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Presseschau zu Corona-Beschränkungen: "Eine Entscheidung mit Sprengkraft, aber unumgänglich"


Presseschau zu Corona-Beschränkungen
"Eine Entscheidung mit Sprengkraft, aber unumgänglich"

Von dpa, aj

29.10.2020Lesedauer: 6 Min.
Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wie bewerten die deutschen Medien die neuen Corona-Beschlüsse von Bund und Ländern?Vergrößern des BildesBundeskanzlerin Angela Merkel: Wie bewerten die deutschen Medien die neuen Corona-Beschlüsse von Bund und Ländern? (Quelle: Fabrizio Bensch/Reuters Pool/dpa)
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Mit strengen Beschränkungen wollen Bund und Länder die zweite Corona-Welle brechen. Sind die neuen Auflagen zumutbar – und braucht es wirklich diese Verschärfung? In der deutschen Presse teilen sich die Meinungen.

Vor dem Hintergrund dramatisch steigender Infektionszahlen in Deutschland haben sich Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten am Mittwoch auf die einschneidendsten Schritte seit dem großen Lockdown im Frühjahr geeinigt. Doch braucht es wirklich schon den Wellenbrecher-Lockdown? Ein Überblick darüber, wie die Presse den neuen politischen Kurs bewertet.

"Süddeutsche Zeitung" (München): "Es kommt darauf an, das bestehende Durcheinander der Stimmen und Studien zu ordnen. Es ist notwendig, den tatsächlich ja erwiesenen Nutzen von Masken oder auch Ausgangsbeschränkungen deutlich zu machen, nachvollziehbar und gründlich. Unbrauchbar ist da der Das-habe-ich-doch-nun-schon-dreimal-gesagt-Gestus, auf den sich gerade auch Markus Söder oder Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller so beklemmend gut verstehen. Die Erklärungen kann die Politik nicht dem begrenzten Charisma eines Robert-Koch-Institut-Chefs überlassen. Sie hat das Mandat und die Aufgabe, in den Parlamenten zu beraten, zu entscheiden und das intensiv zu erklären. In diesem Sinne wird Angela Merkel an diesem Donnerstag wohl eine der letzten, gewiss aber eine der wichtigsten Regierungserklärungen ihrer Kanzlerschaft halten."

"Volksstimme" (Magdeburg): "Einen Lockdown verhängen oder die Republik sehenden Auges ins Corona-Koma fallen lassen – von diesen Alternativen haben Bundesregierung und Länderchefs erstere gewählt. Eine Entscheidung mit Sprengkraft, aber unumgänglich. Wird jetzt nicht versucht, einzuschreiten, ist das Virus nicht mehr aufzuhalten. Doch Corona polarisiert. Die Aufwallung gegen die strikten Einschränkungen wird stärker sein als im Frühjahr und die Gerichte beschäftigen. Dem entgegenzuwirken, müssen Bund und Länder die versprochene Hilfe für gebeutelte Zweige wie Kultur, Gastronomie und Eventbranche schnell mit konkreten Terminen untersetzen. Wichtig ist die Abkehr von der Corona-Kleinstaaterei. Zunächst wenig betroffene Länder wie Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern hat es doch voll erwischt. Dass Kitas und Schulen möglichst lange bundesweit offen gehalten werden sollen, ist eine richtige Priorität."

"Badische Zeitung" (Freiburg): "Vier Wochen harter Einschnitte sollen nun die Kontrolle zurückbringen, die Infektionszahlen auf niedrigerem Niveau stabilisieren. Die Vollbremsung mag notwendig sein, doch ihre Folgen sind massiv, wirtschaftlich, psychologisch, für die wundgeriebene Gesellschaft. Man kann einen Lockdown nicht beliebig wiederholen. Bis Dezember braucht es klügere Konzepte, die Suche muss jetzt beginnen."

"Thüringische Landeszeitung" (Weimar): "Die Beschlüsse greifen wieder tief ins private Leben ein. Sie nehmen keine Rücksicht auf regionale Unterschiede im Pandemie-Geschehen. Sie wurden an allen Parlamenten vorbei getroffen. Aber eines muss man ihnen dennoch zugute halten: Sie haben ihre Lektion gelernt und wollen Fehler aus dem Frühjahr offensichtlich nicht wiederholen. Dass Schulen und Kindergärten geöffnet bleiben sollen, ist eine gute Nachricht. Genauso wie geöffnete Läden. Und auch die weiterhin bestehenden Besuchsmöglichkeiten in Alten- und Pflegeheimen sind absolut begrüßenswert. Insofern gibt es positive Signale, die mit den Beschlüssen verbunden sind. Eine Zumutung bleiben sie trotzdem. Aber sie sind zumutbar."

"Handelsblatt" (Düsseldorf): "Außer Kontrolle droht derzeit eher unser Umgang mit Corona zu geraten als die Krankheit selbst. Dabei hat sich die Welt verändert, seit das Virus vor knapp einem Jahr in Wuhan seinen globalen Eroberungsfeldzug antrat. Wir kennen Corona längst viel besser. Wir wissen, dass das Virus zwar nicht ungefährlich ist, aber auch nicht so todbringend wie anfangs vielerorts befürchtet. Es ist beherrschbar, auch ohne Lockdown – ein Instrument übrigens, das in der gesamten Menschheitsgeschichte bislang einzigartig ist. Und ob diese Idee des totalen Stillstands nun die Rettung oder unsere Büchse der Pandora 2.0 war, können vielleicht erst künftige Generationen beurteilen."

"Weser-Kurier" (Bremen): "Vor einer Woche hat Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), als Hauptursache für die deutlich gestiegenen Infektionszahlen in Deutschland Ansteckungen im privaten Bereich ausgemacht. Die jetzt von einem erneuten Lockdown betroffenen Einrichtungen spielen nach einer RKI-Studie vom August keine herausgehobene Rolle. Danach ist ein Aufenthalt in einem Altenheim oder am Arbeitsplatz deutlich gefährlicher. Daher ist zu befürchten, dass die Gerichte die Beschränkungen, die Merkel und die Ministerpräsidenten auf den Weg gebracht haben, wieder einkassieren werden."

"Stuttgarter Nachrichten": "Um ohne noch drastischere und langwierigere Eingriffe durch den Winter zu kommen, braucht es offensichtlich vor allem eines: wirksame und nachvollziehbare Frühwarnsysteme, auf die sich alle verlassen können. Immer härtere Maßnahmen machen irgendwann auch jene mürbe, die die ganze Zeit über brav daran mitgearbeitet haben, die zweite Welle zu brechen. Vielleicht hilft es da, dass nach der sich nun abzeichnenden Durststrecke im November ein gemeinsames Ziel steht: Weihnachten im Kreise der Lieben - möglichst ohne Kontaktbeschränkungen und das vorherige Studium lokaler Corona-Verordnungen. Es wäre allen zu wünschen."

"Hannoversche Allgemeine Zeitung": "Ja, dieser neuerliche Lockdown ist ein Wortbruch, er ist, auch in dieser "Light"-Variante, eine Zumutung, und er ist ungerecht, weil er auch jene Geschäftsleute, Restaurantbesitzer und Veranstalter bestraft, die sich penibel an alle Vorgaben gehalten haben. Nur gehört zur Wahrheit eben auch, dass die Einsicht und die Disziplin jener großen Mehrheit, die in den vergangenen Wochen und Monaten Masken trug und Abstand hielt, einfach nicht reichte, um diese Situation jetzt zu vermeiden. Wahrscheinlich braucht es diese Verschärfung jetzt im Kampf gegen eine Pandemie, die auch jede Inkonsequenz und erst recht jede Uneinsichtigkeit so schnell bestraft."

"Westfalen-Blatt" (Bielefeld): "Deutschland schränkt das öffentliche Leben abermals deutlich ein und droht allen, die nicht mitziehen, spürbare Strafen an. Klar ist: Dieser November 2020 wird uns alle auf eine harte Probe stellen. Doch wahr ist leider auch: Bestehen wir diese Probe nicht, werden die Folgen der Corona-Krise noch viel schlimmer sein - und zwar sowohl für unsere Gesundheit als auch für unsere Wirtschaft. Mit knapp 14 Tagen Verspätung hat sich Kanzlerin Angela Merkel auf ganzer Linie durchgesetzt. Dennoch gilt: Ohne die Akzeptanz der Menschen bleiben alle politischen Beschlüsse hohl. Und selbst im besten Fall wird das normale Leben noch über viele Monate nicht zurückkehren. Die Wahrheit ist unangenehm, und doch gehört sie ausgesprochen: Die Corona-Pandemie kann nicht im Kanzleramt besiegt werden, sondern nur von uns allen zusammen. Dafür brauchen wir weiter viel Disziplin und große Geduld, müssen Vorsicht walten lassen und Rücksicht nehmen. Also: Machen wir uns ans Werk!"

t-online.de: "Weil sich natürlich jeder Regierungschef auf seine Art profilieren und nicht nur Beschlussvorlagen aus Berlin abnicken will, kommt es immer mal wieder zu föderalen Selbstblockaden. Gestern hat sich allerdings gezeigt, dass wir eben nicht nur im Kanzleramt, sondern in allen Staatskanzleien verantwortungsvolle Politiker haben. Wenn es wirklich um etwas geht, stellen sie persönliche Befindlichkeiten zurück und folgen einem Pfad der Vernunft. Das ist längst nicht so selbstverständlich, wie es klingt. Dafür reicht ein Blick nach Großbritannien oder in die USA. Auch in Deutschland gilt natürlich, dass eine gute Erzählung der Entscheidungsfindung stets zuträglich ist. Die Botschaft an die Bevölkerung lautet nun: Wenn wir uns im November zusammenreißen, können wir Weihnachten gemeinsam feiern."

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"Frankfurter Allgemeine Zeitung":" (...) Weder im Frühjahr noch jetzt nach den Verhandlungen der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin gibt es in Deutschland (...) streng genommen einen "Lockdown". Das sollten diejenigen nicht vergessen, die punktuelle Einschränkung der Grundrechte für den Ausnahmezustand, für Aktionismus halten. Von dieser Linie sind Bund und Länder auch am Mittwoch nicht abgewichen. Es herrschte allerdings auch nur darin, im "Lockdown light", Einigkeit. (...) Bei der Gastronomie, beim Einzelhandel, beim Theater gingen die Meinungen weit auseinander - aus guten Gründen. (...) Das effektivste Mittel gegen die Pandemie, die drastische Einschränkung privater Kontakte, ist der staatlichen Kontrolle weitgehend entzogen. Politik macht Halt vor Partykellern und Wohnungstüren; sie kann allenfalls Mobilität stark drosseln. (...)"

"Rhein-Neckar-Zeitung" (Heidelberg): "Die Corona-Schutzmaßnahmen und die Hilfspakete gehören in die Parlamente und sie müssen dort begründet werden. Angela Merkel hat heute im Bundestag die Chance, die Richtigkeit ihrer Corona-Politik zu erklären. Das muss sie, das müssen auch die anderen Regierungschefs, immer und immer wiederholen. Denn die nationale Zumutung wird nur dann ein Erfolg werden, wenn sie auch alle verstehen und ihren Sinn nachvollziehen können."

"Neue Osnabrücker Zeitung": "Land, Ärzte- und Wissenschaft sind gespalten: Braucht es wirklich schon den Wellenbrecher-Lockdown, wo doch die Intensivstationen nicht voll sind und das Lahmlegen des öffentlichen Lebens so gravierende Folgen hat? Die Bundesländer sind Kanzlerin Angela Merkel gefolgt. Die Notbremse wird gezogen. Vieles spricht dafür, dass das der richtige Weg ist. Besser jetzt, wo es noch nicht zu spät ist. Merkel hat dafür gesorgt, dass das Allerschlimmste noch verhindert werden kann.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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