung.

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Und wir müssen über Europa hinausschauen. Entwicklungs- und Schwellenländer werden proportional stärker von Corona-Auswirkungen betroffen sein. Es geht um die überforderten Gesundheitssysteme, aber auch um die Folgen für die Wirtschaftssysteme dieser Länder. Wir begrüßen daher die Initiative Norwegens für einen internationalen Corona-Hilfsfonds auf UN-Ebene. Corona-Partnerschaften für den anschließenden Wiederaufbau, auch der Energieversorgung, müssen Green-Deal-Partnerschaften sein.

Die im Gastbeitrag geäußerte Ansicht spiegelt die Meinung der Autorin wider und entspricht nicht notwendigerweise derjenigen der t-online.de-Redaktion.

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